Nancy Faeser wirkt aufgeräumt an diesem Mittwochmittag, geradezu zufrieden. Das ist selten in diesen Tagen in Berlin, wo beinahe jedes Vorhaben zur politischen Selbstzerfleischung führt. Doch der Bundesinnenministerin ist es gelungen, trotz Gegenwindes eines der zentralsten Projekte der Bundesregierung über die Ziellinie zu bringen. Im Kabinett wurde an diesem Tag die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes beschlossen. Für Zuwanderer wird es künftig nicht nur einfacher, einen deutschen Pass zu bekommen, sie haben auch verstärkt die Möglichkeit, mehrere Staatsangehörigkeiten zu besitzen.
„Endlich, es ist allerhöchste Zeit“, sagt Faeser. Ihr Vorhaben gehöre zudem zu den „wichtigsten Reformprojekten“ der Bundesregierung. „Dieser Fortschritt wäre in einer früheren Regierung mit der Union nicht möglich gewesen“, betonte sie. Mit der Reform sollen aber nicht nur die Hürden für einen deutschen Pass abgesenkt werden, sie soll auch Anreiz für eine schnellere und bessere Integration von Zuwanderern sein. Denn die deutsche Staatsbürgerschaft ist an Bedingungen geknüpft.
Nancy Faeser führt gleichzeitig Wahlkampf in Hessen
Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist nicht die einzige Herkules-Aufgabe, der sich die Sozialdemokratin in diesen Tagen stellen muss. Am 8. Oktober wählt nicht nur Bayern einen neuen Landtag, sondern auch Hessen. Faeser will Ministerpräsidentin werden, die jahrzehntelange CDU-Regentschaft aufbrechen. Viele hatten befürchtet, dass ihr die Doppelrolle aus Wahlkämpfern und Bundesinnenministerin schaden würde. Norbert Röttgen galt als mahnendes Beispiel. Der CDU-Mann wollte 2012 Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden, obwohl er auf Bundesebene das Amt des Umweltministers hatte. Am Ende hatte er keinen der Posten mehr.
Dass Faeser gut sechs Wochen vor der Landtagswahl ein Gesetz ausgerechnet zum Thema Zuwanderung einbringt, ist für die Ministerin Chance und Risiko zugleich. Wie schnell man sich politisch Verstolpern kann, merkte sie erst jüngst, als sie Clan-Mitglieder abschieben wollte, auch wenn die selbst keine Straftat begangen hatten. Auch über das neue Staatsbürgerschaftsrecht wurde kontrovers diskutiert. Von den einen wird kritisiert, dass sie noch mehr Migranten nach Deutschland lockt. Von den anderen wird kritisiert, weil ihnen die Liberalisierung noch immer nicht weit genug geht. Doch fürchten, dass das Gesetz noch verhindert wird, muss Faeser ohnehin nicht. Das Vorhaben ist nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Nach dem Beschluss im Kabinett wird das Gesetz an den Bundestag weitergeleitet. Wenn das Parlament zustimmt, kann es in Kraft treten. Faeser sagte, im Idealfall könne das im Januar sein.
Gut Integrierte erhalten den deutschen Pass deutlich schneller
Dann wird es so kommen, wie es die Bundesregierung beschlossen hat: Zuwanderer können künftig nach fünf statt nach bisher acht Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Wer sich ehrenamtlich engagiert, gute Sprachkenntnisse hat und vom eigenen Job lebt, kann sogar bereits nach drei Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Schwerer hat es, wer Sozialleistungen bezieht. Eine maßgebliche Voraussetzung für den deutschen Pass ist zudem das Bekenntnis zur Demokratie und den Werten des Landes. Ausdrücklich ausgeschlossen wird der deutsche Pass daher für Menschen, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben.
Einfacher wird es zudem für alle, die mehrere Staatsangehörigkeiten wollen. Wer einen deutschen Pass bekommt, muss die ursprüngliche Staatsangehörigkeit künftig nicht mehr automatisch aufgeben. Auch Kinder, die in Deutschland geboren sind, werden künftig Deutsche, wenn ihre Eltern seit fünf Jahren hier leben (vorher: acht Jahre) und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht haben. Ganz gezielt in den Blick genommen wird zudem die Gastarbeiter-Generation, die in den 60er Jahren nach Westdeutschland gekommen ist. Bei ihnen soll auf schriftliche Deutsch-Prüfungen verzichtet werden.
Antrag auf Staatsangehörigkeit: Wartezeiten in den Behörden sind lang
Aktuell haben nach Zahlen aus dem Innenministerium etwa 14 Prozent der Menschen in Deutschland keinen deutschen Pass, etwas mehr als zwölf Millionen. Darunter seien auch rund 5,3 Millionen, die bereits seit mindestens zehn Jahren hier leben. Im vergangenen Jahr beantragten rund 168.500 Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit - und damit laut Innenministerium gerade einmal 3,1 Prozent der Ausländer, die seit mindestens zehn Jahren hier leben.
Doch selbst wenn die Zahl der Anträge nach der Reform steigen dürfte, könnten Migrantinnen und Migranten enttäuscht werden: Aktuell sind die Wartezeiten in den Behörden lang, kommen weitere Antragsteller hinzu, dürften sie noch anwachsen.