Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem Arbeitsbesuch in den USA erneut eindringlich um weitere Militärhilfen für die Ukraine geworben. „Wir werden klar unsere Solidarität mit der Ukraine nicht nur bekunden, sondern das auch unterlegen durch Taten in Europa“, sagte der SPD-Politiker am Freitagvormittag (Ortszeit) in Washington. Deutschland habe bereits einen großen Beitrag geleistet, „jetzt muss das auch in ganz Europa erfolgen“, sagte Scholz – und ergänzte: Er hoffe, dass das nun auch für die USA gelte. Der Kanzler reagierte mit seinem Statement auch auf ein Interview des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin verhöhne darin die Realität des Ukraine-Krieges und erzähle eine „völlig absurde Geschichte“, kritisierte Scholz. Der Kanzler bekräftigte: Putin dürfe nicht damit rechnen, „dass unsere Unterstützung für die Ukraine nachlassen wird“.
Anschließend wurde der Kanzler Scholz zu einem einstündigen Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus erwartet. Neben dem Einmarsch der Russen in die Ukraine standen dort der Nahost-Konflikt und der Nato-Jubiläumsgipfel auf der Tagesordnung. Letzterer findet vom 9. bis 11. Juli zum 75-jährigen Bestehen der Militärallianz ebenfalls in Washington statt.
Ukraine-Hilfe: US-Senat macht Weg frei für abgespeckten Kompromiss
Im Ringen um das milliardenschwere US-Hilfspaket für die Ukraine gab es aus Sicht der deutschen Delegation einen Lichtblick. Im Senat machten Demokraten und Republikaner den Weg frei für eine Abstimmung über einen abgespeckten Kompromissvorschlag. Darin geht es nur noch um Militärhilfen – unter anderem rund 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) für die Ukraine und 14 Milliarden US-Dollar für Israel. Ein strittiges Migrationspaket wird gesondert beraten. Die abschließende Abstimmung über die Militärhilfen stand allerdings zunächst noch aus, sollte der Senat zustimmen, müsste das Hilfspaket noch vom Kongress verabschiedet werden. Scholz sprach in diesem Zusammenhang von einer Chance.
Am Vormittag hatte Scholz hochrangige US-Unternehmensvertreter getroffen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Amerika sind einer der Pfeiler der bilateralen Beziehungen. Es gibt einen regen Handelsaustausch, die USA gehören zu den Haupthandelspartnern und umgekehrt. Gefragt ist unter anderem deutsches Know-how beim Thema Klimaschutz und Energie. Scholz zufolge gab es ebenfalls Interesse an der Halbleiter- und Chipproduktion in Deutschland. Es gebe hier einen Trend, „den wir gerne verstärken wollen“, sagte er.
"Sehr viel Lob" für deutsche Führungsrolle in Europa
Während in Deutschland oft kritisiert wird, die Regierung tue zu wenig fürs Klima, blickt die US-Administration mit Interesse, gar mit einigem Neid, über den großen Teich: Denn der Gigantismus der USA wird teuer erkauft. Der Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen ist doppelt so hoch wie hierzulande, im Ranking der Nachhaltigkeitsziele lag Deutschland im letzten Jahr auf Platz vier, die USA nur auf Rang 39 von 166 Ländern.
Nach seiner Ankunft in Washington hatte sich Scholz zunächst mit acht US-Senatorinnen und -Senatoren zum Abendessen getroffen – jeweils vier vonseiten der Demokraten und der Republikaner. Unter Letzteren war auch der Trump-Getreue Lindsey Graham. Es habe, so verlautete aus Teilnehmerkreisen, „sehr viel Lob“ für die deutsche Führungsrolle in Europa gegeben. Themen waren demnach auch die mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine, die Lieferungen von LNG-Gas aus den USA nach Deutschland sowie die Aufnahme des Westbalkans in die EU. Am Rande des Dinners gab es neben all den ernsten Themen eine lustige Begebenheit: Scholz machte ein Selfie mit Senator Chris Coons (Demokraten) aus dem US-Staat Delaware, das sich wegen der verblüffenden Ähnlichkeit der beiden Politiker schnell im Netz verbreitete.