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Stichwahl in Polen: Andrzej Duda in Polen wiedergewählt: Kann er sich jetzt freischwimmen?

Stichwahl in Polen

Andrzej Duda in Polen wiedergewählt: Kann er sich jetzt freischwimmen?

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    Mit Mundschutz, aber frisch toupiert: Eine Wählerin bei der Stimmabgabe in  Rybnik. Polen entscheidet in einer Stichwahl über den Präsidenten.
    Mit Mundschutz, aber frisch toupiert: Eine Wählerin bei der Stimmabgabe in Rybnik. Polen entscheidet in einer Stichwahl über den Präsidenten. Foto: Petr David Josek/AP/dpa

    Andrzej Duda strahlte über die volle Breite seiner Wangen und jubelte. „Es lebe Polen“, rief er wieder und wieder, im Chor mit seinen Anhängern. Eine tonnenschwere Last schien da in der Wahlnacht vom polnischen Präsidenten abgefallen zu sein. Dabei gab es dafür zunächst kaum einen Grund. Die ersten Prognosen zeigten nur einen hauchdünnen Vorsprung für den rechtskonservativen Amtsinhaber. Da war noch alles möglich in diesem Wahlthriller. Am Montag aber herrschte Klarheit: Duda hat die Stichwahl gegen seinen liberalen Herausforderer Rafal Trzaskowski mit 51,2 Prozent gewonnen.

    Haften blieben die Szenen aus der Nacht. Wie der 48-jährige Duda, umrahmt von Ehefrau Agata und Tochter Kinga, nicht nur seine Arme emporreckte, sondern auch die Hände der beiden Frauen in den Himmel hob. Und wie er sich – unerwartet – für seine Ausfälle entschuldige: „Ich bitte alle um Verzeihung, die sich von mir verletzt gefühlt haben, nicht nur im Wahlkampf, sondern während der zurückliegenden fünf Jahre.“ Seine erste Amtszeit nahm der Präsident da in den Blick, die ihm den Spitznamen „Kugelschreiber“ einbrachte, weil er anstandslos alle Gesetze unterschrieb, die ihm die Regierung vorlegte. Sicher, es waren seine eigenen Leute von der rechtsnationalen PiS, die da regierten. Aber der Präsident verfügt in Polen über ein starkes Vetorecht.

    Duda hätte also mitgestalten können, wenn er nur „etwas Mut und Rückgrat“ gehabt hätte, wie es Herausforderer Trzaskowski im Wahlkampf formulierte. Das saß – und Duda konterte mit Hass und Häme. Er schloss sich der Äußerung eines PiS-Abgeordneten an, Homosexuelle und Transgender seien keine Menschen, sondern Verfechter einer „neobolschewistischen Ideologie“. Und dann waren da noch die Deutschen, die sich angeblich in den Wahlkampf einmischten, weil sie den Präsidenten am liebsten selbst bestimmen würden.

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    Die Angriffe auf die Nachbarn im Herzen Europas müssen vor allem Dudas Frau Agata geschmerzt haben, Tochter des Dichters Julian Kornhauser, eine Germanistin. Auch sie hielt in der Wahlnacht eine Rede und schlug friedfertige Töne an. Sie versicherte Trzaskowski ihre Wertschätzung. Da hatte Duda den Herausforderer bereits zu einem Versöhnungstreffen in den Präsidentenpalast eingeladen. Im Wahlkampf hatten die beiden gleichaltrigen Rivalen nicht einmal zu einer TV-Debatte zusammengefunden.

    Und dann war da noch die Tochter, Kinga Duda, die ebenfalls das Wort ergriff. Sie nahm den Vater und überhaupt alle Polen eindringlich in die Pflicht. „Papa, du bist ein guter Mensch“, setzte die 25-Jährige an und versicherte dem Publikum, dass er „die Menschen liebt“. Aber Polen dürfe niemals zu einem Land werden, in dem „irgendjemand Angst hat, auf die Straße zu gehen, unabhängig davon, was er glaubt, welche Hautfarbe er hat oder wen er liebt. Wir sind alle gleich und verdienen den gleichen Respekt.“ Kein Rassismus, keine Islamophobie, kein Hass auf Homosexuelle. Das war eine klare Ansage.

    Skeptischer Blick: Kann Andrzej Duda sein Amt als Präsident in Polen verteidigen?
    Skeptischer Blick: Kann Andrzej Duda sein Amt als Präsident in Polen verteidigen? Foto: Czarek Sokolowski, dpa

    Oder war es doch nur ausgefeilte Strategie? Natürlich war manches Show: die Frauen an Dudas Seite, beide in unschuldiges Weiß gehüllt. Und auch die Schlachtrufe. Aber es könnte doch mehr dahinterstecken, etwas, das die vorschnelle, überschießende Erleichterung des Präsidenten in der Wahlnacht erklären würde. Denn Duda wird im August für eine zweite, aber auch letzte Amtszeit vereidigt. Er wird daher künftig unabhängiger sein. „Er könnte versuchen, sich freizuschwimmen“, analysierte Peter Oliver Loew, der Chef des Deutschen Polen-Instituts, die Lage am Tag danach und prophezeite: „Wir werden auf einen Machtkampf zwischen Duda und Kaczynski zusteuern.“ Ein solcher Konflikt zwischen gemäßigten Kräften und Hardlinern im Regierungsblock hatte sich zuletzt schon angedeutet. Einen ersten Höhepunkt erreichte der Streit im April, als der wertkonservative Vizepremier Jaroslaw Gowin zurücktrat, um eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl wegen der Corona-Pandemie zu erzwingen, letztlich mit Erfolg. Im Juni erklärte Gowin dann, ein Trzaskowski-Sieg gegen Duda wäre „keine Katastrophe“. Gowin hat eine Gruppe von 18 gemäßigten Sejm-Abgeordneten hinter sich. Ohne ihn ginge die Regierungsmacht verloren.

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    Doch das gilt auch für eine Gruppe von Hardlinern um den „schwarzen Sheriff“ Zbigniew Ziobro. Der Justizminister hat die Aushöhlung der Gewaltenteilung zu verantworten, die zu einem Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission geführt hat. Im Wahlkampf kündigte Ziobro nun eine Offensive gegen die verbliebenen unabhängigen Medien im Land an. Doch gesetzliche Neuregelungen brauchten Dudas Unterschrift. Es dürfte also schon bald zum Schwur kommen.

    So unklar die Situation im Regierungslager ist, so unstrittig ist eine Personalie in der Opposition: Trzaskowski wird nach seiner fulminanten Aufholjagd im Rennen um die Präsidentschaft künftig eine zentrale Rolle in der liberal-konservativen Bürgerkoalition spielen. In der Wahlnacht verwies er voller Stolz auf die „neue Energie“, die seine Kampagne im ganzen Land geweckt habe. Per Twitter gratulierte er Duda hoffnungsvoll mit den Worten: „Möge diese Amtszeit eine wirklich andere werden.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Polen droht viel Hass und wenig Hoffnung

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