Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vereinshymne der englischen Fußballer vom FC Liverpool gewählt, um den Deutschen staatliche Unterstützung in der Energiekrise zu versprechen: You‘ll never walk alone. Der SPD-Kanzler hätte auf Deutsch sagen können, dass er niemanden alleine lässt mit den rasant steigenden Ausgaben für Strom, Heizen und Kraftstoffe.
Seine Regierung hat zwei Energiepakete geschnürt, die zusammen ein Volumen von 30 Milliarden Euro haben. Es handelt sich um die größte Entlastung der Bürger seit Jahrzehnten. Doch noch bevor alle einzelnen Zuschüsse ausgezahlt sind, ist schon klar, dass der steile Anstieg der Kosten infolge des Ukrainekrieges die Erleichterungen auffrisst. Ein Beispiel sind die Strompreise. Wegen des Verzichts auf russisches Gas und den Boykott von russischer Kohle hat sich der Preis der Energieträger vervielfacht. Um Strom billiger zu machen, hat die Regierung die Ökostrom- oder EEG-Umlage abgeschafft. Sie musste bis einschließlich Juni automatisch von Privatverbrauchern und den allermeisten Unternehmen gezahlt werden, um den Ausbau von Windrädern, Solaranlagen und Biomassekraftwerken zu bezahlen. Zuletzt betrug sie 3,7 Cent je Kilowattstunde.
Linken-Fraktionschef: EEG-Abschaffung im Ergebnis "eine Luftnummer"
Durch die Streichung der Umlage sinkt die Stromrechnung für Alleinlebende um rund 70 Euro pro Jahr, eine Familie spart 220 Euro. Nach Berechnungen des Vergleichsportals check24 betragen die Mehrkosten für Strom im Schnitt bereits 347 Euro für eine Familie. Die Linkspartei fordert wegen der aufgezehrten Entlastung eine staatliche Preiskontrolle. „Die Abschaffung der EEG-Umlage war richtig, ist im Ergebnis aber eine Luftnummer für die Bürger, denn sie zahlen trotzdem höhere Strompreise“, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch unserer Redaktion. Die Preise seien außer Kontrolle und Strom werde zum Luxusgut. „Es ist Politikversagen, dass Deutschland die höchsten Strompreise in Europa hat. Die Ampel muss handeln und Bürger und Betriebe vor explodierenden Energiepreisen schützen“, verlangte Bartsch.
Seine Idee geht so: Bei einem Mindestkontingent für Privathaushalte wird dem Preis eine Obergrenze verordnet. Für den Verbrauch darüber ist der Marktpreis zu zahlen. Üblicherweise übernimmt der Staat die Differenz für das subventionierte Mindestkontingent und überweist die Beträge an die Stromerzeuger. Die Forderung der Linken ist keine Idee aus der sozialistischen Mottenkiste, die bar jeder Realisierungschance reines Wunschdenken bleibt. Frankreich, Kroatien, Spanien und Portugal haben Obergrenzen für die Preise von Strom und Gas eingezogen.
In Frankreich zum Beispiel können die Energieversorger den Preis dieses Jahr um höchstens 4 Prozent anheben. Spanien und Portugal haben wegen der horrenden Kosten bestimmt, dass das zur Stromproduktion eingesetzte Gas maximal 40 Euro je Megawattstunde kosten darf, was den Preis nahezu halbierte. Geschätzt wird, dass Spanien dafür an die Unternehmen 6,3 Milliarden Euro und das kleinere Portugal 2,1 Milliarden Euro zahlen müssen. Kroatien verfügte, dass sich Strom nicht mehr als 9,6 Prozent und Gas nicht mehr als 20 Prozent verteuern darf.
Keine Deckel-Phantasien in der Ampel
In der Bundesregierung hat der Preisdeckel bislang keine öffentlichen Unterstützer. Das ökonomische Argument dafür lautet, dass die enormen Kosten Firmen und Haushalte zwingen, Energie einzusparen. Die Ampel-Koalition arbeitet deshalb mit Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen, um den finanziellen Kollaps bei Wirtschaft und Verbrauchern zu verhindern. Den Energiekonzern Uniper musste Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Milliarden vor der Pleite retten. Der Grünen-Politiker würde gerne Energieriesen wie RWE, Eon, Shell und BP eine Übergewinnsteuer aufbrummen, um sich einen Teil von den durch die Decke schnellenden Profiten zu holen.
Doch Finanzminister Christian Lindner lehnt das ab. Der FDP-Chef begründet das unter anderem damit, dass die Übergewinnsteuer auch für Ökostromanbieter und Landwirte fällig wäre, die von den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges profitieren. Allerdings fehlen der Regierung deshalb Milliardeneinnahmen, die sie gut gebrauchen könnte, um das Versprechen des Kanzlers zu finanzieren, niemanden im Regen stehenzulassen.