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Streit um Kalbitz: Wer gewinnt die Machtprobe in der AfD?

Streit um Kalbitz

Wer gewinnt die Machtprobe in der AfD?

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    Andreas Kalbitz (links) und Björn Höcke stehen auch weiter Seite an Seite.
    Andreas Kalbitz (links) und Björn Höcke stehen auch weiter Seite an Seite. Foto: Jens Büttner/ dpa

    Nach dem Rauswurf von Rechtsaußen Andreas Kalbitz wegen dessen angeblicher Neonazi-Vergangenheit spitzt sich der Machtkampf in der AfD weiter zu. Die Brandenburger Landtagsfraktion rebelliert offen gegen den Beschluss des Bundesparteivorstands und stärkt Kalbitz den Rücken. Der Riss geht mitten durch die Partei und spaltet auch deren Spitze: Jörg Meuthen, Hoffnung der gemäßigteren AfD-Anhänger, hat den Ausschluss des brandenburgischen AfD-Landeschefs Kalbitz betrieben.

    Co-Chef Tino Chrupalla hält den Schritt für falsch und spricht von einer „Zerreißprobe“. Bei dem Streit geht es um Fragen, die für die Zukunft der Partei entscheidend sind: Wie stark ist der Einfluss der Vertreter des rechtsnationalen „Flügels“, der sich ja eigentlich aufgelöst haben will? Wie lange hält sich Meuthen noch an der Parteispitze? Und kann die AfD der Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch entgehen?

    Flügel: Der Verfassungsschutz sieht „rechtsextremistische Bestrebungen“ 

    Neben dem Thüringer Björn Höcke war Andreas Kalbitz treibende Kraft des sogenannten „Flügels“, einer rechtsnational und völkisch ausgerichteten, informellen Gruppierung innerhalb der AfD. Im vergangenen März hatte der Verfassungsschutz den Flügel als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ – und damit als Beobachtungsfall – eingestuft.

    Auf Druck der AfD-Bundesspitze, die fürchtete, die Gesamtpartei könne selbst ins Visier des Verfassungsschutzes geraten, vollzog der Flügel Ende April seine Selbstauflösung. Allerdings sprach der Verfassungsschutz von einer „Scheinauflösung“ – zumal auch Flügel-Anführer Höcke ankündigte, dass „der Geist des Flügels natürlich in der Partei bleiben wird“. Wie stark dieser Geist die AfD noch prägt, ist unklar.

    AfD: Der Flügel ist in den ostdeutschen Landesverbänden besonders stark 

    Frühere Schätzungen gingen davon aus, dass zeitweise bis zu 40 Prozent der AfD-Mitglieder den Flügel unterstützten. Unstrittig ist, dass der Flügel in Ostdeutschland besonders mächtig war – und bis heute ist. Um die Flügel-Anhänger loszuwerden, hatte Jörg Meuthen vor einigen Wochen sogar eine Aufspaltung der AfD ins Gespräch gebracht – doch damit konnte er sich nicht durchsetzen. Seither gilt er in der Partei als angeschlagen. Doch Meuthen versucht weiter, die Abgrenzung zu völkischen Tendenzen nach außen zu demonstrieren.

    Auf sein Betreiben entschied der AfD-Bundesvorstand am vergangenen Freitag mit knapper Mehrheit, die Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz aufzuheben. Kalbitz, so die Begründung, habe auf seinem Aufnahmeantrag seine Mitgliedschaft in der 2009 verbotenen, militanten Neonazi-Gruppierung „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) verschwiegen. Zudem habe er nicht angegeben, dass er in den 1990er Jahren Mitglied der Republikaner war. Wer diesen Gruppen – beide stehen auf einer „Unvereinbarkeitsliste“ der Partei – angehört hat, darf laut Satzung nicht in die AfD aufgenommen werden. Doch ob die Entscheidung Bestand hat, ist unklar. Denn das wichtigste Beweisstück, der Aufnahmeantrag von Kalbitz, ist nicht auffindbar.

    Wilde Spekulationen über den Aufnahmeantrag von Kalbitz 

    Laut Medienberichten soll es auch gar keinen von Kalbitz ausgefüllten Antrag auf Papier geben. Kalbitz soll im Frühjahr 2013 per Internet einen Aufnahmeantrag an die erst kurz zuvor gegründete AfD gestellt haben. Allein – auch die digitalen Daten zu dem Kalbitz-Antrag sind verschollen. Die Kalbitz-Gegner stützen den Rauswurf auf zwei Zeugen, die versichern, den Antrag seinerzeit gesehen zu haben und sich an den Inhalt zu erinnern. Kalbitz selbst bestreitet, dass er HDJ-Mitglied gewesen war, allenfalls könne er auf einer „Kontaktliste“ gestanden haben. Zudem habe die Unvereinbarkeitsliste bei seinem Eintritt 2013 noch gar nicht existiert.

    Kalbitz will gegen seinen Rauswurf klagen, vor dem Schiedsgericht der Partei und notfalls auch vor einem ordentlichen Gericht. Meuthen gerät zunehmend unter Druck, mehrere ostdeutsche Landesverbände kritisierten den Kalbitz-Rauswurf. Björn Höcke wirft Meuthen „Verrat“ vor. Die Chefs der Bundestagsfraktion, Alexander Gauland und Alice Weidel, halten den Ausschluss ebenfalls für falsch. Rückendeckung bekommt Kalbitz auch von der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag, die er bis zu seinem Rauswurf führte. Am Montag entschied sie mit den Stimmen von 18 von 21 anwesenden Abgeordneten, dass Kalbitz Mitglied der Fraktion bleibt. Ob er auch deren Vorsitzender sein darf, bleibt bis zur Klärung von Kalbitz’ Parteimitgliedschaft offen. Den parteiinternen Streit dürfte das Signal aus Potsdam jedenfalls weiter anheizen.

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