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Syrien-Flüchtlinge in Deutschland: Wende durch Gerichtsurteil?

Asyl

Wackelt jetzt der Schutzstatus für die Syrer in Deutschland?

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    In Deutschland leben mehr als 700.000 Flüchtlinge und Asylbewerber aus Syrien. Nicht nur sie lässt ein Urteil aus Nordrhein-Westfalen aufhorchen.
    In Deutschland leben mehr als 700.000 Flüchtlinge und Asylbewerber aus Syrien. Nicht nur sie lässt ein Urteil aus Nordrhein-Westfalen aufhorchen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Es ist ein Urteil mit politischer Sprengkraft. Das Oberverwaltungsgericht Münster sieht in Syrien keine generelle Gefahr mehr durch den Bürgerkrieg und stellt damit die bislang gängige Praxis infrage, dass Flüchtlingen aus dem Land in Deutschland im Regelfall subsidiärer Schutz zugesprochen wird. Konkret ging es um einen Kläger aus der Provinz Hasaka, der in Deutschland Asyl beantragt hatte. Die Richter lehnten das ab. Zwar gebe es vor Ort noch bewaffnete Auseinandersetzungen und gelegentliche Anschläge, diese erreichten jedoch kein solches Niveau mehr, dass Zivilpersonen damit rechnen müssten, getötet oder verletzt zu werden, begründete der zuständige Senat seine Entscheidung. Es ist das erste Urteil eines Oberverwaltungsgerichtes, das zu einem solchen Ergebnis kommt. Zwar ist es nicht automatisch auf andere Fälle übertragbar, aber es könnte eine Debatte vorantreiben, die schon seit einiger Zeit schwelt: Soll Deutschland weiterhin so vielen Menschen aus Syrien aufnehmen? Auch die heikle Frage nach Abschiebungen nach Syrien könnte künftig anders beantwortet werden.

    Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist klar. „Das Urteil ist sehr wichtig und richtungsweisend“, sagt er unserer Redaktion. „Die Bundesregierung ist jetzt gefordert, eine neue Lagebewertung für Syrien vorzunehmen.“ Sollte es dazu kommen, könnte das deutliche Auswirkungen haben: In Deutschland leben mehr als 700.000 Flüchtlinge und Asylbewerber aus Syrien. In den jährlichen Asylstatistiken rangieren Menschen aus Syrien weiterhin auf dem ersten Platz und machen die größte Gruppe derer aus, die einen neuen Antrag stellen. Auch deshalb rückt diese Gruppe besonders in den Fokus, da es erklärtes politisches Ziel ist, die Asylzahlen zu senken.

    Das Bundesinnenministerium macht Andeutungen, dass das Gerichtsurteil durchaus Folgen haben könnte

    CDU und CSU fordern schon seit Längerem, dass zumindest Straftäter nach Syrien abgeschoben werden sollen. „Es kommen aber auch jeden Tag viele Flüchtlinge neu nach Deutschland, obwohl sie in weiten Teilen Syrien keineswegs mehr um ihr Leben fürchten müssen“, sagt Herrmann. Er schließt sich der Einschätzung der Richter an: Zwar habe sich das Regime von Baschar al-Assad leider gefestigt, aber es gebe weite Teil des Landes, in denen man ungefährdet leben könne. „Deshalb gibt es keinen Anlass, jedem, der zu uns kommt, automatisch Schutz zu gewähren“, sagt der Minister. „Ich will nicht missverstanden werden: Wir müssen weiter humanitäre Hilfe leisten und wir wollen auch niemanden abschieben, der bei uns gut integriert ist. Aber wir müssen Straftäter außer Landes bringen können und dem Neuzugang an Flüchtlingen Grenzen setzen.“

    Tatsächlich ist in einigen europäischen Ländern zu beobachten, dass ein Umdenken im Umgang mit dem Regime von Assad stattfindet. Zuletzt warb ein Bündnis mit Ländern wie Italien und Österreich darum, engere Kontakte zur syrischen Regierung aufzunehmen. Bislang galt das als rote Linie: Assad werden schwere Kriegsverbrechen gegen die eigene Bevölkerung vorgeworfen, er wurde international isoliert. Der anhaltend hohe Zustrom von Flüchtlingen führt nun zu einem Umdenken, zumindest bei einigen. In Deutschland gilt für Syrien aufgrund der Situation im Land seit Jahren ein Abschiebestopp. Gleichwohl hat Bundeskanzler Olaf Scholz zugesichert, zumindest die Abschiebung von Straftäter prüfen zu wollen.

    Grundlage für die politische Bewertung sind die jährlichen Lageberichte des Auswärtigen Amtes (AA) zu einzelnen Herkunftsstaaten von Asylbewerbern. Eine rechtliche Bewertung wird darin nicht vorgenommen. Die Berichte sind nicht öffentlich. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es gegenüber unserer Redaktion, dass es in allen Landesteilen Syriens weiterhin zu Kampfhandlungen unterschiedlicher Intensität komme. Zudem lägen glaubwürdige Berichte über teils schwerste Menschenrechtsverletzungen vor, darunter Folterpraktiken und Hinrichtungen, von denen in der Vergangenheit auch schon Rückkehrer betroffen gewesen seien. „Daher kommen auch die Vereinten Nationen – die in Syrien präsent sind – weiterhin zu der Einschätzung, dass die Bedingungen für eine sichere Rückkehr von Geflüchteten nicht gegeben sind“, heißt es. Sollte das Baerbock-Ministerium bei dieser Linie bleiben, stünde das Urteil aus Münster im Widerspruch dazu.

    Das Bundesinnenministerium macht hingegen Andeutungen, dass das Gerichtsurteil durchaus Folgen haben könnte. „Grundsätzlich prüfen das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fortlaufend die Entscheidungspraxis auf der Grundlage der verfügbaren Quellen“, sagte ein Sprecher. Zu diesen Quellen gehörten insbesondere auch Gerichtsurteile, also könnten Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte eine bedeutende Rolle zukommen.

    Das unabhängige Expertengremium „Sachverständigenrat Integration und Migration“ (SVR) fordert, dass die Transparenz von Einstufungsentscheidungen erhöht werden müsse. Dazu könnte, so der SVR-Vorsitzende Hans Vorländer, eine unabhängige Stelle beim Bundesverwaltungsgericht geschaffen werden, die die entsprechenden faktischen Grundlagen transparent darlegt. So könnten auch Gerichte auf eine einheitliche Lageeinschätzung zurückgreifen und unterschiedliche Rechtsprechungen vermeiden. Doch auch Vorländer warnt vor überzogenen Erwartungen: „Es gibt in Syrien Regionen und Zonen unterschiedlicher Sicherheitsrisiken, sodass auch diesbezüglich nicht von einem generellen Paradigmenwechsel ausgegangen werden kann.“

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    2 Kommentare
    Jochen Hoeflein

    Die Zeiten ändern sich eben. Es begann damit, dass immer Länder des Nahen Ostens speziell der arab . Welt wieder schrittweise zu normalen Beziehungen mit Damaskus zurück kehrten; selbst Erdogan ändert seinen Ansatz beim Umgang mit Assad. Das ketzt vorliegende Urteil bestätigt die Tendenz zur Normalisierung im Lande. Dies sollte es ermöglichen insb. Leute , die in DEU nur subsidiären Schutz geniessen oder durch Straftaten aufgefallen sind zur Rückkehr gezwungen werden sollten; gilt natürlich auch für alle Personen mit regulärem anerkannten Asylstatus, die aber zum Urlaub oder Verwandtenbesuch nach Syrien und parallel hier im Lande Unterstützungsleistungen beziehen. Für Länder wie Tunesien, Algerien, Ägypten oder Marokko sollten Abschiebesperren in ähnlicher Form aufgehoben werden. Auch wenn das Pro Asyl Aktivisten im Lande nicht gefällt.

    Klara Rasper

    Was heisst das jetzt fuer Syrer. die schon lange (10 Jahre) hier leben ? Ich hatte eine syrische Famile mit 4 Soehnen als Nachbarn, die vor vielen Jahren in den deutschen Norden verzogen ist. Alle 6 sind inzwischen berufstaetig. Egal ob in Syrien noch Lebensgefahr besteht, ihr Haus dort ist weg. Arbeitsplaetze gibt's auch nicht. Also ein zweiter Neuanfang innerhalb 10 Jahren ? Wenn die nun wieder heimgeschickt werden, will ich nie wieder etwas von Arbeitskraeftemangel hoeren.

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