Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Steuern: Wird die Mittelschicht vergessen? Der Kampf um die kalte Progression

Steuern

Wird die Mittelschicht vergessen? Der Kampf um die kalte Progression

    • |
    Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die verdeckte Steuererhöhung vollständig an Beschäftigte und Unternehmer zurückgeben. Sie Koalitionspartner haben anderes vor.
    Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die verdeckte Steuererhöhung vollständig an Beschäftigte und Unternehmer zurückgeben. Sie Koalitionspartner haben anderes vor. Foto: Daniel Reinhardt, dpa

    Es geht um die schöne Summe von 15 Milliarden Euro. So viel wird der Staat nach Schätzung der Bundesbank mehr einnehmen, weil die Beschäftigten wegen der starken Inflation deutliche Lohnerhöhungen bekommen, was die Einkommensteuer-Einnahmen in die Höhe treibt. Finanzminister Christian Lindner hat versprochen, dass er den Leuten die 15 Milliarden Euro zurückgeben wird. „Der Staat darf sich nicht an der Inflation bereichern“, wiederholt der FDP-Vorsitzende seit Wochen.

    Es gibt gute Gründe dafür: Das Plus im Portemonnaie reicht erstens nicht aus, um die steil steigenden Preise (Energie, Lebensmittel) auszugleichen und wird zweitens davon aufgezehrt, dass sich der Fiskus mehr davon nimmt. Unter dem Strich haben die Beschäftigten wegen der Teuerung und der verdeckten Steuererhöhung weniger Geld zur Verfügung.

    Spitzensteuersatz und kalte Progression: Die Reichen sollen zahlen

    Lindners Koalitionspartner SPD und Grüne stimmen ihm im Prinzip zu, dass der Staat die Mehreinnahmen zurückgeben muss. Doch genau dann wird es meistens kompliziert in der Ampel. Denn die beiden Parteien wollen eine soziale Komponente in die Entlastung einflechten. Die Armen sollen stärker entlastet werden, die Gutverdiener weniger und die Wohlhabenden sollen zahlen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat etwa vorgeschlagen, den vollständigen Abbau der kalten Progression daran zu knüpfen, gleichzeitig den Spitzensteuersatz zu erhöhen.

    Bei den Sozialdemokraten gibt es Sympathien für eine Aufteilung der 15 Milliarden. „Wir werden etwas gegen die Progression machen, aber effizient und zielgenau. Einfach den Steuertarif zu verschieben, würde auch Menschen entlasten, die das nicht brauchen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Michael Schrodi, unserer Redaktion. Mit „einfach den Tarif zu verschieben“ meint Schrodi die Anpassung der einzelnen Stufen bei der Einkommensteuer um den Inflationssatz.

    Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen profitieren stärker von staatlichen Prämien

    Berechnungen des Bundes der Steuerzahler zeigen, dass bei einer Anpassung um fünf Prozent Inflation ein Single ohne Kinder mit einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro um 181 Euro entlastet würde. Bei einem Verdienst von 40.000 Euro gingen 342 Euro weniger an den Fiskus, bei einem Lohn von 80.000 Euro wären es 623 Euro. „Die höchsten Einkommen würden am stärksten davon profitieren“, sagt Schrodi. Er hält deshalb eine Kombination aus direkten Zuschüssen, wie zum Beispiel eine Energieprämie, und eines teilweisen Abbaus der Progression für eine gute Lösung. Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen profitierten nach einer Analyse der Arbeitnehmerkammer Bremen stärker von staatlichen Prämien.

    Der CSU-Finanzer Sebastian Brehm ist bei der Frage der Progression voll bei Finanzminister Lindner und fordert ihren vollen Ausgleich in der Einkommensteuer. „Aber Lindner wird sich wieder nicht gegen SPD und Grüne durchsetzen können“, sagte Brehm. Die Ampel-Koalition vergesse die Mittelschicht und die selbstständigen Unternehmer wie Fleischer, Elektriker und Gastronomen, regt sich Brehm auf. „Die erklären Leute mit einem Brutto-Einkommen von 40.000 bis 50.000 Euro für reich.“ Lindner will in den kommenden Wochen einen Vorschlag vorlegen, was er gegen die verdeckte Steuererhöhung tun möchte. Entscheiden wird die Koalition aber erst im Herbst, wenn der Progressionsbericht von Fachleuten erschienen ist. Dann wird es auch um die Frage gehen, ob die Progression schon in diesem Jahr oder erst im nächsten Jahr abgebaut wird.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden