Der Besuch einer Delegation des Bundestags in Taiwan sorgt für Verstimmung in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Kurz nach der Ankunft der sechs Bundestagsabgeordneten am Sonntag in Taipeh protestierte die chinesische Regierung in Peking. Ein Außenamtssprecher drängte die deutschen Parlamentarier, sich an den "Ein-China-Grundsatz" zu halten und ihre Interaktionen mit den "separatistischen Unabhängigkeitskräften" in Taiwan "sofort einzustellen". Sie sollten keine "falschen Signale" senden.
Es ist der erste Besuch einer Bundestagsdelegation in der demokratischen Inselrepublik seit Beginn der Pandemie Ende 2019. Der "Freundeskreis Berlin-Taipeh" unter dem Vorsitz des CDU-Politikers Klaus-Peter Willsch will sich fünf Tage lang ein Bild von der angespannten Sicherheitslage sowie der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung machen. Die Parlamentarier werden ranghoch empfangen: Geplant sind Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen sowie Außenminister Joseph Wu und Parlamentschef You Si-kun.
China startete Manöver nach Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan
In seinem Protest unterstrich Pekings Außenamtssprecher: "Taiwan ist ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums." Die Regierung der Volksrepublik sei die einzige legitime Regierung ganz Chinas. "China wird notwendige Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität entschlossen zu schützen."
Der Machtanspruch auf Taiwan geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten flüchtete die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht eine "Vereinigung" mit Taiwan als "historische Mission" an und droht den 23 Millionen Taiwanern mit einer Eroberung. Taiwan, das als eine der lebendigsten Demokratien in Asien gilt, sieht sich hingegen schon lange als unabhängig an.
Die Spannungen hatten sich jüngst verschärft. Aus Verärgerung über den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte Peking großangelegte Manöver gestartet. Die Nummer Drei der USA war die höchstrangige Besucherin aus Washington seit einem Vierteljahrhundert. Mit verstärkten Einsätzen von Kriegsschiffen und Flugzeugen in der viel befahrenen Meerenge der Taiwanstraße hält Peking seither den Druck auf Taiwan aufrecht.
In solchen Zeiten sei es wichtig, die Freundschaft zu Taiwan zu demonstrieren, sagte der Grünen-Politiker in der Delegation, Till Steffen, dem chinesischen Programm der Deutschen Welle. Die seit vielen Jahren verfolgte deutsche Politik gegenüber Taiwan und China habe sich nicht verändert. Es wäre nur anders, wenn die Abgeordneten jetzt zögerten, Taiwan zu besuchen. In einer Zeit, in der China Taiwan bedrohe, wäre es ein "negatives Signal" an Taiwan, nicht zu reisen. China solle sich in diese Kooperation "nicht einmischen".
Taiwan pflegt enge Handelsbeziehung mit Deutschland
"Taiwan und Deutschland sind feste Partner, die Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte teilen und gemeinsam die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen", teilte Taiwans Außenministerium zu dem Besuch mit. Während die militärische Bedrohung Chinas wachse, lege Deutschland sein Augenmerk auf die Sicherheit in der Taiwanstraße, baue die Beziehungen aus und unterstütze die Teilnahme Taiwans in internationalen Organisationen.
Deutschland plädiert unter anderem für eine Mitarbeit Taiwans in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder der Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). Die Teilnahme scheitert allerdings am Widerstand Pekings, das Taipeh international isolieren will. Mit seiner "Ein-China-Doktrin" erlaubt China seinen diplomatischen Partnern nicht, gleichzeitig Beziehungen zu Taiwan pflegen. Deswegen unterhält Deutschland auch nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh.
Taiwan steht auf Platz Fünf der deutschen Handelspartner in Asien, während das Land mit keinem anderen EU-Mitglied soviel handelt wie mit Deutschland. Der Warenaustausch zwischen den beiden Seiten hat im vergangenen Jahr 20 Milliarden US-Dollar überschritten. Nach einer Visite von französischen Abgeordneten Anfang September ist der Freundeskreis aus Berlin die zweite Parlamentsdelegation eines größeren EU-Mitglieds, die Taiwan besucht. Ende Oktober plant auch der Menschenrechtsausschuss des Bundestags einen Besuch. (dpa)