Am Tag danach sind im rechten Flügel der SPD das Entsetzen wie die Enttäuschung groß. Dass ausgerechnet der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig, einst nicht nur Pressesprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Großen Koalition, sondern auch einer seiner engsten Vertrauten, seinem Mentor in den Rücken fällt und sich öffentlich für Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten stark macht, kommt für das Steinbrück-Lager in der SPD ebenso überraschend wie zur Unzeit.
Gerade wollte Steinbrück, der sich mit seiner Familie in Botswana erholt hat, zur Offensive blasen und sich für die Spitzenkandidatur in Stellung bringen, wobei er sich der Unterstützung der beiden Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sicher sein konnte.
In der Partei spricht man von einem „Vatermord“
Doch mit einem Schlag sind alle Planungen Makulatur. Albigs klares Votum für Steinmeier, der als Fraktionschef eine „tolle Arbeit“ leiste, seit 2009 „sehr gereift“ sei und „ein guter Kanzler für unser Land“ wäre, stellt einen empfindlichen Rückschlag für den früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bundesfinanzminister dar. Von einem „Vatermord“ ist im Steinbrück-Lager gar die Rede.
Entscheidung erst im Januar
Albigs Vorstoß, kritisiert etwa der SPD-Finanzexperte Joachim Poß, sei „nicht hilfreich“. Er pocht darauf, den eingeschlagenen Zeitplan einzuhalten und den Merkel-Herausforderer erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar zu küren. „Die Partei muss die Kraft haben, den selbstgenannten Zeitpunkt für die Entscheidung über die Frage des Kanzlerkandidaten durchzuhalten.“ Noch deutlicher wird der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid, für den Steinmeier wie Steinbrück sehr gute Kanzlerkandidaten sind. „Der Ex-Finanzminister genießt in der Bevölkerung hohes Vertrauen und ist sehr beliebt.“ Generalsekretärin Andrea Nahles appelliert dagegen nach einer Telefon-Schaltkonferenz an die Partei, sich mit derartigen Äußerungen zurückzuhalten.
Gleichwohl hält sich die Zahl der Steinbrück-Fans in den Reihen der SPD, die sich öffentlich für ihn aussprechen, in überschaubaren Grenzen. In der Partei hat der gebürtige Hamburger, der seine Parteifreunde schon mal als „Heulsusen“ beschimpfte, wenig Freunde und viele Gegner, mit seinen Positionen zur Rente mit 67, zur Agenda 2010 oder zur Euro-Krise vertritt er nicht die Mehrheitsmeinung der SPD.