Es ist eine politische Schlammschlacht, wie sie Spanien lange nicht mehr erlebt hat. Gekämpft wird mit Beleidigungen, Lügen und persönlichen Angriffen unterhalb der Gürtellinie. Die tiefen Gräben spalten längst auch die spanische Gesellschaft. Gegenüber stehen sich zwei verfeindete politische Blöcke, die der jeweils anderen Seite vorwerfen, das Land in die Katastrophe zu steuern. Es geht um links oder rechts. Es geht um die Zukunft der Regierung des Sozialdemokraten Pedro Sánchez, 51, die seit fünf Jahren auf einen soliden Wirtschaftskurs und gesellschaftliche Reformen setzt. Und es geht um den steilen Aufstieg seines konservativen Widersachers Alberto Núñez Feijóo, 61, des Chefs der christdemokratischen Volkspartei, der gemeinsam mit der europaskeptischen und reformfeindlichen Rechtspartei Vox die Macht im Land übernehmen will.
Am 23. Juli steht das Finale dieses Politkrimis an: Dann müssen die Spanier über eine neue Regierung abstimmen. Dabei könnte schon der Termin den Ausgang der Wahl beeinflussen. Viele Bürgerinnen und Bürger sind zu dieser Zeit am Strand. Der Ärger darüber, dass Premier Sánchez die Parlamentswahl vorgezogen und mitten in die Urlaubszeit gelegt hat, ist entsprechend groß. „Er wollte uns die Ferien versauen“, schimpft die konservative Politikerin Marta Rivera de la Cruz.
Alberto Núñez Feijóo liegt in den Umfragen vorn
Der konservative Spitzenmann Feijóo, der den Bürgern Steuersenkungen verspricht, liegt in allen Umfragen vorn – allerdings ohne eine absolute Mehrheit. Nach den Werten, die von Spaniens öffentlichem Rundfunksender RTVE aus allen Meinungsumfragen errechnet werden, kann Feijóo derzeit mit 34 Prozent rechnen. Sánchez kommt auf 28 Prozent. Für Feijóo bietet sich als Koalitionspartner nur die Rechtspartei Vox an. Diese liegt laut RTVE-Stimmungsbarometer bei 13 Prozent. In vielen Rathäusern und mehreren spanischen Regionen regieren Konservative und Vox bereits gemeinsam. Eine rote Linie wie in Deutschland, wo die CDU eine Zusammenarbeit mit der rechten AfD ablehnt, gibt es in Spanien nicht.
Die Rechtspartei gilt als europaskeptisch, will den Einfluss der EU auf die nationale Politik beschneiden und lehnt den europäischen Asylpakt ab. Vox-Chef Santiago Abascal leugnet zudem den Klimawandel, er will aus den Klimaabkommen aussteigen. Die Rechtspopulisten wollen außerdem Spaniens liberales Abtreibungsgesetz und die weit fortgeschrittenen Gleichstellungsregeln für Frauen sowie LGBTQ-Menschen kippen. Macho-Gewalt gegen Frauen existiert nach Meinung der Rechtsnationalen nicht.
Auch Sánchez braucht Koalitionspartner aus dem linken Lager
Für den Griff nach der Macht ist Feijóo offenbar bereit, all diese Kröten zu schlucken. Er verteidigt die in Stadt- und Regionalparlamenten geschlossenen Koalitionen mit Vox so: „Überall dort, wo die Stimmen von Vox notwendig sind, ist es logisch, dass Vox auch in der Regierung sitzt.“ Sánchez hofft hingegen, dass ihm die Sorge mancher Bürger vor einem Rechtsruck zugutekomme: „Eine Regierung aus Volkspartei und der rechtsextremen Vox-Partei wäre ein schlimmer Rückschritt für das Land“, sagt er.
Aber auch der Sozialdemokrat müsste sich im Falle einer Regierungsbildung auf ein schwieriges Machtbündnis stützen. Ein Bündnis, das von Feijóo auf den Namen „Regierung Frankenstein“ getauft wurde. Sánchez, der seit fünf Jahren als Ministerpräsident im Amt ist, bräuchte zum Regieren die Hilfe der neuen linken Wahlliste Sumar (Summieren). In ihr vereinen sich 15 Parteien, darunter Sánchez‘ bisheriger Juniorpartner Podemos (Wir können). Diese Allianz könnte laut RTVE-Wahlbarometer auf 12,7 Prozent kommen. Zudem kann Sánchez vermutlich wie bisher auf die Stimmen der einflussreichen Unabhängigkeitsparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien zählen. Sie können unter Sánchez eher auf Zugeständnisse hoffen. Dessen Dialogpolitik trug in den vergangenen Jahren vor allem in Katalonien zur Entschärfung des Unabhängigkeitskonfliktes bei.
Allerdings gingen Sánchez’ Zugeständnisse, wie etwa die Begnadigung verurteilter Separatistenführer, vielen Spaniern zu weit. Die Konservativen warfen Sánchez vor, mit seinem Entgegenkommen die Einheit der Nation zu gefährden. Auch die Zusammenarbeit mit seinem bisherigen linken Koalitionspartner Podemos endete im tiefen Streit und kostete Wählersympathien. Dies zeigte sich Ende Mai, als Sánchez‘ Sozialdemokraten die Kommunal- und Regionalwahlen deutlich verloren. In einer Flucht nach vorn zog Sánchez daraufhin die Parlaments- und Regierungswahlen um ein halbes Jahr vor.