Der Himmel über dem Petersplatz ist blau und rosafarben am frühen Montagmorgen. Ganz so, als habe sich Rom noch einmal besonders hübsch gemacht für diesen Tag. Vier Seminaristen aus den USA stehen schon um kurz vor 8 Uhr am Zugang zur Basilika. Sie sind unter den ersten, die dem am Silvestertag verstorbenen Papst Benedikt XVI. die letzte Ehre erweisen wollen. Die Schlange ist lang, sie führt einmal um den ganzen Platz. Der Leichnam des emeritierten Papstes, gestorben im Alter von 95 Jahren, ist seit Montagmorgen im Petersdom aufgebahrt.
Die Seminaristen haben ihre Gebetsbücher dabei und vertreiben sich die Wartezeit mit Erzählungen und Gebeten, die vom Geräusch eines Rasenmähers durchbrochen werden. Neben der Warteschlange bereiten Vatikanmitarbeiter den Petersplatz für die Generalaudienz am Mittwoch und die Begräbnisfeier am Donnerstag vor. Zwischen den Pflastersteinen ist den Winter über das Gras gewachsen. Stühle werden aufgestellt, der weiße Baldachin auf dem Vorplatz der Basilika aufgebaut. „Papst Benedikt war für mich ein spiritueller Führer“, sagt Greg aus Wisconsin. „Ein Hüter der Kirche“, fügt Brendan hinzu.
Benedikt XVI. ist öffentlich aufgebahrt
Um 9 Uhr schieben die Polizisten die Holzbarrieren beiseite, eine kleine Ordensschwester mit Krücke drängt sich in diesem Moment nach vorne. „Ich bitte euch, macht langsam. Piano, piano!“, sagt ein Polizist. Vor dem Eintritt geht der Blick geht noch einmal hinauf zur Fassade der Peterskirche. Hier auf der Mittelloggia zeigte sich der neu gewählte Papst Benedikt XVI. im April 2005, wie beschwingt winkte er dem Volk zu. Er trug einen roten Mantel und um die Schultern das Pallium als Zeichen der päpstlichen Macht.
Im Februar 2013 folgte der überraschende Rücktritt, ein Jahrhundertereignis. Eine neue Epoche für die katholische Kirche begann. Neben einem rechtmäßigen, im März gewählten Amtsinhaber, Franziskus, gab es nun auch einen emeritierten Papst, der fast alle Macht-Insignien ablegte. Seinen Fischerring, das Pallium. Allerdings kleidete sich Benedikt XVI. immer noch weiß und ließ sich mit „Heiliger Vater“ anreden.
Die Masse schiebt sich in den Petersdom, dessen Inneres golden und mächtig wirkt. Es ist still, der Geruch von Weihrauch steigt auf. Die Menge schreitet schnellen Schrittes bis nach vorne zum Bernini-Baldachin, dann kommt sie zum Stocken. Smartphones, Tablets werden nach oben gehalten, um Fotos vom aufgebahrten Papst zu machen, der mit bloßem Auge vor lauter Menschen nicht zu sehen ist. Nur zwei Schweizer Gardisten mit Helm und Hellbarde sind über den Köpfen zu erspähen. Langsam lassen die Vatikangendarmen die Menschen nach vorne. Dort liegt Benedikt XVI., sein lebloser Körper. Der Trubel ist wie vergessen. Im Angesicht eines Toten steht die Zeit plötzlich still.
Trauer um Benedikt XVI. im Vatikan ist erstaunlich still
Als Erstes sieht man seine schwarzen Lederschuhe. Der Körper ist in einen roten Mantel gehüllt, als Zeichen der Trauer. Der Kopf, leicht nach rechts geneigt, ruht auf zwei Kissen und trägt die Mitra, den Bischofshut. Die dürren Finger sind mit einem Rosenkranz umwickelt und halten ein Kreuz. Das Pallium und den Bischofsstab, die päpstlichen Macht-Insignien, wurden Benedikt XVI. als emeritiertem Papst nicht beigegeben.
Georg Gänswein, sein Privatsekretär, die vier Memores Domini, Ratzingers Haushaltshilfen sowie seine Sekretärin Birgit Wansing, also Benedikts engster Kreis, verabschieden sich in diesem Moment vom Körper des Toten. In der Früh haben sie den Transport des Leichnams in einem Kleintransporter vom Kloster Mater Ecclesiae in den Petersdom begleitet und dann gebetet. Am Leichnam Vorbeigehende bekreuzigen sich jetzt, etwas abseits knien zwei Ordensschwestern nieder. Die Ordner haben etwas mehr Gnade mit ihnen und schicken die Betenden erst nach einigen Minuten weg.
Wie trägt man einen emeritierten Papst zu Grabe? Das ist die im Vatikan derzeit meist gestellte Frage vor der Begräbnisfeier am Donnerstag, der kein Konklave, keine Kardinalsversammlungen, keine Machtkämpfe und kein weißer Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle folgen werden. Das alles geschah nach Benedikts Rücktritt im Jahr 2013. Sein Tod wurde am Samstag mit einer Pressemitteilung des Vatikans und nicht, wie üblich, vom Generalvikar bekannt gegeben.
Der Vatikan kündigte eine „feierliche, aber schlichte“ Zeremonie an, wie sie auch im Sinne Benedikts sei. Doch es gibt sie, diejenigen, die sich daran reiben, dass zum Tod Joseph Ratzingers am Samstagmorgen nicht wie üblich beim Tod eines Papstes die Glocken des Doms läuteten. Kurios ist etwa auch, dass nur an manchen Gebäuden in Vatikannähe die Flaggen auf Halbmast wehen. Das Protokoll für den Tod eines emeritierten Papstes muss erst noch erfunden werden. Weil Benedikt XVI. seit seinem Rücktritt kein Staatschef mehr ist, wurden offiziell nur die Staatspräsidenten Deutschlands und Italiens zum Begräbnis eingeladen.
Markus Söder reist zur Trauerfeier nach Rom
Mit einer bayerischen Delegation will auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum Trauergottesdienst nach Rom reisen. "Es ist eine große Ehre, auch für viele, die dabei sein werden, am Requiem teilzunehmen", sagte Söder am Montag, nachdem er sich in München in ein Kondolenzbuch für den kürzlich Verstorbenen eingetragen hatte.
Papst Franziskus wird die Messe feiern, das steht fest. Am Ende des Gottesdienstes auf dem Petersplatz wird der Papst den Sarg Benedikts mit Weihwasser und Weihrauch weihen und ihn mit verschiedenen Gebeten, der ultima commendatio sowie der valedictio, dem Jenseits anvertrauen. Fest steht auch, dass Benedikt XVI. in der Krypta des Petersdoms im früheren Grab Johannes Paul II. zur letzten Ruhe kommen wird. Der Vorgängerpapst wurde nach seiner Heiligsprechung in ein Grabmal im Dom umgebettet. Dass Benedikt XVI. in Rom kein Eroberer der Herzen war, kann man wenig später in einer Bar in der Via delle Fornaci feststellen. Drei ältere Römerinnen unterhalten sich über den Verstorbenen. „Von wegen, er wurde von allen geliebt“, sagt eine. „Er war kühl und distanziert“, sagt eine andere.