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Steuerschätzung: Die Steuereinnahmen reichen nicht für alle Ampel-Wünsche

Steuerschätzung

Die Steuereinnahmen reichen nicht für alle Ampel-Wünsche

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    Christian Lindner: "Es ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume".
    Christian Lindner: "Es ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume". Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Vor dem Hintergrund nur minimal steigender Steuereinnahmen hat Bundesfinanzminister Christian Lindner neuen Ausgabenwünschen in der Ampelkoalition eine Absage erteilt und gleichzeitig die Hoffnungen der Gastronomie auf eine fortgesetzte Mehrwertsteuersenkung gedämpft. Im kommenden Jahr dürften etwa 1,9 Milliarden Euro mehr ins Staatssäckel fließen, als bisher erwartet, gab Lindner am Donnerstag in Berlin das Ergebnis der Herbst-Steuerschätzung bekannt. Sie liegt etwas besser als die Prognose vom Frühjahr, insgesamt wird für 2024 mit Einnahmen von rund 964 Milliarden Euro gerechnet. Das ist zwar deutlich mehr als im letzten Jahr, der FDP-Politiker mahnte dennoch zur Haushaltsdisziplin. „Neue Verteilungsspielräume, die gibt es nicht“, sagte Lindner. 

    Die live übertragene Pressekonferenz dürften viele Wirtinnen und Wirte verfolgt haben. „Sieben Prozent müssen bleiben!“, mit diesem Spruch hatten sie im Radio und in anderen Medien dafür gekämpft, dass die als Folge der Corona-Pandemie auf sieben Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer für Speisen über den Jahreswechsel hinaus erhalten bleibt. Nach Lindners Worten müssen sie nun aber eher damit rechnen, dass an der Befristung bis 31. Dezember nicht gerüttelt wird, und die Abgabe wieder auf 19 Prozent steigt. Nach Einschätzung der Branche wäre das „eine Katastrophe für die Betriebe und würde zu einem Preisschock für die Gäste führen – mit fatalen Folgen für die Gesellschaft, den Staat und die Gastgeber“.

    Mehrwertsteuer für Speisen? Christian Lindner erwartet "eine Debatte"

    Ein wenig Hoffnung besteht noch, Lindner machte die Gaststättentür nicht ganz zu. „Jetzt muss der Haushaltsgesetzgeber entscheiden, ob er diese krisenbedingte Maßnahme fortsetzen will“, sagte der FDP-Politiker mit Blick auf die im November anstehenden finalen Haushaltsberatungen im Bundestag und bekräftigte: „Aus der Steuerschätzung selbst heraus ergeben sich keine neuen Spielräume.“ Die kann es dem obersten Haushälter der Republik zufolge nur geben, wenn woanders eingespart wird. „Neues geht nur, wenn man bereit ist, sich von anderen Dingen zu trennen.“

    Linder erklärte, er erwarte bei der Mehrwertsteuer für Speisen „eine Debatte“. Er selbst ist wie seine Bundestagsfraktion durchaus für eine Fortsetzung. „Ich fände auch die unbefristete Anwendbarkeit richtig“, sagte er etwa dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. Die Grünen hingegen tun sich damit schwer. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir schielt auf die mehr als drei Milliarden Euro, die Bars und Restaurants durch die Ermäßigung pro Jahr sparen. Er würde lieber „gesunde Lebensmittel“ günstiger machen und dafür den Mehrwertsteuersatz für Obst und Gemüse auf null setzen. Als Kompromiss könnte Kanzler Olaf Scholz Grünen und FDP vorschlagen, den ermäßigten Satz von sieben Prozent nochmals um ein Jahr zu verlängern. 

    Corona-Kredite müssen zurückgezahlt werden

    Im vergangenen Jahr hatten sich die Steuereinnahmen laut Statistischem Bundesamt auf rund 896 Milliarden Euro summiert. Jetzt also sollen es 68 Milliarden Euro mehr sein, doch das Geld reicht trotzdem nicht. Der Bund muss unter Einhaltung der Schuldengrenze 5,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten aufnehmen, um sämtliche Verpflichtungen erfüllen zu können. Lindner machte am Beispiel der nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer deutlich, warum das notwendig ist: Zwischen 5,5 und 6 Milliarden Euro kostet allein das Bürgergeld für diesen Personenkreis. Lindner stellte dabei die Solidarität mit der Ukraine ausdrücklich nicht infrage, erklärte aber, man müsse zwischen den militärischen Hilfen und der „Unterstützung durch unseren Sozialstaat“ unterscheiden. Es könne hilfreich sein, wenn die Geflüchteten schneller eine Arbeit aufnehmen, machte er deutlich. Arbeitsminister Hubertus Heil hatte kürzlich entsprechende Pläne vorgestellt. 

    Der Schuldenstand wird zwar um einen Punkt auf 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückgehen – das ist im internationalen Vergleich ein guter Wert. Doch die Steuereinnahmen des Bundes sind derzeit von Einmaleffekten wie einer geringeren Finanzzuweisung an die Europäische Union geprägt. Für die nächsten Jahre wird sich die Kassenlage eher verschlechtern, wie Lindner mit Hinweis auf die mittelfristige Finanzplanung warnte. „Die Haushaltssituation wird absehbar herausfordernd bleiben“, sagte der FDP-Vorsitzende, der an anderer Stelle auch schon von „Eisbergen“ gesprochen hatte, die es zu umschiffen gilt. Dazu zählen etwa die Corona-Kredite in Höhe von rund 400 Milliarden Euro, die ab 2028 verbindlich über 30 Jahre getilgt werden müssen. Ähnliches gilt für das Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro.

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