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Spitzenkandidat von CDU und CSU: Zweifel an Friedrich Merz

Analyse

Alles könnte so schön sein: Doch leise Zweifel an Merz bleiben

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    Friedrich Merz formuliert Ziele für seine Partei zur Bundestagswahl 2025. (Archivbild)
    Friedrich Merz formuliert Ziele für seine Partei zur Bundestagswahl 2025. (Archivbild) Foto: Jan Woitas, dpa

    Handelt es sich lediglich um eine Sommerloch-Petitesse, oder steckt mehr dahinter? In Hamburg ist Marcus Weinberg nach 38 Jahren aus der CDU ausgetreten. Er war keine ganz große Nummer im Parteigefüge. Aber die Berliner CDU-Zentrale analysiert in diesen Tagen das Geschehen besonders aufmerksam. Weinberg war immerhin Spitzenkandidat der Hamburger CDU, er saß viele Jahre im Bundestag. Aufhorchen lässt insbesondere seine Begründung für die Fahnenflucht. Das sei nicht mehr seine Partei, ließ er im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt durchblicken. Er erhob den Vorwurf, die CDU setze zu sehr „auf Populismus und Polarisierung“. Das Konrad-Adenauer-Haus mit seinem Chef Friedrich Merz hofft gerade sehr, dass aus der kleinen Welle kein Sturm wird. Wenige Wochen vor der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur will die Partei geeint erscheinen, Unruhe kann sie überhaupt nicht gebrauchen.

    Viele in der CDU haben noch gut in Erinnerung, was Störenfriede anrichten können. Die pro-konservative Werteunion etwa torpedierte den Kurs von Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über viele Jahre und sorgte für erhebliche Unruhe in der Partei. Weinberg ist nicht der Typ Brandstifter vom Schlage eines Hans-Georg Maaßen, der heute der eigenständigen Kleinpartei Werteunion vorsteht. Seine Argumentation jedoch dürfte bei nicht wenigen Christdemokraten verfangen. Dass CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann provozierende Zuspitzungen seines Chefs Merz, wie dessen Bemerkungen über kleine muslimische „Paschas“ und „Sozialtouristen“, um eine Attacke gegen arbeitsunwillige Bürgergeld-Empfänger ergänzte, kommt längst nicht überall gut an. Eine Frau aus der CDU-Spitze, die ungenannt bleiben will, klagt: „Der Carsten weiß genau, dass seine Forderung gegen jede Rechtsprechung verstößt. Und trotzdem sagt er’s“. Genau dies sei „eigentlich nicht der Stil unserer Partei“.

    Ausrichtung der CDU unter Friedrich Merz: Anleihen bei der AfD?

    Merz hat seiner CDU einen Neustart, eine Neuausrichtung versprochen. Soll diese tatsächlich darin bestehen, sich an die Stammtische anzubiedern und AfD-Positionen zu kopieren? Politik, sagt ein Präsidiumsmitglied, dürfe dem Volk nicht nach dem Mund reden, sondern müsse mutig sein und gestalten wollen. Blickt man auf die Umfragen, dann ist die Bilanz von Merz zwiespältig. Die Union steht einerseits unangefochten auf Platz eins der Umfragen und ist mit 30 Prozent allein so stark wie die drei Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP zusammen. Der Vorsitzende kann außerdem auf das neue CDU-Grundsatzprogramm verweisen. Das lag allerdings zu großen Teilen bereits vor, als Merz Parteichef wurde.

    Der Sauerländer ist andererseits trotz aller Unzufriedenheit mit dem Kanzler keine sonderlich populäre Alternative zu Olaf Scholz. Gäbe es eine Kanzler-Direktwahl, kämen beide laut dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer auf magere 27 Prozent - und fast die Hälfte (46 Prozent) der Menschen würde keinen von beiden wählen.

    Union will neues Gerangel um Position des Spitzenkandidaten vermeiden

    Große Volkspartei einzuhegen, ist naturgemäß nicht einfach. „Wir haben mehr Themen abzubilden als eine kleine Partei“, sagt Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei. Der CDU-Politiker kennt seine Fraktion bestens, stammt aus dem großen Landesverband Baden-Württemberg und hält die Stimmung in seiner Partei für „sehr gut und sehr gefestigt“. Weinbergs Austritt nimmt er mit den Worten hin, dass man Reisende nicht aufhalten solle. Dessen Begründung allerdings weist Frei zurück: „Da hat er überzogen, das ist falsch.“ Populistisch und polarisierend sei die CDU nicht.

    Thorsten Frei (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
    Thorsten Frei (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

    Die letzte Bundestagswahl ging für die Union auch wegen des unwürdigen Gezerres um die Spitzenkandidatur verloren. Das soll CDU und CSU nicht noch einmal passieren. Bereits in wenigen Wochen – nach den beiden Landtagswahlen im September – wollen Merz und CSU-Chef Markus Söder ausmachen, wer Kanzlerkandidat der Union wird. Frei besteht darauf, dass die „wesentlichen Akteure der Partei, dazu gehören auch die Landesparteivorsitzenden, in einer geeigneten Weise“ in die Entscheidung einbezogen werden. Sollte Merz es machen, dürfte das unproblematisch sein. Sollte dieser aber überraschend zurückziehen und Söder den Platz überlassen, wäre an der Basis mit heftigen Debatten zu rechnen. Die CDU hat nicht vergessen, wie Söder die Kampagne ihres Kanzlerkandidaten Armin Laschet torpedierte. Ein Selbstläufer wäre der Bayer nicht.

    Spitzenpolitiker der CDU drängen deshalb auf die Einhaltung des Zeitplans. Es gebe „keinen Grund, es weiter hinauszuzögern“, sagt etwa Thorsten Frei. Das hat praktische Gründe, ein Wahlkampf muss schließlich vorbereitet werden. Vor allem aber wächst mit zunehmender Anspannung die Gefahr, dass Querschüsse wie jetzt von Marcus Weinberg keine Einzelfälle bleiben.

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