Russland will den Nato-Staat Türkei enger an sich binden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte dem russischen Staatschef Wladimir Putin bei einem Gipfeltreffen im russischen Schwarzmeer-Badeort Sotschi nach Angaben des Kremls zu, russische Erdgaslieferungen künftig teilweise in Rubel zu bezahlen. Erdogan scheiterte bei der vierstündigen Begegnung mit Putin in Sotschi mit seinen Hauptanliegen, einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg zu organisieren und Putin zur Zustimmung zu einer türkischen Militärintervention in Syrien zu bewegen. Ein Überblick über die wichtigsten Themen des Gipfels.
Wirtschaftsbeziehungen: Der russische Vizepremier Alexander Novak sagte nach dem Gipfel, Erdogan und Putin hätten Entscheidungen getroffen, mit denen die russisch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen auf eine neue Ebene gebracht würden. In der Schlusserklärung des Gipfels hieß es, die Beziehungen sollten in den Bereichen Energie, Verkehr, Handel, Landwirtschaft, Industrie, Finanzwirtschaft, Tourismus und Bauindustrie ausgebaut werden. Russland will die Türkei nach einem Bericht der Washington Post als Mittelsmann bei der Umgehung der Sanktionen einsetzen. Demnach soll Ankara russischen Investitionen im türkischen Öl- und Bankensektor zustimmen. Die krisengeplagte türkische Wirtschaft kann Investitionen gut gebrauchen, würde sich mit der Einwilligung aber ebenfalls westlichen Sanktionen aussetzen.
Dass die Türkei keine Sanktionen gegen Russland verhängt hat, gefällt Putin
Putin lobte die Türkei, die anders als europäische Länder keine Sanktionen gegen Russland erlassen hat. Die Europäer sollten der Türkei dankbar dafür sein, dass russisches Erdgas weiterhin störungsfrei in Pipelines über die Türkei nach Europa gelange, sagte er. Die Türkei bezieht fast die Hälfte ihres Gasbedarfs aus Russland.
Ukraine-Krieg: Aufbauend auf dem Erfolg des Istanbuler Getreide-Abkommens wollte Erdogan den Deal zu einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg ausbauen. Im Rahmen des Getreide-Abkommens haben nach der reibungslosen Fahrt des ersten Frachters zu Wochenbeginn inzwischen drei weitere Schiffe mit Getreide in ukrainischen Schiffen abgelegt. Außerdem wurde in Istanbul ein Frachter inspiziert, der in Richtung Ukraine unterwegs ist, um Ladung aufzunehmen; Russland besteht auf die Kontrollen, um Waffenlieferungen an die Ukraine per Schiff auszuschließen. Die ukrainische Regierung schlägt vor, die Regelung für die Getreidelieferungen auf andere Güter wie Metallerzeugnisse und Eisenerz auszudehnen.
Der Kreml erklärte dazu vor dem Treffen von Erdogan und Putin, eine solche Ausweitung sei nur denkbar, wenn westliche Sanktionen gegen russische Metall-Exporte abgeschafft würden. Bisher zeigt Russland aber kein Interesse an einer Feuerpause. Auch in der gemeinsamen Schlusserklärung des Gipfels war davon keine Rede. Der russische Wunsch nach türkischen Kampfdrohnen, den Putin im Juli angesprochen hatte, wurde nicht erwähnt.
Syrien-Konflikt: Ein weiteres Hauptthema des Gipfels war der Konflikt in Syrien. Erdogan droht seit Monaten mit einer neuen Militärintervention im Nachbarland, um die kurdische Miliz YPG aus dem Grenzgebiet zu vertreiben. Ankara sieht die YPG, einen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), als Terrororganisation und als Bedrohung der Türkei. Mit der Einwilligung Russlands, das als Beschützer von Staatschef Baschar al-Assad die wichtigste Militärmacht in Syrien ist, hatte Erdogan seine Armee in den vergangenen Jahren bereits mehrmals im Norden Syriens einmarschieren lassen. Bei seinem letzten Treffen mit Putin am 19. Juli in Teheran hatte Erdogan kein grünes Licht vom Kremlchef erhalten. Der Iran, Assads zweiter internationaler Partner, lehnt eine türkische Intervention ebenfalls ab.
In Sotschi blieb Putin offenbar bei seinem Nein. Die russisch-türkische Schlusserklärung betonte lediglich die Entschlossenheit beider Seiten, „in enger Koordination miteinander“ gegen alle Terrorgruppen zu kämpfen; Russland erkennt weder die PKK noch die YPG als Terrororganisationen an. Putins Sprecher Dmitry Peskow hatte vor dem Gipfel gesagt, die Türkei habe zwar legitime Sicherheitsbedenken wegen der Lage im nordsyrischen YPG-Gebiet. Aber eine „Destabilisierung der Situation in Syrien“ müsse vermieden werden.
Erdogans Regierung betont, sie sei in Syrien nicht auf das Einverständnis anderer Mächte angewiesen. Ohne Erlaubnis oder zumindest Duldung durch Moskau wäre ein türkischer Einmarsch aber schwer vorstellbar. Zudem hat Assads Armee in Erwartung der türkischen Intervention zusätzliche Truppen bei Manbidsch stationiert. Auch russische Soldaten sind nach Medienberichten dort im Einsatz.