Der Chef der Billigfluggesellschaft Ryanair ist kein besonderer Freund Deutschlands. In einem Interview rechnete Michael O’Leary Ende vergangenen Jahres mit dem Standort ab. „Die Sicherheitsgebühren sind wahnsinnig, die Kosten für die zweitschlechteste Luftverkehrskontrolle Europas unverschämt“, schimpfte O’Leary im Gespräch mit der Welt. „In Deutschland denkt ihr: Wir besteuern den Luftverkehr zu Tode, dann wird es vorangehen.“ Der Ire hat deshalb Verbindungen gestrichen. Die Flughäfen Dortmund, Dresden und Leipzig werden von seinen Maschinen nicht mehr angesteuert, Flüge von und nach Berlin, Hamburg und Köln wurden reduziert. „Wir scheren uns nicht um den deutschen Markt. Er ist ein Desaster“, meinte der 64-Jährige. Auch die Rivalen Condor und Easyjet haben jüngst Flüge in Deutschland zusammengestrichen.
Das, was der Ryanair-Chef beklagt und kritisiert, wird jetzt auch im Bundesverkehrsministerium so gesehen, auch wenn die Wortwahl anders ausfällt. „Wir können nicht akzeptieren, dass wir im europäischen Vergleich ein Schlusslicht sind“, sagte der zuständige Verkehrsstaatssekretär Stefan Schnorr am Donnerstag in Berlin.
Preise fürs Fliegen: „Deutschland ist im oberen Bereich bei den Kosten“
Schnorrs Forderung wird durch ein neues Gutachten untermauert, das er beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Auftrag gegeben hat. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie müssen die Passagiere laut der Analyse heute im Schnitt 27 Prozent mehr für ihre Tickets bezahlen. Hauptpreistreiber sind die staatlichen Standortkosten, die in den zurückliegenden Jahren im Mittel um beinahe 70 Prozent zugelegt haben.
Darunter fallen die Luftverkehrsabgabe, auch Ticketsteuer genannt, die Sicherheitsabgabe an den Flughäfen sowie die Gebühren für die Flugsicherung. In der EU sind diese Ausgaben im Vergleichszeitraum nur um 39 Prozent geklettert. Während Europa wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat, liegt die Bundesrepublik beim Passagieraufkommen nur bei 80 Prozent. Statt 78 Millionen Fluggäste pro Jahr haben zuletzt nur 58 Millionen abgehoben. Die tatsächliche Zahl dürfte allerdings höher liegen, weil sich die Untersuchung nur auf die innereuropäischen Verbindungen bezieht. DLR-Forscher Sven Maertens: „Deutschland ist im oberen Bereich bei den Kosten.“
Neben dem starken Preisauftrieb kommen andere Gründe hinzu, warum weniger Leute mit dem Flugzeug reisen. Die Bahn hat (wenn sie fährt) ihre Taktung zwischen den Großstädten erhöht. Anders als in anderen Ländern hat sich die Wirtschaft nach der Pandemie weniger gut erholt. Die Deutschen sparen mehr als andere Nationen. Die Flughäfen haben mit Personalmangel zu kämpfen, was das Reisevergnügen ruinieren kann, wenn Koffer über Wochen in der Abfertigung steckenbleiben. Ein Sonderfaktor ist der Krieg in der Ukraine. Alle Verbindungen nach Russland und in die Ukraine sind gestrichen. Das hat dem DLR zufolge zum Rückgang von zwei Millionen Fluggästen jährlich geführt.
Pro Ticket kassiert der Staat je nach Flugdistanz zwischen 15 und 70 Euro
Verkehrsstaatssekretär Schnorr fordert ein Gegensteuern gegen das Abfallen: „Der ganz klare Appell: Standortkosten senken, wo auch immer es möglich ist.“ Er schlägt die Abschaffung der deutschen Ticketsteuer vor. Sie bringt dem Staat Einnahmen von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Um diese Summe würden die Fluggäste entlastet. Die Abgabe wird seit 2011 erhoben. Einst wurde sie eingeführt, um der öffentlichen Hand mehr Einnahmen zu bescheren. Pro Ticket kassiert der Staat je nach Flugdistanz zwischen 15 und 70 Euro. Das DLR schätzt, dass die Streichung der Abgabe dazu führte, dass zwischen 2,5 und fünf Millionen Fluggäste mehr in die Maschinen steigen würden.
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