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Soziales: Zahlen Rentner bald weniger Steuern?

Soziales

Zahlen Rentner bald weniger Steuern?

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    Zwei Rentner genießen die Aussicht auf einen See: Rente mit 63 ist weiter voll im Trend.
    Zwei Rentner genießen die Aussicht auf einen See: Rente mit 63 ist weiter voll im Trend. Foto: Jan Woitas, dpa

    Mehr als 40 Milliarden Euro zahlen Deutschlands Rentner jedes Jahr an Einkommenssteuer. Der Verdacht, dass der Fiskus zumindest bei einem Teil von ihnen zu kräftig zulangt, hat der Bundesfinanzhof jetzt zwar in zwei sehr speziellen Einzelfällen zurückgewiesen. Künftige Rentner allerdings könnten nach Einschätzung des höchsten deutschen Finanzgerichtes sehr wohl in eine verfassungswidrige Steuerfalle tappen. Wenn die Bundesregierung die gängige Praxis nicht ändert, droht den Finanzämtern eine Flut an Einsprüchen.

    Renten werden nach einem sehr komplizierten Verfahren besteuert. Worum geht es genau?

    Seit dem Jahr 2005 werden die Renten zu einem immer höheren Teil besteuert, während gleichzeitig die Beiträge zur Rentenversicherung, zur Altersvorsorge Schritt für Schritt von der Steuer befreit werden. Wer beispielsweise 2005 in Rente gegangen ist, muss nur die Hälfte seiner Rente versteuern. Wer dieses Jahr in Rente geht, zahlt bereits für gut 80 Prozent seiner Rente Steuern. Im Jahr 2040 werden die Renten dann voll besteuert. Eine doppelte Besteuerung von Renten und Beiträgen verbietet das Verfassungsgericht. Das heißt: Jeder Rentner muss mindestens so viel Rente steuerfrei erhalten, wie er zuvor an Beiträgen aus dem bereits versteuerten Einkommen eingezahlt hat.

    Der Bundesfinanzhof sieht in den Fällen, die er jetzt entschieden hat, keine Doppelbesteuerung. Was bedeutet das für andere Rentner?

    Insgesamt haben 142.000 Rentner Einspruch gegen ihre Steuerbescheide eingelegt – und jeder Einspruch muss für sich geprüft werden. Die beiden aktuellen Fälle sind nicht wirklich repräsentativ: In einem Fall haben ein ehemaliger Steuerberater aus Baden-Württemberg und seine Frau geklagt, im anderen ein früherer Zahnarzt aus Hessen und seine Frau, also nicht die klassischen Standardrentner. Im Fall des Steuerberaters ist der Finanzhof zu dem Ergebnis gekommen, dass er während seines Erwerbslebens etwa 133.000 Euro an Beiträgen zur Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen bezahlt hat, an steuerfreier Rente aber wird er über die Jahre etwa. 157.000 Euro erhalten – von einer Doppelbesteuerung kann in diesem Fall also nicht die Rede sein.

    Die Berechnung der Steuern auf die Renten ist immer noch nicht endgültig geregelt.
    Die Berechnung der Steuern auf die Renten ist immer noch nicht endgültig geregelt. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Trotzdem hat die Vorsitzende Richterin Jutta Förster Finanzverwaltung und Bundesregierung aufgefordert, die Rentenbesteuerung zu überarbeiten. Warum?

    Für die meisten heutigen Rentner sieht der Bundesfinanzhof keine Gefahr der Doppelbesteuerung – entsprechend gering dürften die Erfolgschancen vieler aktueller Klagen nun sein. Das Problem ist vor allem die nächste Rentnergeneration. Wer beispielsweise 2040 in Rente geht, also die heutigen Mitt- und Endvierziger, hat lediglich 15 Jahre lang von den steuerfreien Beiträgen zur Altersvorsorge profitiert. Gleichzeitig wird seine (oder ihre) Rente aber über 20 oder 25 Jahre voll versteuert. Hier ist die Gefahr, doppelt getroffen zu werden, deutlich größer als bei den Rentnern heute. Bei Versicherten, die selbstständig waren, ist dieses Problem besonders akut, weil sie nie einen steuerfreien Arbeitgeberanteil erhalten haben. Generell gilt dabei: Männer mit ihrer niedrigeren Lebenserwartung dürfte eine Doppelbesteuerung tendenziell eher treffen als Frauen – und Ledige wegen der geringeren Steuervorteile stärker als Verheiratete.

    Wie könnte eine mögliche Neuregelung aussehen?

    Das ist noch unklar. Die gegenwärtige Bundesregierung wird sich des Themas aller Voraussicht nach nicht mehr annehmen. Nach den Worten von Finanzstaatssekretär Rolf Bösinger will das Ministerium in der kommenden Wahlperiode mit der Reform der Einkommensteuer auch die Besteuerung der Rentenbeiträge ändern. Denkbar wäre danach, die bislang erst für 2025 vorgesehene volle Steuerbefreiung der Rentenbeiträge schon früher umzusetzen.

    Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der steuerfreie Grundfreibetrag von gegenwärtig knapp 10.000 Euro jährlich? Auf ihn zielt das Gericht ja besonders ab.

    Der Grundfreibetrag und die steuerfreien Beiträge zur Kranken- und Pflegekasse müssen nach dem Urteil des Finanzhofes bei der Berechnung des steuerfreien Rentenanteils außen vor bleiben. Sie decken das steuerfreie Existenzminimum ab – oder, wie es Gerichtspräsidentin Förster formuliert, „ein Minimum an privaten Ausgaben: Wohnen, Kleidung, Essen“. Bisher haben die Finanzämter den Grundfreibetrag in die steuerfreie Rente mit eingerechnet und so das Risiko einer Doppelbesteuerung kräftig reduziert. „Die Finanzverwaltung hat sich die Rentenbesteuerung bislang schöngerechnet“, sagt auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Rainer Holznagel. „Das geht jetzt nicht mehr.“

    Solche Reformen gehen schnell in die Milliarden. Was kommt da auf die nächsten Finanzminister zu?

    Der amtierende, Olaf Scholz, spricht vorsichtig von etwa zwei Milliarden Euro im Jahr an Steuerausfällen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft schätzt die Einbußen für den Fiskus bis ins Jahr 2040 dagegen auf 90 Milliarden Euro, das wären also mehr als vier Milliarden Euro pro Jahr.

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