60 Milliarden Euro sind keine Kleinigkeit - auch für ein wohlhabendes Land wie die Bundesrepublik nicht. Wie also soll die Bundesregierung die Lücke schließen, die das Urteil des Verfassungsgerichtes gerissen hat? Wir haben Experten gefragt, wo sie sparen oder dem Staat neue Einnahmequellen erschließen würden.
- Bürgergeld: Es soll um zwölf Prozent angehoben werden. Mehrkosten: 4,3 Milliarden Euro. "Hier wäre aufgrund des hohen Volumens nach Einsparpotenzialen zu suchen, auch um mögliche Fehlanreize zu heilen." findet der Hamburger Wirtschaftsprofessor Dirk Meyer. Konkret schlägt er vor, Ukraine-Flüchtlinge wie Asylbewerber zu behandeln, anstatt ihnen vom ersten Tag an Bürgergeld zu zahlen. Bei 700.000 Ukrainern im Bürgergeld und einer Differenz von knapp 100 Euro pro Kopf im Monat würde das den Sozialetat um fast 700 Millionen Euro im Jahr entlasten.
- Kindergrundsicherung: Sie soll vor allem Kinder von Geringverdienen besser absichern als das bisherige System aus Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag. Eine Verschiebung der auch in der Koalition umstrittenen Reform brächte nach Meyers Berechnungen für den Haushaltsausschuss des Bundestages eine Entlastung von 3,5 Milliarden Euro im Jahr.
- Ukraine-Hilfen: Die zusätzlichen vier Milliarden Euro, die die Bundesregierung der Ukraine für das kommende Jahr versprochen hat, könnten zumindest teilweise aus einem Sondertopf der EU finanziert werden. "Deutschland hat diese Möglichkeit bisher überaus zurückhaltend genutzt", kritisiert Meyer, obwohl es auch selbst in diesen Fonds rund drei Milliarden Euro eingezahlt habe bzw. noch einzahlen werde. Kurz: "Eine Milliarde Euro sollte hier zu holen sein."
- Handwerkerrechnungen: Sie sind im Moment innerhalb bestimmter Grenzen von der Steuer absetzbar. Fiele dieser Steuernachlass weg, würde der Bund nach Meyers Zahlen etwa 900 Millionen Euro mehr im Jahr einnehmen.
- Personalkosten: "Die Bundesverwaltung hat unter der Ampel mit 300.000 Beschäftigten eine Rekordgröße erreicht", kritisiert Rainer Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler. "Allein in den Ministerien sind inzwischen mehr als 30.000 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Einstellungsstopp würde aktuell zwar keine Kosten sparen, aber höhere Folgekosten in der Zukunft verhindern.
- Bundesverwaltung: 24 Milliarden Euro verschlingt die Verwaltung des Bundes jedes Jahr, das ist nach Auskunft des Bundes der Steuerzahler fast doppelt so viel wie 2015. Weniger Bürokratie bedeutet auch weniger Kosten - nach Einschätzung des Verbandes lassen sich so fünf Milliarden Euro jährlich sparen.
- Bundestag: 1,2 Milliarden Euro kostet der Bundestag mit seinen mehr als 700 Abgeordneten den Steuerzahler pro Jahr. Holznagel plädiert, ohne konkrete Einsparsummen zu nennen, für eine Verkleinerung auf 500 Abgeordnete.
- Prestigebauten: Der Bund denke in seinen eigenen Belangen immer zu groß, moniert der Steuerzahlerpräsident. Er fordert einen Stopp aller Planungen für die Erweiterung des Kanzleramtes, das neue Bundespräsidialamt und teurer Erweiterungsbauten für den Bundestag. "Hier lassen sich Milliarden einsparen."
- Rente mit 63: Nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge in Rente zu gehen, ist für viele Beschäftigte ein erstrebenswertes Ziel, belastet die Rentenkassen aber stark. Eine Abschaffung der Regelung brächte nach Berechnungen der Eichstätter Ökonomieprofessorin Dominika Langenmayr etwa zwei Milliarden Euro jährlich. " Hinzu kämen noch höhere Entlastungen für Beitragszahler."
- Klimaschutz: Bis zu neun Milliarden Euro könnte der Bund nach Langenmayrs Worten gewinnen, wenn er die Förderung nach dem Heizungsgesetz kürzt und den Klimaschutz stärker über den CO2-Preis regelt. "Der CO2-Ausstoß beim Heizen mit fossiler Energie unterliegt ab 2027 dem EU-Emissionshandel. Dann ist hier mit deutlich höheren Preisen zu rechnen. " So könne von alleine ein Anreiz entstehen, auch ohne die teuren Subventionen, die das Heizungsgesetz vorsieht, auf eine klimafreundliche Heizung umzustellen. Staatliche Hilfe, so Langenmayr, sei nur in Härtefällen notwendig. Streichen würde sie überdies die Zuschüsse für energieintensive Unternehmen von rund einer Milliarde Euro.
- Investitionshilfen: Mit fast zehn Milliarden Euro will der Bund die neue Chip-Fabrik des amerikanischen Konzerns Intel in Magdeburg fördern - nach Ansicht von Wirtschaftsforscherin Langenmayr ein Fehler. Sie plädiert für eine deutliche Kürzung der Investitionshilfe. "Bei den Subventionen für Intel halte ich den Nutzen im Vergleich zu den immensen Kosten für gering ", sagt sie. "Sie belaufen sich auf ungefähr eine Million Euro pro Arbeitsplatz."