Es ist keinen Monat her, dass die Bundesregierung ein ansehnliches Entlastungspaket geschnürt hat. Doch wegen der kriegsbedingten Preisspirale bei Strom, Sprit, Gas und Heizöl will die Ampel-Koalition noch in dieser Woche nachlegen. Das haben die beiden Parteivorsitzenden Christian Lindner (FDP) und Ricarda Lang (Grüne) bereits angekündigt. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bestätigte die Dringlichkeit, mit der an Entlastungen gearbeitet wird. Die bislang prominenteste Idee ist dabei der Vorschlag von Lindner, einen sogenannten Tankrabatt einzuführen. Lindner selbst blieb am Montag zunächst vage.
„Der Staat darf die Bürger und die Wirtschaft nicht mit steigenden Kosten allein lassen“, betonte der Bundesfinanzminister. Den Rabatt müssten die Tankstellenbetreiber den Auto- und Lkw-Fahrern gewähren und sich das Geld am Ende beim Staat zurückholen. Im ZDF-„heute journal“ sagte Lindner am Abend zu einem Tank-Zuschuss: „Wir sollten uns an der Marke von zwei Euro orientieren, das sollte beim Beginn dieser Maßnahme der Orientierungspunkt sein.“ Ein „fixer Krisenrabatt“ könnte 30 oder 40 Cent betragen, sagte Lindner. Er sprach von einer zeitlich befristeten Maßnahme. Es gehe nicht darum, dass die einzelne Tankquittung abgerechnet werde, sondern die Mineralölgesellschaften würden die Gesamtmenge an Sprit beim Staat vorlegen. „Auf der Ebene würde dann der Staat interagieren, nicht auf der Ebene der einzelnen Tankquittung.“
Der Vorschlag hat nur einen Haken. Die Tankstellenbetreiber wollen die Abschläge für ihre Kunden nicht vorfinanzieren. „Das wäre sprichwörtlich von hinten durch die Brust ins Auge geschossen“, kritisierte der Chef ihres Verbandes, Jürgen Ziegner. Ihm erschließe es sich nicht, „warum der Staat nicht über eine befristete Senkung der Energiesteuer und ein gleichermaßen befristetes Aussetzen der CO2-Steuer auf direktem Weg die Belastung vermindert, statt weiterhin die vollen Steuern einzunehmen und dann den Rabatt an die Tankstellenbetreiber zurückzuzahlen“. Die Liberalen wollen damit dennoch in die Verhandlungen mit SPD und Grünen gehen.
Haushalte mit kleinem Einkommen sollen stärker entlastet werden
Letztere wollen im zweiten Entlastungspaket ihren Wahlkampfschlager Energiegeld unterbringen. „Das wollen wir vorziehen“, sagte die neue Parteichefin Lang. Die Idee dahinter: Alle in Deutschland - auch Kinder - bekommen jedes Jahr eine Einmalzahlung. Sie war ursprünglich dafür gedacht, die steigende CO2-Abgabe zu kompensieren und sollte 75 Euro betragen. Bis heute ist aber nicht klar, wie das Geld auf die Konten kommen soll. Denkbar ist, dass es die Finanzämter übernehmen, die aber einen hohen Aufwand damit hätten. Das Bundeswirtschaftsministerium schätzt, dass die Gasrechnung für eine Durchschnittsfamilie in einem unsanierten Einfamilienhaus im laufenden Jahr um etwa 2000 Euro steigen wird.
Einig sind sich Grüne und Liberale, dass Haushalte mit kleinem Einkommen noch stärker entlastet werden sollen. Bereits mit dem ersten Unterstützungspaket hatte die Koalition beschlossen, dass Hartz-IV-Empfänger eine einmalige Zahlung von 100 Euro erhalten und Wohngeldbeziehern ein Heizkostenzuschuss gewährt wird. Alleinlebenden will der Staat dabei 135 Euro überweisen, Zwei-Personen-Haushalten 175 Euro. Außerdem wird die umstrittene Ökostrom-Umlage gestrichen, der jährliche Steuerfreibetrag und die Pendlerpauschale sollen angehoben werden. Weitere Entlastungen sind allerdings nicht ausgeschlossen. Er sehe, so Lindner, „weitere Notwendigkeiten, denken sie an die Heizölversorgung.“ Nach den Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll es Erleichterungen „bei Strom, Wärme und Mobilität“ geben. Im Ringen um Entlastungen noch keine Pflöcke eingeschlagen hat Bundeskanzler Olaf Scholz. Er hält sich bislang bedeckt. SPD-Generalsekretär Kühnert sprach am Montag nur ganz allgemein davon, gezielt Haushalte zu entlasten und kündigte eine Entscheidung bis Mittwoch an.
Wie viele Schulden nötig sind, ist derzeit noch nicht abzusehen
Es wird an Lindner sein, die Finanzierung dieser Vorhaben sicherzustellen. Im Haushaltsentwurf für das laufende Jahr rechnet er mit einer Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro. Hinzu kommen die 100 Milliarden für die Bundeswehr, die aber außerhalb der Bilanz in einem eigenen Etat gebucht werden. Die zusätzlichen Milliarden für die Dämpfung der Preisexplosion bei Energie sowie die Unterbringung der Flüchtlinge aus der Ukraine sollen über einen „Ergänzungshaushalt“ gestemmt werden. Wie viele Schulden dafür nötig sind, ist derzeit noch nicht abzusehen. Eine staatliche Subventionierung des Spritpreises um 20 Cent je Liter kostet das Finanzministerium etwa eine Milliarde Euro – pro Monat.
Dem Sozialverband VdK sind die Vorschläge der Parteien nicht präzise genug. Ältere Menschen mit geringen Renten und Erwerbsminderungsrentner profitierten davon zu wenig, monierte Verbandspräsidentin Verena Bentele gegenüber unserer Redaktion. Der VdK fordere daher, den momentan ausgesetzten Nachholfaktor in der Rentenformel nicht wieder einzuführen, weil er die Rentensteigerungen in diesem Jahr reduziere. Um mehr Menschen mit geringem Verdienst zu entlasten, solle die Regierung zudem die Verbrauchssteuern für Strom senken und mehr Schutzmaßnahmen gegen drohende Energiesperren einführen. (mit dpa)
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