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Steinmeier in Kiew nicht erwünscht: Eklat statt Symbol

Krieg in der Ukraine

Steinmeier darf nicht nach Kiew: Eklat statt Symbol

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    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (auf dem Balkon rechts) begegnete im finnischen Parlament Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nur indirekt.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (auf dem Balkon rechts) begegnete im finnischen Parlament Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nur indirekt. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Der Zug Richtung Kiew stand schon bereit, es hätte eine symbolträchtige Reise zur politischen Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor werden können. Der Fahrgast jedoch war unerwünscht, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier musste seinen geplanten Besuch in Kiew abblasen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte ihn nicht empfangen – ein bislang einmaliger Vorgang, jedenfalls ist offiziell nicht bekannt, dass ein Bundespräsident jemals von einem Regierungschef ausgeladen wurde. Die harsche Reaktion kam überraschend, das deutsch-ukrainische Verhältnis ist belastet und es könnte noch schwieriger werden. Denn nach seinem Affront machte Selenskyj einen zweiten diplomatischen Fehler und lud Olaf Scholz nach Kiew ein. Der Kanzler indes kann dem in der aktuellen Gemengelage kaum nachkommen.

    Eine Reise Steinmeiers nach Kiew war schon lange im Gespräch

    Steinmeier war schon während seines Besuchs in Helsinki vergangene Woche mit der Frage konfrontiert worden, ob und wann er in die Ukraine reisen werde. Seine Reise nach Polen – die am Dienstag stattfand und den ursprünglich am 29. März geplanten, wegen einer Corona-Infektion verschobenen, Besuch nachholen sollte – bot die Gelegenheit, in die ukrainische Hauptstadt weiterzureisen. Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda hatte diese Option ins Spiel gebracht, Steinmeier bat sich eine Nacht Bedenkzeit aus und sagte dann zu.

    Die Reise, an der sich neben Steinmeier und Duda auch die Staatschefs der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland beteiligen wollten, wurde aus Sicherheitsgründen unter größter Geheimhaltung organisiert. Ein erstes Warnzeichen, dass aus dem Besuch nichts werden könnte, gab es: Selenskyj sagte ein für Montag mit Steinmeier geplantes Telefonat ab. Erst später dämmerte den Diplomaten, dass dahinter die Unzufriedenheit Selenskyjs über Steinmeiers Russland-Politik während dessen Zeit als deutscher Außenminister stecken könnte, die dann auch zu der Ausladung führte.

    Als Steinmeier am Dienstag ins Flugzeug stieg, um seine Polen-Reise zu beginnen, gab es aus Kiew weitere Signale, dass der Bundespräsident in Kiew nicht erwünscht sei.

    Die Reaktionen in der Öffentlichkeit fielen einmütig aus. Selenskyj, wenn auch schwer unter dem Druck der Ereignisse stehend, habe einen Fehler gemacht, hieß es. Der ehemalige Box-Weltmeister Wladimir Klitschko brachte die Meinungen mit seiner Äußerung auf den Punkt, dass Steinmeier zwar Fehler gemacht, diese aber auch eingeräumt habe. Der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko sprach gleichzeitig die Hoffnung vieler aus. „Ich hoffe, dass der Besuch des Bundespräsidenten in Kiew nur aufgeschoben ist und in den kommenden Wochen nachgeholt werden kann“, erklärte er auf Twitter.

    Die Bundesregierung zeigte sich angesichts der Ausladung des Staatsoberhauptes vergleichsweise hilflos. Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner verwies darauf, dass der Bundespräsident bislang „sehr klar und eindeutig“ zur Ukraine Stellung bezogen habe. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte am Rande ihres Besuchs in der malischen Hauptstadt Bamako, der Bundespräsident habe klargemacht, dass er die Absage bedauere. „Ich bedauere sie auch“, sagte die Grünen-Politikerin.

    Eine Reise des Kanzlers Scholz ist zurzeit kaum denkbar

    Für eher unsinnig wird in Berlin die Einladung erachtet, die die ukrainische Seite an Scholz aussprach. Man habe diese „zur Kenntnis genommen“, erklärte Büchner. Es wäre eine Überraschung, würde Scholz dem Aufruf schnell folgen. Nachdem das deutsche Staatsoberhaupt derart brüskiert wurde, kann der SPD-Politiker nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Würde er nach Kiew reisen, wäre der Gesichtsverlust für Steinmeier und die Bundesregierung groß.

    Das zweite Hindernis ist größer. Scholz kann nur nach Kiew reisen, wenn klar ist, dass sein Besuch nicht mit einem Debakel endet. Dazu würde es derzeit aber mit Sicherheit kommen. Denn Selenskyj beharrt auf die Lieferung schwerer Waffen durch Deutschland, es wäre seine wichtigste Bitte im Gespräch mit dem Kanzler. Die Ampel-Regierung hat sich jedoch noch nicht auf eine Linie verständigt.

    Berichteten über ihre Ukraine-Reise: Anton Hofreiter, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Michael Roth.
    Berichteten über ihre Ukraine-Reise: Anton Hofreiter, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Michael Roth. Foto: dpa

    Doch auch in der Ampel wächst der Druck. Mit Ungeduld verfolgen drei prominente Politiker der Koalition die zögerliche Haltung von Kanzler Scholz, was die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine betrifft. Das wurde auf einer gemeinsamen Video-Schalte der Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa, Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne), am Mittwoch mit Journalisten deutlich. Das Trio berichtete über seine Eindrücke aus direkten politischen Gesprächen mit ukrainischen Abgeordneten in Kiew.

    „Es geht einmal um Waffen, die sofort eingesetzt werden können. Also sowjetisches Material, das in Europa und der ganzen Welt zusammengekratzt wird. Aber auch um moderneres Gerät“, präzisierte Hofreiter die Wünsche aus Kiew. Daran, dass er diese Forderung unterstützt, ließ er – wie seine beiden Mitreisenden – keinen Zweifel. Auch ihm sei klar, dass schwere Waffen, wie der Schützenpanzer Marder, nicht sofort ohne Training von der ukrainischen Armee genutzt werden könnten. Allerdings seien die ukrainischen Gesprächspartner der Ansicht, dass der Krieg noch lange dauern würde, Waffen wie der Marder also noch sehr wertvoll sein könnten. Diese Ansicht teile er, sagte Hofreiter.

    "Wir müssen auf die Tube drücken", fordert SPD-Politiker Michael Roth

    „Wir müssen auf die Tube drücken“, sagte Roth zum Thema Waffen. Denn er fürchte, dass eine russische Offensive bevorstehe, die „noch schlimmere Bilder“ von diesem Krieg erzeugen könnte. Es sei falsch zu behaupten, mit der Unterstützung der Ukraine werde Deutschland in den militärischen Konflikt hineingezogen: „Wir sind keine Kriegspartei.“

    Nach Hofreiters Informationen gibt es einen Kabinettsbeschluss, der der Lieferung von schweren Waffen entgegensteht. Dieser Beschluss müsse dringend korrigiert werden, sagte der Grünen-Politiker. Scholz sollte endlich vorangehen beim Thema schwere Waffen und dem Importstopp von Kohle ab August und für Öl Ende des Jahres.

    Strack-Zimmermann berichtete, dass eine Distanz zu Beginn der Gespräche später einer „wärmenden, freundschaftlichen“ Atmosphäre gewichen sei. Immer sei der „ungebrochene Wille“ spürbar gewesen, sich mit aller Macht gegen den russischen Angriff zur Wehr zu setzen.

    Die Nachricht, dass Bundespräsident Steinmeier in der Ukraine unerwünscht sei, erreichte das Trio erst nach den Gesprächen mit den Parlamentariern. „Das war nicht nur ungeschickt, sondern auch unfreundlich“, kritisierte Strack-Zimmermann. Sie habe vor der Rückfahrt auch wahrgenommen, dass es in der Ukraine selber über den Umgang mit Steinmeier „Irritationen“ gegeben habe. Man dürfe aber nie vergessen, dass die Menschen dort in „einem absoluten Albtraum leben“ würden.

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