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Terrorismus: Die Hamas nimmt Europa ins Visier

Terrorismus

Die Hamas nimmt Europa ins Visier

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    Ein Verdächtiger wird von Polizisten zum Haftprüfungstermin in Karlsruhe gebracht.
    Ein Verdächtiger wird von Polizisten zum Haftprüfungstermin in Karlsruhe gebracht. Foto: Uli Deck, dpa

    Haben die Geheimdienste sich täuschen lassen, wussten sie es nicht besser – oder ändert die Hamas gerade ihre Strategie? Das Netzwerk der Terrororganisation in Deutschland, betonte das Bundesamt für Verfassungsschutz noch im November, konzentriere sich vor allem auf die ideelle Unterstützung der Hamas sowie das Einwerben von Spenden. Dass Hamas-Aktivisten auch Juden oder jüdische Einrichtungen außerhalb Israels in Visier nehmen könnten, galt bis zu diesem Donnerstag als ausgeschlossen. Nach der Festnahme von vier Islamisten in Berlin und Rotterdam allerdings wird auch der Verfassungsschutz zu einer neuen Einschätzung der Lage kommen müssen. "Wir haben es immer befürchtet, nun wissen wir es", sagt Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. "Die Hamas und ihre Handlanger haben Anschläge in Europa geplant."

    Vom Libanon aus gesteuert

    Nach allem, was man bisher weiß, waren die vier Verhafteten Mitglieder einer Terrorzelle, die vom Libanon aus gesteuert wurde – Abdelhamid Al A., selbst im Libanon geboren, der Ägypter Mohamed B. und der Niederländer Nazih R. wurden in Berlin von Beamten des Bundeskriminalamtes verhaftet, der ebenfalls aus dem Libanon stammende Ibrahim El-R. von der Polizei in Rotterdam. Er soll jetzt nach Deutschland ausgeliefert werden. Unklar ist auch noch, in welchem Zusammenhang mit den Anschlagsplanungen mehrere Festnahmen in Dänemark stehen. Auch bei den Verdächtigen dort soll es sich um Mitglieder der Hamas handeln. 

    "Die Beschuldigten sind der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig", heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Sie sollen "über eine enge Anbindung an Führungskräfte" des militärischen Flügels der Hamas verfügt haben, die sogenannten Al-Kassam-Brigaden., die für zahlreiche Terroranschläge in Israel, die Entführung und Ermordung von Israelis sowie den regelmäßigen Raketenbeschuss aus Gaza nach Israel verantwortlich sind. . Auch die Massaker vom 7. Oktober sind das Werk der Hamas. Anders als Al Kaida oder der Islamische Staat hat sie bislang allerdings keine Attentate in westlichen Staaten verübt. 

    Die Anschlagsplanungen in Deutschland haben schon deutlich vor dem 7. Oktober begonnen. Bereits im Frühjahr soll Abdelhamid A. mit der Suche nach einem Erddepot begonnen haben, in dem die Hamas Waffen versteckt hatte. "Seine Weisungen", betont die Bundesanwaltschaft dazu, "nahm er von Führungskadern der Hamas im Libanon an." Ob die vier Verdächtigen das Waffenlager bereits gefunden haben, ist noch unklar – wie schon in den siebziger Jahren, als die Rote Armee Fraktion solche Depots in Deutschland angelegt hatte, sind sie Jahre später häufig nur noch schwer zu finden, weil Lichtungen inzwischen zugewachsen oder als Orientierung gedachte Bäume gefällt worden sind. Ob die vier Islamisten die Waffen inzwischen in ihren Besitz gebracht haben, war am Freitag noch unklar. Die Staatsanwaltschaft aber ist sich sicher, dass sie für Angriffe auf jüdische Einrichtungen gedacht waren. Ein konkretes Ziel gab es danach aber noch nicht. 

    Das Netz der Hamas ist eng geknüpft

    Anschläge auch außerhalb von Israel und den Palästinensergebieten zu planen, wäre ein radikaler Strategiewechsel der Hamas., der Innenministerin Nancy Faeser erst Anfang November jede Betätigung in Deutschland verboten hatte. Der Verfassungsschutz schätzt den harten Kern der Hamas in der Bundesrepublik auf etwa 450 Personen, die bisher vor allem durch einschlägige Propaganda bei pro-palästinensischen Demonstrationen und im Internet aufgefallen sind. Drei Vereine, die der Hamas nahestehen und mit deren Hilfe die Islamisten Spenden für ihren Kampf gesammelt haben, hatten bereits die Innenminister Otto Schily und Horst Seehofer verboten. Nach Recherchen des Spiegel verfügt die Hamas aber noch immer über ein eng geknüpftes Netz von Unterstützungsorganisationen, und das keineswegs nur in Berlin, sondern auch im Sauerland, im Emsland oder in Brandenburg. Gerne tarnen diese Gruppen sich als islamische Religionszentren oder als mildtätige Vereine, die Geld für bedürftige Kinder sammeln – Geld, das am Ende direkt bei der Hamas landet. 

    Dass im Kampf gegen den Terror trotz des vorweihnachtlichen Schlages gegen die Hamas nicht alles rund läuft in Deutschland, demonstrierte Justizminister Marco-Buschmann am Tag der Festnahmen eher unfreiwillig. Obwohl der Polizeieinsatz in Berlin mit der Durchsuchung mehrere Wohnungen und eines Restaurants noch lief, veröffentlichte der FDP-Mann bereits eine Mitteilung, in der er allen Beteiligten zu ihrem Erfolg gratulierte – was in Sicherheitskreisen nicht gut ankam. 

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