Mehrere EU-Länder wollen eine Delegation nach Syrien schicken, um dort den Aufbau von „Sicherheitszonen“ für die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen zu prüfen. Tschechien plant derzeit eine solche Reise, Zypern hat seine Unterstützung bekundet. Vor wenigen Wochen hatten die beiden Länder gemeinsam mit fünf anderen EU-Mitgliedern verlangt, Europa solle die Lage in Syrien neu bewerten, damit Flüchtlinge zurückkehren können. Die Initiative wertet das Regime von Machthaber Baschar al-Assad auf, das bisher von der EU nicht als Gesprächspartner akzeptiert wird. Flüchtlingsorganisationen sind entsetzt.
Neben Tschechien und Zypern hatten Griechenland, Italien, Malta, Österreich und Polen bei einem Treffen in Nikosia im Mai erklärt, Syrer hätten in den ersten Jahren nach Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 im Ausland völlig zurecht Schutz erhalten. Inzwischen habe sich die Lage in Syrien aber verändert, wenn auch noch nicht völlig stabilisiert. Das zyprische Innenministerium erklärte, Teile von Syrien wie die Gegend um die Hauptstadt Damaskus seien für heimkehrende Flüchtlinge sicher. Assad kontrolliert nach 13 Jahren Krieg mit einer halben Million Toten mittlerweile wieder zwei Drittel des Staatsgebietes.
Tschechien schickt Delegation nach Syrien
Nun will Tschechien, das einzige EU-Land mit einer offenen Botschaft in Damaskus, eine Erkundungsmission nach Syrien schicken. Das Innenministerium in Prag erklärte der Zeitung The National aus Abu Dhabi, die Reise befinde sich in der „Vorbereitungsphase“. Eine Anfrage unserer Redaktion zum Stand der Dinge ließ das Ministerium am Dienstag unbeantwortet. Zypern hatte schon mehrfach seine Unterstützung für die Mission bekundet. Wann die Reise stattfinden soll, ist nicht bekannt. Das EU-Mitglied Dänemark hat bereits einige Gebiete Syriens als sicher für Heimkehrer eingestuft.
Der syrische Bürgerkrieg hat sieben Millionen Menschen aus dem Land getrieben. Die meisten brachten sich in der Türkei, Jordanien und im Libanon in Sicherheit. In der EU leben mehr als eine Million Syrer, vor allem in Deutschland und Schweden. Viele von ihnen flohen zwischen 2011 und dem Abschluss des Flüchtlingsabkommens von EU und Türkei im Jahr 2016 nach Europa. Seitdem kommen zwar deutlich weniger syrische Migranten an, doch im vergangenen Jahr zählte die EU immer noch 183.000 Asylanträge von Syrern. Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien bei den Europawahlen vor zwei Wochen haben das Flüchtlingsthema wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt.
Türkei will syrische Flüchtlinge zurückschicken
Auch die Türkei, die drei Millionen Syrer aufgenommen hat, spielt wegen wachsender Kritik der Wähler an der bisherigen Flüchtlingspolitik mit dem Gedanken, „Sicherheitszonen“ in Syrien einzurichten. Die türkische Armee hat bei Vorstößen gegen die kurdische Miliz YPG mehrere Gebietsstreifen im südlichen Nachbarland besetzt. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte voriges Jahr im Wahlkampf erklärt, mit finanzieller Hilfe von Katar würden in Syrien neue Wohnungen für eine Million Rückkehrer aus der Türkei gebaut. Bis Februar dieses Jahres waren nach Angaben des türkischen Innenministeriums rund 625.000 Syrer freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt. Auch der Libanon, wo mehr als 800.000 Syrer Zuflucht gefunden haben, fordert die Heimkehr der Migranten.
Staatschef Assad ruft Syrer im Ausland zur Heimkehr auf. Er verlangt internationale Hilfe beim Wiederaufbau seines Landes, um die Versorgung von Rückkehrern mit Wohnungen, Schulen, Krankenhäusern und Strom zu sichern. Die EU hat Sanktionen gegen Damaskus verhängt und will kein Geld für den Wiederaufbau Syriens bereitstellen, solange der Diktator politische Reformen ablehnt. Eine Erkundungsmission europäischer Staaten in Syrien könnte dazu beitragen, die EU-Haltung zu ändern.
Gibt es in Syrien sichere Regionen?
Eine freiwillige Heimkehr von Syrern im großen Maßstab dürfte allerdings bis auf Weiteres unwahrscheinlich sein. Untersuchungen von Migrationsforschern und UN-Organisationen zeigen, dass die meisten geflohenen Syrer nicht heimkehren wollen. Menschenrechtsorganisationen dokumentierten zudem Fälle von Rückkehrern, die von Assads Geheimdiensten festgenommen, entführt, gefoltert und getötet wurden.
„So etwas wie eine Sicherheitszone gibt es nicht“, sagt Fadi al-Dairi von der in Syrien tätigen Hilfsorganisation Hihfad. „Länder wie Syrien sind nicht sicher für Heimkehrer“, sagte Dairi unserer Redaktion. Dabei gehe es um mehr als um Sicherheitsbedenken. Wohnungen und Häuser von Rückkehrern seien in den langen Kriegsjahren möglicherweise zerstört oder von anderen übernommen worden, sagte er.