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Theo Waigel zur Bayern-Wahl: "CSU wird sich von Aiwanger nicht erpressen lassen"

Landtagswahl 2023

Theo Waigel: "Die CSU wird sich von Hubert Aiwanger nicht erpressen lassen"

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    Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel macht sich Sorgen wegen des Rechtsrucks in Bayern bei der Landtagswahl.
    Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel macht sich Sorgen wegen des Rechtsrucks in Bayern bei der Landtagswahl. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Waigel, die Freien Wähler treten nach ihrem starken Ergebnis bei der Landtagswahl recht selbstbewusst auf und fordern schon ein weiteres Ministerium. Die Koalitionsverhandlungen könnten turbulent werden…

    Theo Waigel: Ich bin sicher, dass Ministerpräsident Markus Söder und auch der kommende Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek in den Verhandlungen eine sehr klare und entschiedene Sprache sprechen werden. Die CSU wird sich von Hubert Aiwanger und den Freien Wählern ganz sicher nicht erpressen lassen.

    Kann Aiwanger nach der Flugblatt-Affäre und seinem Umgang damit Ihrer Meinung nach Vize-Ministerpräsident bleiben?

    Waigel: Die CSU wird ihm klipp und klar erklären, wo die Grenzen politischen Handelns liegen und dass es Tabus gibt - im Ton und im Stil. Daran muss sich Aiwanger künftig halten. Wenn er das nicht tut, dann wird eine Zusammenarbeit sehr, sehr schwierig werden. 

    War es ein Fehler von Parteichef Söder, sich im Wahlkampf so früh auf die Freien Wähler als Partner festzulegen? Nun fehlen ihm Alternativen…

    Waigel: Hätte er sich nicht festgelegt, hätte es doch permanente Diskussionen gegeben, mit wem er denn nun regieren will. Ich kritisiere das nicht. Aber jetzt muss auch klar sein, dass die Schonzeit vorbei ist. Die Freien Wähler mögen in Bayern unsere Partner sein, bei der Europawahl oder der Bundestagswahl sind sie unsere Gegner. Jede Stimme für sie ist eine verlorene, eine verschenkte Stimme, denn in Berlin oder Brüssel haben sie nichts zu melden. 

    Wie wollen Sie Aiwanger-Anhänger zurückgewinnen?

    Waigel: Wir müssen die großen Themen wieder stärker besetzen und dürfen die Freien Wähler nicht länger in unserem Revier wildern lassen: Die Wirtschaft kann man nicht allein einem Mann wie Hubert Aiwanger überlassen. In der Umweltpolitik können wir nicht nur darauf hoffen, dass irgendwann ein Technologiesprung alle Probleme löst. Die jungen Menschen wollen schon wissen, welche konkreten Antworten wir haben. Und wir müssen unsere Verbundenheit zur Heimat, zum ländlichen Raum, zur Landwirtschaft wieder in den Vordergrund stellen. Wenn die Bundesregierung zum Beispiel die Mittel für die Dorferneuerung zusammenkürzt, dann muss die CSU da einen klaren Kontrapunkt setzen. 

    Für die großen Themen braucht man aber auch starke Köpfe, stattdessen hat die CSU im Wahlkampf allein auf die Strahlkraft von Markus Söder gesetzt.

    Waigel: Der Münchner Philosoph Max Müller hat einmal gesagt: „Sei Du so, wie nur du sein kannst. Und lass andere so sein, wie nur sie sein können." Das habe ich auch Markus Söder geraten: Lass deine Stellvertreter, deine Minister, deinen Fraktionsvorsitzenden stärker zur Entfaltung kommen. Die CSU war nie eine Ein-Mann-Partei, nicht einmal unter Franz Josef Strauß. Das hat in der Vergangenheit immer gut funktioniert. Denken Sie nur an den langjährigen Kultusminister Hans Maier oder Wirtschaftsminister wie Anton Jaumann oder Otto Wiesheu. 

    Kümmert sich Hubert Aiwanger nicht gut um die bayerische Wirtschaft?

    Waigel: Jedenfalls kann er nicht im Ansatz eine ähnliche Leistungsbilanz vorweisen wie diese Vorgänger.

    Aiwanger will die Freien Wähler in den Bundestag führen und dort die Stimme Bayerns werden. Gleichzeitig droht der CSU mit der Wahlrechtsreform im schlimmsten Fall das Aus im

    Waigel: Erstens gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Reform ein Ende bereitet. Es kann doch nicht wahr sein, dass eine Partei, die möglicherweise mehr als 40 Direktmandate holt, trotzdem keinen einzigen Abgeordneten stellen soll. Sollte diese fragwürdige Änderung des Wahlrechts aber Bestand haben, wäre das natürlich unser Wahlkampfthema schlechthin. Jedem muss klar sein, dass nur die CSU als bayerische Stimme Gewicht in Berlin hat.

    Nicht nur die Freien Wähler haben der CSU Stimmen abgenommen, sondern auch die AfD. Was ist Ihre Antwort auf den Siegeszug von Rechtsradikalen, auch in Bayern?

    Waigel: Wir brauchen eine Strategie, wie wir Wutbürger und Menschen, die Angst haben, wieder erreichen. Und wir müssen viel deutlicher machen, was die AfD ist. Sie setzt auf ein Freund-Feind-Denken, sie verbreitet Polemik und Hass, ohne jede Substanz. Aber es wird nicht genügen, sie nur als Feinde der Demokratie zu bezeichnen, man muss sie entlarven und man muss sie entzaubern. Was wäre Bayern ohne die Europäische Union, ohne die Nato? Die AfD will Europa zerstören, aber wir exportieren Waren im Wert von 100 Milliarden Euro in andere EU-Staaten, bayerische Bauern verkaufen Produkte im Wert von acht Milliarden Euro innerhalb Europas. Jedes Jahr. Das will die AfD zerstören. Sie wäre eine Katastrophe für unsere Sicherheit, für unsere Wirtschaft und würde Hunderttausende Arbeitsplätze kosten. 

    Macht es Ihnen Angst, dass sich inzwischen ein Stammpublikum für die AfD im zweistelligen Prozentbereich gebildet hat, auch in Bayern?

    Waigel: Ja, das macht mir Sorgen. In meiner Heimat, im Landkreis Günzburg, hat die AfD mehr als 20 Prozent geholt, obwohl es den Leuten dort wirklich gut geht. Das ist schon erschütternd. Wir müssen den Menschen besser erklären, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht um Denkzettel, sondern um den Bestand unserer Demokratie, um den Frieden, um Stabilität. Wir müssen aber auch die akuten Probleme lösen, die der Bevölkerung Sorgen machen. Allen voran das Migrationsthema. 

    Das heißt, die CSU muss noch stärker auf einen parteiübergreifenden Deutschland-Pakt dringen, den der Bundeskanzler ja angeboten hat?

    Waigel: Genau das ist notwendig. Hier geht es darum, dass man über politische Lager hinweg, über Parteigrenzen hinweg in großen, in ganz großen Fragen zusammenfinden muss. Das ist damals mit Europa gelungen, das ist mit dem Euro gelungen, das ist bei der Wiedervereinigung gelungen. Etwas Ähnliches brauchen wir jetzt wieder, und dann – da bin ich ganz sicher - werden die Volksparteien auch wieder an Respekt und Zustimmung gewinnen.

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