Draußen liegen schwüle 30 Grad in der Luft, die knapp 300 Demonstranten braten ebenso in der Sonne wie die über das Areal verteilten Beamten der zwei Polizeizüge in ihrer Schutzmontur. Der Schweiß rinnt nicht nur den lautstarken Trommlern in Strömen von der Stirn.
Viele der Demonstranten tragen die weißen „Querdenken“-T-Shirts, Käppis oder Anstecker, sie schwenken Plakate mit dem Konterfei des "Querdenken"-Initiators Michael Ballweg. „Michael, mein Held“ steht darauf, die Stimmung ist friedlich. Die Demonstranten heben schweigend ihre Hände in die Luft, vier Finger formen ein Herz.
Haftprüfungstermin von „Querdenker" Ballweg unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Ob Ballweg, gerade mal rund 100 Meter entfernt, diese Liebe hinter den dicken Mauern des neuen Sitzungssaals im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stuttgart-Stammheim bei seinem Haftprüfungstermin am Montagmittag spüren oder zumindest die Trommler hören kann, wissen sie draußen nicht. Aber drin herrscht dicke Luft. Das berichtet jedenfalls Alexander Christ, Mediensprecher des Ballweg-Anwaltsteams. „Es ist heiß und stickig, vielleicht funktioniert die Klimaanlage nicht“, sagt Christ. Der Termin findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Ermittlungen gegen Ballweg wegen Betrugs und Geldwäsche
Seit sechs Wochen sitzt der 47-jährige „Querdenken“-Gründer Ballweg nun in Stammheim in Untersuchungshaft. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche gegen ihn, im Raum steht der Verdacht, Einnahmen aus den zahlreichen Spenden für die „Querdenken“-Bewegung, die seit dem Frühjahr 2020 an das um Ballweg herum aufgebaute Team eingingen, für eigene Zwecke verwendet oder umgeleitet zu haben.
Im Raum steht offenbar eine Betrugssumme von rund 640.000 Euro sowie der Vorwurf der Geldwäsche in Höhe von rund 430.000 Euro. Vergangene Woche hatte Ballwegs Anwaltsteam den Haftprüfungstermin beantragt. Sie hielten die in der Ermittlungsakte vorgebrachten Verdachtsmomente für nicht gedeckt; Christ zeigte sich zuversichtlich, dass Ballweg nach der Haftprüfung auf freien Fuß kommen werde. „Aus unserer Sicht ist dieser Vorwurf aus den Unterlagen nicht begründet“, sagt Christ, im Gegenteil könne man allerdings Ausgaben von Ballweg in Millionenhöhe nachweisen.
Die Anwälte, die offenbar erst eine knappe Stunde vor dem Haftprüfungstermin Einblick in die Unterlagen erhielten, hatten auf eine schnelle Entscheidung gehofft. Doch auch nach drei Stunden ist am Nachmittag noch keine Entscheidung gefallen.
Demonstranten fordern Ballwegs Freilassung
Ballweg wurde bei dem Termin von drei juristischen Vertretern aus seinem Anwaltsteam begleitet. „Es geht ihm gut, er ist zuversichtlich und guter Dinge und meditiert viel“, sagt Christ. Ballweg hat in U-Haft keinen Zugang zu Internet und Medien, er ist auf die Berichte seiner Anwälte angewiesen. Er könne aber Post empfangen, rund 1000 Briefe seiner Unterstützer seien an ihn gegangen, berichtet Christ.
Die Demonstranten, die darauf gehofft hatten, Ballweg im Fall der Aufhebung der U-Haft beim Haftprüfungstermin an den Toren der JVA unter Jubel bei seinen ersten Schritten zurück in der Freiheit in Empfang zu nehmen, mussten sich am Nachmittag noch weiter gedulden. Alexandra Motschmann etwa war eigens aus Gmund am Tegernsee angereist, um für die Freilassung von Ballweg zu demonstrieren. Mit der „Querdenken“-Bewegung hat Motschmann, die bei der Bundestagswahl für „die Basis“ angetreten ist, nach eigenen Angaben nichts zu tun, kennt aber Ballweg und etliche „Querdenker“ persönlich. „Ich bin für einen Rechtsstaat“, sagt sie, „deshalb bin ich hier. Und jemanden zehn Tage in Isolationshaft zu stecken, ist kein Vorgehen eines Rechtsstaates.“