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Thüringen: AfD-Rechtsaußen Höcke scheitert: Ramelow bleibt Ministerpräsident

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AfD-Rechtsaußen Höcke scheitert: Ramelow bleibt Ministerpräsident

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    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow bleibt im Amt.
    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow bleibt im Amt. Foto: Martin Schutt, dpa

    AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ist mit seinem Versuch gescheitert, sich zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen zu lassen. Der 49-Jährige, den das Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist bezeichnet, scheiterte am Freitagnachmittag im Landtag in Erfurt klar mit seinem Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow (65). Dem Amtsinhaber von der Linkspartei fehlt aber weiterhin eine handlungsfähige Mehrheit.

    Misstrauensvotum gegen Ramelow: Selbst die AfD erwartete ein Scheitern

    Für einen Erfolg hätte Höcke eine absolute Mehrheit von 46 Stimmen gebraucht. Doch lediglich 22 Abgeordnete stimmten für ihn, diese Zahl entspricht exakt der Stärke seiner AfD-Fraktion. Der Antrag, den der AfD-Abgeordnete Stefan Möller zuvor als „rein symbolischen Akt“ bezeichnet hat, ist somit abgelehnt. Das war im Vorfeld selbst bei der AfD erwartet worden Es gehe nur darum, zu verdeutlichen, dass es einfach wäre, den Ministerpräsidenten, der keine Mehrheit habe, abzuwählen, sagte Möller. Der Misstrauensantrag ziele demnach nicht auf Bodo Ramelow ab, sondern auf CDU und FDP. Größtmögliche Unruhe zu stiften, das haben die anderen Fraktionen längst als vorrangiges Ziel der wurde vom Landesverfassungsschutz als „erwiesen extremistisch“ eingestuft.

    Björn Höcke während der Abstimmung auf seinem Platz im Plenarsaal. Der AfD-Politiker wollte sich zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen lassen.
    Björn Höcke während der Abstimmung auf seinem Platz im Plenarsaal. Der AfD-Politiker wollte sich zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen lassen. Foto: Bodo Schackow, dpa

    Insgesamt wurden 68 Stimmen abgegeben. Es gab 22 Ja-Stimmen, 46 Nein-Stimmen und keine Enthaltung. Die CDU-Fraktion hat sich wie zuvor angekündigt komplett der Wahl enthalten. Das hatte massive Kritik hervorgerufen. So sagte SPD-Fraktionschef Matthias Hey: „Wenn ein Demokrat gefragt wird, ob ein AfDler – noch dazu Björn Höcke – Ministerpräsident von Thüringen werden soll, gibt es nur eine einzige klare Antwort: Nein.“ Dennoch stimmten die CDU-Leute nicht mit. Fraktionschef Mario Voigt warf der AfD zuvor eine „Attacke auf den Parlamentarismus“ vor, sprach von einer billigen Inszenierung, die seine Fraktion nicht mehr mitmache.

    CDU boykottiert Abstimmung: In Erfurt herrscht tiefes Misstrauen zwischen Fraktionen

    Doch wie es schon in den Tagen zuvor aus der CDU hieß, hatte der Abstimmungs-Boykott womöglich noch andere Gründe: Es gehe um eine Art eine Art Selbstschutz. Wenn die CDU gar nicht abstimmt, so der Tenor, kann es hinterher auch nicht heißen, Einzelne hätten für die AfD gestimmt. Denn die Wahl fand geheim statt. Manche Christdemokraten hatten befürchtet, dass aus dem Regierungslager eine oder mehrere Stimmen für den AfD-Antrag abgegeben werden könnten, um diese anschließend gewissermaßen der CDU „in die Schuhe zu schieben“. Ob schlüssig oder nicht, die Argumentation ist zumindest ein weiterer Beleg dafür, wie tief das Misstrauen zwischen den Fraktionen im Erfurter Landtag inzwischen ist.

    Hintergrund für das Dauer-Chaos im 2,1-Millionen-Einwohner-Land in der Mitte der Republik ist der Ausgang der Landtagswahl im Oktober 2019. Nach dem ergäben sich klare Mehrheiten nur zwischen Parteien, die eine Zusammenarbeit miteinander ausschließen. Niemand will mit der AfD, die auf Platz Zwei landete, und die CDU auch nicht mit der Wahlsiegerin, der Linkspartei. Das sorgt für Rechenspiele, die keine Stabilität erlauben. Der Landtag in Erfurt hat 90 Abgeordnete, für eine Mehrheit wären also 46 Sitze nötig. Doch die amtierende Koalition von Ramelows Linkspartei mit SPD und Grünen kam nur noch auf 42 Sitze. Denn

    Das ermöglichte im Februar 2020 die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich mit der Mehrheit von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten. Die AfD hatte im dritten und entscheidenden Wahlgang den eigenen Kandidaten fallengelassen und für Kemmerich votiert. Diesem wahltaktischen Manöver folgte ein Sturm der Empörung, Kemmerich trat schnell zurück. Neuer Ministerpräsident wurde schließlich wieder der alte. Bodo Ramelow setze sein rot-rot-grünes Bündnis fort.

    Thüringen: Neuwahl wurde erst wegen Corona aufgeschoben, dann abgesagt

    Um aber als Minderheitsregierung überhaupt handlungsfähig zu sein, wurde mit der CDU ein „Stabilitätspakt“ ausgehandelt. Die Verabredung sah vor, die Pandemie zu überstehen, einen Haushalt auf den Weg bringen und dann Neuwahlen herbeizuführen. Diese wurden wegen Corona zunächst aufgeschoben und hätten dann gemeinsam mit der Bundestagswahl am 26. September stattfinden sollen. Doch dann zeichnete sich ab, dass die CDU nicht geschlossen für die Neuwahlen stimmen würden. Einige Abgeordnete wollten nicht „Ersatzrad“ für AfD spielen.

    Der gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow nimmt nach dem dritten Wahlgang die Glückwünsche des bis dato geschäftsführenden Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) entgegen.
    Der gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow nimmt nach dem dritten Wahlgang die Glückwünsche des bis dato geschäftsführenden Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) entgegen. Foto: Martin Schutt, dpa (Archivbild)

    So hätte es dann aber für die Landtagsauflösung, für die es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, doch wieder auf die Stimmen der AfD ankommen können. Das wollten Grüne und Linke auf keinen Fall und zogen ihre Unterschriften zurück. Kritiker vermuten indes, dass es den Abgeordneten eher um das eigene Mandat ging, das verloren wäre, sollte das Ergebnis einer möglichen Neuwahl noch schlechter ausfallen als zuvor. Klar ist jedenfalls, dass nun nicht nur die Neuwahlen abgesagt waren. Für die CDU endete auch der Stabilitätspakt und somit die Duldung von Ramelows Minderheitsregierung.

    Auf die FDP, die es nur denkbar knapp ins Parlament geschafft hatte, will das Ramelow-Lager nach der Kemmerich-Affäre aber auch nicht angewiesen sein. Weiter kompliziert wird die Lage dadurch, dass die Liberalen nach dem Austritt einer Abgeordneten künftig keinen Fraktionsstatus mehr besitzen. So mag Höcke mit seinem Misstrauensvotum gegen Ramelow zwar gescheitert sein. Und der Ministerpräsident von der Linkspartei kann noch so sehr die Arbeitsfähigkeit seiner Minderheitsregierung betonen. Stabile Mehrheitsverhältnisse sind in Thüringen dennoch nirgends in Sicht.

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