1,5 Millionen kleine Renten will die SPD aufstocken lassen. Es ist das zentrale Projekt der Sozialdemokraten in diesem Jahr und es wackelt gewaltig. Es sieht nicht gut aus für die Grundrente. Denn erstens fehlt das Geld zur Gegenfinanzierung und zweitens hält die Verwaltung das Vorhaben für schlicht nicht umsetzbar.
Um die veranschlagten Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro aufzubringen, will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Steuer auf den Kauf und Verkauf von Wertpapieren einführen. Er bekommt dafür vom Koalitionspartner CDU/CSU aber nur die Zustimmung, wenn die Abgabe auch in anderen EU-Ländern erhoben wird. Die nötige Koalition von neun Staaten bröckelt. Österreich erklärte, dass der Scholz-Entwurf in seiner derzeitigen Form in Wien keine Chance habe. Damit geht das anhaltende Hickhack um die Börsensteuer in die nächste Runde. „Einen nationalen Alleingang wird es nicht geben. Wenn Olaf Scholz eine europäische Lösung nicht erreicht, muss er die Finanzierung hiervon unabhängig sicherstellen“, sagte der stellvertretende Fraktionschef Andreas Jung (CDU) unserer Redaktion.
Rentenversicherung schickt bösen Brief an Hubertus Heil
Viel schlimmer für die Genossen ist aber der böse Brief, den die Deutsche Rentenversicherung Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) geschickt hat. Er ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Die geplante Auszahlung ab Januar 2021 sei nicht einzuhalten. Denn Rentenversicherung und Finanzämter sollen sich austauschen, ob Rentner mit kleinen Bezügen nicht über große Vermögen, zum Beispiel Immobilien oder Aktien, verfügen und keinen Zuschlag brauchen. Der für diese Prüfung geplante Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern lasse sich bis 2021 nicht aufbauen, warnen die Fachleute den Arbeitsminister. Ein Grund: Das dafür nötige Personal sei kurzfristig nicht verfügbar.
Weitere Stellen schaffen müssten auch die Finanzämter, für die aber die Länder zuständig sind. Ob zum Beispiel unionsgeführte Länder mehr Geld für eine SPD-Idee ausgeben wollen, die ihnen finanziell nichts bringt, gilt als fraglich. „Die Lösung der Personalfragen kann nicht auf das Parlament abgeschoben werden. Das gilt auch für den erhöhten Personalbedarf bei den Finanzämtern“, mahnte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. So könne die Union Heils Gesetzentwurf derzeit nicht zustimmen.
Grundrente in Gefahr: Ein Viertel der Ausgaben nur für Verwaltung
Die Rentenversicherung kritisiert auch den immensen bürokratischen Aufwand, den sie mit 25 Prozent der Gesamtsumme der Grundrente beziffert. Das wären mehrere 100 Millionen Euro pro Jahr. Das Vorhaben stelle eine „noch nie da gewesene Zäsur“ dar, die Umsetzung würde die Rentenversicherung „außerordentlich stark belasten“. Für die SPD ist die Lage höchst unerfreulich, weil sie die Schuld für die drohende Pleite nicht CDU und CSU in die Schuhe schieben kann. Es sind eigene Fehleinschätzungen darüber, wie sich Börsensteuer und Verwaltung der Grundrente umsetzen lassen. Die SPD-Minister Scholz und Heil geben sich dennoch demonstrativ zuversichtlich, dass die Schwierigkeiten gemeistert werden.
Die Grundrente sollen Menschen bekommen, die mindestens 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, die aber Renten unterhalb der Grundsicherung bekommen, weil sie wenig verdient haben. Bisher müssen sie zum Sozialamt gehen und können dann auf das Niveau der Grundsicherung von 800 Euro pro Monat aufstocken. Ursprünglich war geplant, die Grundrente erst ab 35 Beitragsjahren zu zahlen. Heil kürzte überraschend zwei Jahre. Verschiedene Beispielrechnungen des Arbeitsministeriums und von Gewerkschaften zeigen, dass betroffene Rentner durch die Grundrente monatlich zwischen 900 und 1000 Euro bekämen. Die Union warnt davor, dass dadurch nicht andere Rentner benachteiligt werden dürfen. „Durch die Aufstockung mit der Grundrente darf es deshalb auf keinen Fall Überholvorgänge geben“, sagte Fraktionsvize Jung.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von unserem Autor Joachim Bomhard:
So wird es nichts mit der Grundrente
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