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Türkei: Deutschland und die Türkei: Eine enge Verbindung mit Höhen und Tiefen

Türkei

Deutschland und die Türkei: Eine enge Verbindung mit Höhen und Tiefen

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    Am 29. Oktober feiert die Türkische Republik ihr Hundertjähriges Bestehen.
    Am 29. Oktober feiert die Türkische Republik ihr Hundertjähriges Bestehen. Foto: Emrah Gurel, dpa

    Wenn sich die Ausrufung der Türkischen Republik am Sonntag zum hundertsten Mal jährt, ist das auch für Deutschland ein ganz besonderes Staatsjubiläum. Historische, politische, wirtschaftliche und menschliche Verflechtungen binden die beiden Länder eng aneinander, ob sie wollen oder nicht. Die Türkei und

    Die Türkei wurde nach dem Ende des Osmanischen Reiches gegründet. Atatürk verpasste dem Land in autoritärer Manier einen Wandel von oben: Nicht in der Tradition der Osmanen stehend, sondern dem Westen zugewandt und modern sollte sie sein, die neue Türkei. Schon bei ihrer Gründung am 29. Oktober 1923 schuf die Türkische Republik enge Beziehungen zu Deutschland. Experten aus Deutschland planten und bauten Regierungs- und Verwaltungsgebäude im zentralanatolischen Ankara, das bereits vor Ausrufung der Republik zur Hauptstadt des neuen Staates erklärt wurde. Die Deutschen sollten helfen, die Türkei aus der Osmanen-Zeit in die Moderne zu führen. Zu ihnen gehörte der Stadtplaner Carl Lörcher, der den ersten Bebauungsplan für die neue türkische Hauptstadt entwarf. Viele andere folgten. Ernst Reuter, der spätere Nachkriegsbürgermeister Berlins, floh vor den Nationalsozialisten in die Türkei und unterrichtete in den 1930er-Jahren bis zum Ende des Krieges an der Universität Ankara.

    Hunderttausende Arbeitsmigranten kamen aus der Türkei nach Deutschland

    Drei Jahrzehnte später warb Deutschland türkische Arbeiter an. Ab den frühen 1960er-Jahren kamen Hunderttausende „Gastarbeiter“ – und blieben. Bis zum Anwerbestopp von 1973 fanden fast 900.000 Türken in der Bundesrepublik einen Job und ein neues Zuhause; heute leben etwa drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Fast jeder in der Türkei hat Verwandte oder Freunde, die in Deutschland leben oder gelebt haben. Bei den meisten von ihnen hat Deutschland einen glänzenden Ruf.

    Zu den Arbeitsmigranten und ihren Nachfahren kamen politische Flüchtlinge. Politische Krisen in der Türkei sind seit Jahrzehnten an steigenden Zahlen türkischer Asylbewerber in der Bundesrepublik ablesbar. Nach dem Militärputsch von 1980 war das ebenso der Fall wie auf dem Höhepunkt des Krieges zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Terrororganisation PKK in den 1990er-Jahren. In jüngster Zeit treibt die autokratische Politik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland in die Höhe: Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres meldeten sich 35.000 Türken mit einem Asylantrag, das waren deutlich mehr als die knapp 24.000 türkischen Anträge im gesamten Jahr 2022 – auch das war schon ein Anstieg um 240 Prozent zu 2021.

    Politisch gibt es immer wieder Streit zwischen Deutschland und der Türkei

    Wirtschaftlich und europapolitisch ist Deutschland für die Türkei unverzichtbar. Die Bundesrepublik ist der größte Abnehmer türkischer Exporte; mehr als 7000 deutsche Unternehmen in der Türkei schaffen Zehntausende gut bezahlte Arbeitsplätze. Ohne deutsche Unterstützung kommt die Türkei in Europa nicht weiter.

    Umso größer ist die Enttäuschung, wenn Deutschland sich abzuwenden scheint. Erdoğan-Gegner in der Türkei haben es der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel bis heute nicht verziehen, dass sie im Oktober 2015 kurz vor türkischen Parlamentswahlen zu Gesprächen mit Erdoğan nach Ankara flog – die Visite wurde als deutsche Wahlkampfhilfe für den Präsidenten verstanden. Auch die türkische Regierung reagiert empfindlich darauf, wenn sie sich von Deutschland zurückgewiesen glaubt. Wegen der Wahlkampfverbote für türkische Politiker in Deutschland im Jahr 2017 warf Erdoğan der deutschen Politik „Nazipraktiken“ vor.

    Über kaum einen ausländischen Staatsmann regen sich deutsche Politiker so häufig auf wie über Erdoğan – doch sie bleiben mit ihm im Gespräch. Verbale Entgleisungen oder die Inhaftierung von Deutschen in der Türkei haben nie zu einer dauerhaften Funkstille zwischen Berlin und Ankara geführt.

    Türkei wird wohl kein Mitglied der EU

    Merkels Besuch bei Erdoğan im Oktober 2015 zeigte, warum das so ist: Damals ging es um die Massenflucht von Syrern über die Türkei nach Europa. Deutschland und die EU brauchten die Mitarbeit Ankaras, um die Fluchtwelle zu stoppen, und schlossen 2016 mit Erdoğan das Flüchtlingsabkommen. Ihre geostrategisch wichtige Lage am Schnittpunkt von Europa, dem Nahen Osten und dem Schwarzmeer-Raum verschafft der Türkei international Gehör, auch in Deutschland.

    In jüngster Zeit wird das ohnehin komplizierte Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland noch schwieriger. Türkische und europäische Politiker haben das Ziel des türkischen EU-Beitritts aufgegeben. Stattdessen will Erdoğan die Türkei zu einer eigenständigen Regionalmacht machen, die sich weder Europa noch den USA unterordnet. Damit schwindet der Einfluss Deutschlands auf die Türkei – doch die engen Verbindungen zwischen den beiden Ländern bleiben bestehen: Deutschland und die Türkei werden sich auch in Zukunft nicht aus dem Weg gehen können.

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