Die staatliche Absicherung gegen überschießende Energiepreise steht vor dem Aus. Das nahe Ende ist eine direkte Folge des Urteils der Verfassungsrichter zur Schuldenbremse aus der vergangenen Woche. In der Konsequenz könnte das Urteil bedeuten, dass "die Bürgerinnen und Bürger höhere Strom- und gegebenenfalls höhere Gaspreise bekommen werden", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Die Experten des Internet-Vergleichsportals Check24 haben sich angeschaut, was es für das Portemonnaie der Verbraucher bedeutet, wenn Strom- und Gaspreisbremse wegfielen. Das Ergebnis: Für die Kunden in den Grundversorgungstarifen wird es teurer, und zwar spürbar. Laut Check24 müsste ein Durchschnittshaushalt mit vier Personen in der Grundversorgung mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden Strom pro Jahr ohne die Preisbremse 136 Euro mehr bezahlen (Gesamtkosten: 2123 Euro). Außerhalb der Grundversorgung sind die Preise mittlerweile so stark gefallen, dass die Preisbremsen nicht mehr greifen. Für Strom liegt der Grenzwert bei 40 Cent je Kilowattstunde und für Gas bei zwölf Cent je Kilowattstunde.
"Bremsen wiegen Kunden und Kundinnen in falscher Sicherheit"
Bei der Gasrechnung brächte die Preisbremse nächstes Jahr dem durchschnittlichen Haushalt mit dem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden in der Grundversorgung eine Ersparnis von 327 Euro (Gesamtkosten: 2370 Euro). Die gute Nachricht für Verbraucher: Sie können aus den Tarifen der Grundversorgung in andere Tarife wechseln, die merklich günstiger sind. „Die Bremsen wiegen Kunden und Kundinnen in falscher Sicherheit, weil sie aktuell deutlich günstigere Tarife beziehen könnten“, sagte Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24.
Die Bundesregierung hatte die Absicherung der Energiepreise bis Ende März nächsten Jahres verlängert. Finanziert wird das über einen Nebenhaushalt, den sogenannten Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings entschieden, dass die derzeitige Befüllung der Sondertöpfe gegen das Grundgesetz verstößt. Betroffen ist auch der Klima- und Transformationsfonds, aus dem zum Beispiel die E-Autoprämie, die Heizungsförderung und die Ansiedlung von Chipfabriken bezahlt werden soll.
Das Karlsruher Urteil hat die Ampel-Koalition in akute Finanznöte gebracht. Die Aufstellung des Haushaltes für das nächste Jahr ist massiv erschwert, die juristische Entscheidung könnte sogar Auswirkungen auf das laufende Jahr haben. Der Bundesrechnungshof ist alarmiert. „Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hält der Bundesrechnungshof sowohl den Haushalt 2023 als auch den Regierungsentwurf für den Haushalt 2024 in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch“, heißt es in der Analyse der Behörde für eine Expertenanhörung im Bundestag.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sorgt für neuen Knatsch in der Ampel
Die Fachleute kommen am Dienstag in das Parlament, um dem Haushaltsausschuss die Folgen der neuen Rechtslage zu erläutern. Schon am Donnerstag soll dann eigentlich der Etat für 2024 weitgehend festgezurrt werden.
Wie das gelingen soll, steht in Berlin aber noch in den Sternen. Wegen der fehlenden Milliarden ist in der Ampel-Koalition ein weiteres Mal Streit ausgebrochen. Die FDP will beim Sozialen streichen, SPD und Grüne halten dagegen. „Wer eilig Sozialkürzungen fordert, vergisst, worauf Deutschlands Stärke fußt: auf dem Ausgleich von wirtschaftlichem Erfolg, Klimaschutz und sozialem Zusammenhalt“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, unserer Redaktion. Das Regierungsbündnis befinde sich in einer komplexen Lage, „niemandem nützt ein Überbietungswettbewerb an immer neuen Ideen“. Mast forderte eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen. Weil sie Verfassungsrang besitzt, sind die Hürden für eine Reform hoch.