Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat das am Dienstag verhängte Kriegsrecht wieder aufgehoben. Er hatte am Dienstag das Kriegsrecht ausgerufen und dies in einer TV-Ansprache damit begründet, das „liberale Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen“ schützen zu wollen.
Südkorea: Präsident verhängt Kriegsrecht, um vor „Nordkoreas kommunistischen Truppen zu schützen“
Demnach habe er keine andere Wahl gehabt, als zu der Maßnahme zu greifen, so Yoon weiter. Laut Korea Times beschuldigte er die Opposition dabei „staatsfeindliche Aktivitäten und eine Rebellion zu planen“. Die Opposition würde mit Nordkorea sympathisieren und das Parlament kontrollieren. Das Kriegsrecht ziele darauf ab, pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen. Das Kriegsrecht könne „einige Unannehmlichkeiten“ für die Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen, doch Yoon versprach, das Land schnell wieder „normalisieren“ zu wollen. Yoon bezeichnete die 22 Amtsenthebungsverfahren gegen Regierungsbeamte seit seinem Amtsantritt 2022 als eine nie dagewesene Situation. Es würde die Arbeit der Exekutive erheblich behindern.
Zuvor hatte die oppositionelle Parlamentsmehrheit laut dem Bericht im Haushaltsausschuss des Parlaments ein gekürztes Haushaltsgesetz zu Fall gebracht und ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen staatlichen Rechnungsprüfer sowie den Generalstaatsanwalt beantragt. Yoon erklärte, die Haushaltskürzungen würden die wesentlichen Funktionen der Regierung, einschließlich der Prävention von Drogenkriminalität und Maßnahmen zur öffentlichen Sicherheit, untergraben.
Südkorea: Parlament stimmt für Aufhebung des Kriegsrechts
Die Nationalversammlung beschloss wenige Stunden später in einer nächtlichen Sitzung, die trotz des Kriegsrechts in Seoul zusammenkam, Präsident Yoon zur Aufhebung des Kriegsrechts aufzufordern, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet. Laut Verfassung müsse das Kriegsrecht aufgehoben werden, wenn eine parlamentarische Mehrheit dies fordere.
Von 300 Parlamentarierinnen und Parlamentariern seien 190 anwesend gewesen - sie alle hätten für den Antrag gestimmt, der die Aufhebung des Kriegsrechts fordere. Mit der Verabschiedung sei das Kriegsrecht hinfällig, habe das Parlamentspräsidium bestätigt.
Wenige Stunden später kündigte der Präsident nun an, dass er das Kriegsrecht wieder aufgeben möchte. Dies berichtet die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Das Militär habe sich zurückgezogen, das Kabinett werde bald tagen.
Nach Aufhebung des Kriegsrechts soll Präsident Yoon von seinem Amt zurücktreten
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sieht sich wegen des kurzzeitig von ihm verhängten Kriegsrechts mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Die größte Oppositionspartei warf dem konservativen Staatsoberhaupt Verfassungsbruch vor und forderte Yoon zum sofortigen Amtsverzicht auf. Andernfalls werde man ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Gewerkschaften drohten mit Streiks. Auch der Chef der Regierungspartei, Han Dong Hoon, übte scharfe Kritik: Er forderte den Präsidenten laut Berichten südkoreanischer Medien auf, sein Verhalten zu erklären und Verteidigungsminister Kim Yong-hyun wegen der „desaströsen Lage“ zu entlassen.
Zudem wollten daraufhin zehn ranghohe Berater des Präsidenten laut einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap geschlossen zurücktreten - darunter Yoons Stabschef und der nationale Sicherheitsberater.
Yoons Vorgehen dürfte Experten zufolge innenpolitisch motiviert sein. Die Umfragewerte des unpopulären Präsidenten sind seit Monaten miserabel. An Wochenenden gingen zuletzt vermehrt Demonstranten in der Innenstadt von Seoul auf die Straßen, um seine Amtsenthebung zu fordern. Zudem gibt es seit längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten Regierungslager und Opposition über den Staatshaushalt fürs kommende Jahr.
Kriegsrecht in Südkorea: USA, Deutschland und Japan kurzzeitig besorgt
Unklar blieb zunächst, was Yoon zu seinem radikalen Schritt bewog. Die USA als wichtigster Verbündeter und Schutzmacht Südkoreas zeigten sich über die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts zutiefst besorgt, ebenso wie Deutschland. Auch Japans Regierungschef Shigeru Ishiba ließ wissen, seine Regierung verfolge die Entwicklung im Nachbarland mit „ernsten Bedenken“. US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die spätere Kehrtwende Yoons und mahnte, politische Differenzen müssten „friedlich und im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaats“ ausgeräumt werden.
In Seoul waren in der Nacht Tausende Demonstranten vor das vom Militär abgesperrte Parlament gezogen, um lautstark gegen Yoons Vorgehen zu protestieren. Kritik kam auch aus seiner eigenen Regierung: „Die Republik Korea ist eine liberale demokratische Nation, und wir stehen an der Seite des Volkes, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und werden uns dieser Erklärung des Kriegsrechts entschieden widersetzen“, erklärte Parteichef Han Dong Hoon.
Kriegsrecht in Südkorea: Was bedeutet das?
Was hätte ein dauerhaftes Kriegsrecht für Südkorea bedeutet? Präsident Yoon hatte dazu zunächst keine konkreten Angaben gemacht. Wie Yonhap berichtet, hatte nach der Verhängung ein Militärkommando, das extra dafür ins Leben gerufen wurde, ein Dekret bekanntgeben, das alle politische Aktivitäten, darunter auch die Nationalversammlung, Regionalversammlungen oder Proteste, verbot. Zudem schränkte das Dekret die Medien ein. Wer gegen das Kriegsrecht verstoße, könne demzufolge verhaftet oder ohne Haftbefehl durchsucht werden.
Das Parlament sei im Anschluss abgeriegelt, Ein- und Ausgänge blockiert worden sein. Rund um das Parlament waren Polizeibusse im Einsatz, ein Hubschrauber kreiste über dem Parlament. Es kam zu Protesten und Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei, wie zahlreiche Videos in sozialen Medien zeigen.
Südkorea: Auswärtiges Amt informiert zu Lage nach Verhängung des Kriegsrechts
Das Auswärtige Amt reagierte auf die Geschehnisse in Südkorea und aktualisierte noch am Dienstag die Reisehinweise auf seiner Webseite. Dort wird über die vorübergehende Verhängung des Kriegsrechts informiert und es werde „dringend empfohlen, sich von politischen Demonstrationen fernzuhalten“. Bürgerinnen und Bürger sollten sich über koreanische Medien weiterhin auf dem Laufenden halten und sich an die Anweisungen der Behörden halten, außerdem größere Menschenansammlungen sowie politisch bedeutsame Orte meiden.
Kriegsrecht in Südkorea zuletzt 1979 ausgerufen
Der deutsche Botschafter in dem ostasiatischen Land, Georg Schmidt, postete bei X: „Wir verfolgen die aktuelle Lage nach der Verhängung des Kriegsrechts in Korea und der Reaktion des Parlaments darauf genau.“
Das Kriegsrecht war zuletzt 1979 in Südkorea ausgerufen worden - als das Land als Militärdiktatur regiert wurde. Es wurde verhängt nachdem der damalige Präsident Park Chung-hee bei einem Putschversuch durch seinen eigenen Geheimdienstchef ermordet worden war. Alle Verschwörer wurden innerhalb eines Jahres hingerichtet. (mit dpa)
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