Rund 52 Millionen Menschen in Deutschland sind zur Teilnahme an der Sozialwahl aufgerufen - davon erstmals 22 Millionen online. "Das ist eine Revolution im Wahlrecht", sagte der Bundesbeauftragte für die Abstimmung, der langjährige CDU-Abgeordnete Peter Weiß, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Weiß sieht die nun anstehende Sozialwahl als Modellversuch für mögliche Online-Abstimmungen auch bei anderen Wahlen.
Bei der Sozialwahl können Versicherte sowie Rentnerinnen und Rentner bis zum 31. Mai die Sozialparlamente in Deutschland bestimmen. Gewählt werden Mitglieder der Verwaltungsräte von gesetzlichen Krankenkassen sowie der Vertreterversammlungen der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherungen. Eine Online-Stimmabgabe ermöglicht wird nun bei Techniker Krankenkasse, DAK-Gesundheit, Barmer, KKH und der Handelskrankenkasse hhk.
"Das sorgt für etwas mehr Prominenz", sagte Weiß. Der Beauftragte für die Sozialwahl hofft dadurch auf eine etwas höhere Wahlbeteiligung als bei der jüngsten Sozialwahl 2017, als die Wahlbeteiligung bei etwa rund einem Drittel lag. Vor allem jüngere Wählerinnen und Wähler könnten verstärkt erreicht werden, hofft Weiß.
Diskussionen zu Online-Wahlen erwartet
Nach Ostern bekämen die Wahlberechtigten die Wahlunterlagen. Wer sich für die Online-Wahl entscheide, könne seine Identität per Versichertennummer auf der Gesundheitskarte nachweisen oder mit dem Personalausweis, sofern dessen Online-Funktion aktiviert sei, erläuterte Weiß. Ansonsten kann man einen Stimmzettel ankreuzen und in einem roten und bereits frankierten Umschlag zurückschicken.
Weiß erwartet nach einer geplanten Auswertung der Sozialwahl Diskussionen darüber, ob eine Online-Wahl auch bei anderen Wahlen eine Alternative zur Briefwahl sein könne. "Als Modellversuch bringt sie große Chancen", sagte er. Weiß nannte etwa Wahlen bei Industrie- und Handelskammern als mögliches Anwendungsfeld. Aber probeweise könnten in Zukunft auch politische Wahlen teils online ablaufen, meint Weiß. "Vielleicht fängt man einmal bei einer Kommunal- oder einer Landtagswahl an."
Insgesamt werden bei der Sozialwahl 134 Mandate vergeben. Gewählt werden dabei Wahllisten von Versicherten, die Kandidaten kommen etwa von Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen, es gibt aber auch freie Listen. Ausweislich von Informationen in Mitgliederzeitschriften und im Internet setzen die Listen zum Beispiel Schwerpunkte wie mehr Long-Covid-Rehas oder weitere Digitalisierung ohne Überforderung der Versicherten. Im Juni sollen die Ergebnisse vorliegen.
Einzahlende sollen mitbestimmen
Die Geschichte der Sozialwahl reicht in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Dahinter steckt der Gedanke, dass diejenigen, die einzahlen, auch mitbestimmen sollen. Wahlberechtigt sind alle Versicherten, die Beiträge zahlen und mindestens 16 Jahre alt sind. Kritik an der Sozialwahl zielte in der Vergangenheit darauf ab, dass viele Dinge, die die gewählten Gremien entscheiden, vom Gesetzgeber weitgehend vorgegeben seien.
Die gewählten Gremien beschließen unter anderem die Haushalte ihrer Versicherungen und entscheiden damit über die Verwendung von Beitragsgeldern. Sie gestalten das Leistungsangebot etwa bei den Rehas der Rentenversicherung, entscheiden über Widersprüche gegen Verwaltungsentscheidungen oder beschließen über Bonusprogramme oder Wahltarife bei den Krankenkassen.
Weiß wies zudem auf die Frauenquote hin, die es bei der Sozialwahl 2023 erstmals gebe. Sie beträgt 40 Prozent auf den Wahllisten für die Selbstverwaltungen der Krankenkassen. Bei den anderen Zweigen der Sozialversicherung gilt die 40-Prozent-Quote als Empfehlung. (dpa)