Spätestens seit in Deutschland auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise die Stimmung in der Bevölkerung kippte, stehen die Medien in den Augen vieler Menschen in der Kritik. Aus diversen Richtungen wird insbesondere den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten vorgeworfen, sie seien zu staatstragend, zu einseitig oder schlicht „zu links“. Und seit der Coronapandemie müssen sich immer öfter auch andere Medien wie Zeitungen, Privatsender oder Onlineseiten ähnliche Vorwürfe anhören.
Umfrage: Nur 34 Prozent halten Öffentlich-Rechtliche für ausgewogen
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa vom Sommer 2023 halten nur 34 Prozent der Deutschen die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für „ideologisch ausgewogen“. Etwas weniger, 29 Prozent, halten die Sender für „zu links“ und zehn Prozent für „zu rechts“. Die Einschätzung hängt dabei maßgeblich vom eigenen Blick auf das politische Zeitgeschehen ab. Für ein Forscherteam um den Professor Marcus Maurer vom renommierten Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg Universität Mainz war die Debatte Anlass, der Frage nachzugehen: „Fehlt da was?“ So nennen sie ihre Studie über die „Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten“.
Doch die drei Forscher untersuchten nicht nur ARD, ZDF, Deutschlandfunk sowie Sendungen von regionalen Rundfunkanstalten wie dem Bayerischen Rundfunk. Um die Berichterstattung zu vergleichen, nahmen sie auch die Privatsender, überregionale und regionale Zeitungen und Onlineseiten wie T-Online oder Spiegel.de unter die Lupe, ebenso Medien politischer Randbereiche von links (Neues Deutschland, Junge Welt) bis rechts (Tichys Einblick, Junge Freiheit).
Studie: Augsburger Allgemeine zählt zu ausgewogensten Medien in Deutschland
Insgesamt 11.280 Beiträge aus 47 Medien unterzogen die Forscher einer aufwendigen Inhalts- und Datenanalyse. Sie wählten die zwischen der Zeit von März und Mai 2023, als der Streit um Heizungsgesetz, die Affäre um Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen und die Debatte um die Flüchtlingskosten oft die Schlagzeilen beherrschten. Neben Inhalt und Einordnung der Themen spielte auch eine Rolle, wie oft Verantwortliche aus unterschiedlichen Parteien zu Wort kamen.
Alle Medien kennzeichnete dabei klar eine kritische Haltung. „In acht der neun untersuchten öffentlich-rechtlichen Formate sowie in allen untersuchten Vergleichsmedien stellten die Redaktionen sowohl Parteien links der Mitte als auch Parteien rechts der Mitte überwiegend negativ dar“, erklären die Studienautoren. Unserer Zeitung bescheinigten die Forscher aufgrund ihrer Inhaltsanalyse, dass sie zusammen mit der Welt und dem Münchner Merkurvon allen 47 Medien „insgesamt am ausgewogensten berichtete“.
Sind ARD und ZDF zu unkritisch gegenüber der Regierung?
Was die gesellschaftspolitische Ausrichtung angeht, unterscheiden sich die Rundfunkanstalten: „Während einige öffentlich-rechtliche Formate (heute, BR-Nachrichten) zu den ausgewogensten Medien zählten, befanden sich andere (RBB- und WDR-Nachrichten) deutlich weiter von der Mitte entfernt“, heißt es in der Studie. Insgesamt fielen die öffentlich-rechtlichen „durch einen gegenüber den Vergleichsmedien weniger kritischen Umgang mit den aktuellen Regierungsparteien auf“.
Besonders gravierend seien die Unterschiede jedoch nicht, sagt Studienleiter Maurer. „Unsere Studie zeigt zwar, dass in den Nachrichtenformaten von ARD, ZDF und Deutschlandradio durchaus an der ein oder anderen Stelle Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen wäre“, erklärt der Mainzer Professor. „Insgesamt trifft die Behauptung, die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien im Vergleich zu anderen Nachrichtenmedien besonders einseitig, aber nicht zu.“