Bundesfinanzminister Christian Lindner muss irgendwo einen Goldesel in seinem Ministerium versteckt haben. Ob Krieg in der Ukraine, nachlassendes Wachstum oder eine weltweite Pandemie – die Einnahmen des FDP-Politikers legen trotzdem zu und zwar stattlich. Den Bürgern und Unternehmen will er dennoch nur so viel zurückgeben, wie es unbedingt sein muss. Für Steuersenkungen sieht der FDP-Chef keinen Spielraum. „Es gibt diese gewaltigen Mehreinnahmen nicht, da stehen überall Risikopositionen dahinter“, sagte er bei der Vorstellung der neuen Steuerschätzung am Donnerstag.
Lindner baut vor. Denn auf dem Papier mit den neuen Prognosen über die Staatseinnahmen stehen viele Milliarden, die er in den nächsten Jahren mehr kassieren wird, als bislang erwartet. In diesem Jahr sind es 17 Milliarden, nächstes und übernächstes Jahr beinahe 20 Milliarden und im Jahr 2025 sind es 19 Milliarden. Diese ansehnlichen Beträge entfallen allein auf den Bund, die Länder können sich auf rund 20 Milliarden Euro zusätzlich einstellen und zwar jedes Jahr bis zur Mitte des Jahrzehnts. In Summe können also Bund und Länder jährlich rund 40 Milliarden Euro mehr ausgeben, als bei der vorhergehenden Schätzung im November errechnet.
Christian Lindner verspricht, dass er die kalte Progression ausgleichen will
Nun hat Lindner das Problem, dass die dicken Beträge schwarz auf weiß in Tabellen seines Ministeriums stehen. Sie sind damit amtlich. Er kann nur so tun, als gäbe es sie nicht. Für den Vorsitzenden der Freien Demokraten ist das misslich, weil seine Partei sonst als eine der ersten nach Steuersenkungen ruft. „Ich trete als Liberaler immer für steuerliche Entlastungen ein“, sagt er. Leider verfüge er im Bundestag nicht über die absolute Mehrheit, um Bürger und Unternehmen besserzustellen.
Immerhin verspricht der 43-Jährige, dass er die kalte Progression ausgleichen will. Sie entsteht, wenn Arbeitnehmer und Selbstständige mehr verdienen, weil sie eine Lohnsteigerung erhalten, um die Inflation auszugleichen. Dadurch kann es passieren, dass sie in einen höheren Steuertarif rutschen und schließlich netto sogar weniger Geld zur Verfügung haben. „An Mehreinnahmen, die sich aus der gestiegenen Inflation ergeben, darf sich der Staat nicht bereichern“, verspricht Lindner.
In den vergangenen Jahren waren das kleine Posten im Haushalt, weil der Preisauftrieb gering war. Bei Inflationsraten wie derzeit kommt aber schnell ein zweistelliger Milliardenbetrag zusammen. Dieser wird aber mit den Ländern geteilt, so dass das Minus für den Bund überschaubar ist. Lindner hat unter dem Strich also immer noch mehr, als bislang gedacht. Für ihn ist das jedoch kein Grund, öffentlich zu jubeln.
Derzeit profitiert Christian Lindner auch von den stark zulegenden Preisen
Denn bei seinen Koalitionspartnern SPD und Grüne sind die Begehrlichkeiten groß. Für soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen die Erderwärmung steht noch viel Teures in den Programmen. Seine erste Ansage machte er deshalb nicht den Bürgern und Unternehmen, sondern den beiden anderen Ampel-Parteien. Die schönen Zahlen seien kein Grund für feuchte Augen der Rührung, macht Lindner deutlich. „Alle gemeinsam müssen wir uns der Realität stellen.“
Die Realität, von der Lindner spricht, kennt zwei Risiken für den Haushalt. Wenn die Zentralbanken die Zinswende einleiten, wird es für ihn teurer, neue Schulden aufzunehmen und bestehende umzuschulden. Die Nullzinsphase hat die Sparer in den zurückliegenden Jahren belastet, der Finanzminister und mittelbar alle Bürger haben davon profitiert, weil sich der Staat günstig Geld leihen konnte. Das zweite Risiko für den güldenen Ausblick ist eine schwere Wirtschaftskrise, die zum Beispiel auf ein Abdrehen des Gashahnes durch Wladimir Putin folgen würde. Schrumpft die Wirtschaft, machen die Unternehmen weniger Gewinn und werden weniger Steuern zahlen.
Noch sieht es aber anders aus. Die großen Konzerne haben Rekordprofite gemeldet. Die Unternehmen und auch die Behörden suchen Personal, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Beschäftigung klettert. Das sorgt für ein höheres Lohnsteueraufkommen und sinkende Ausgaben für Arbeitslose. Derzeit profitiert Lindner auch von den stark zulegenden Preisen, weil das automatisch die Mehrwertsteuereinnahmen anhebt, solange der Konsum nicht einbricht. Bislang bleibt der zumindest stabil.