Olaf Scholz beteuerte zum Tiktok-Debüt vor gut 100 Tagen: „Ich werde nicht tanzen.“ Versprechen eingehalten. Nicht mal in seinem erfolgreichsten Kurzvideo mit Deutschlands größtem Tiktok-Star Younes Zarou regt sich zu wummernden Bässen mehr als der Kanzlerzeh. 11,4 Millionen Leute haben dem Zeh und dem dazugehörigen SPD-Politiker dabei zugesehen, tausende Nutzerinnen und Nutzer reagierten: politische Forderungen, Rücktrittaufrufe, Zuspruch. Umgekehrt reagiert auch der Regierungschef. Tiktok-Profi Zarou etwa kommentiert mit seinem 55,6 Millionen Abonnenten starken Profil: „Leute ich Regel das: bald wieder Döner 3,50 Euro (sic)“. Olaf Scholz gefällt das.
Auf dem Tiktok-Profil von „TeamBundeskanzler“ sitzt Scholz in Jeans und Pulli im Regierungsflieger, läuft durch einen Buchladen, schüttelt gut gelaunt Hände. „Es ist gut, dass das Kanzleramt in den ersten Monaten auf Tiktok viel experimentiert hat“, sagt Politikberater Johannes Hillje, bilanziert dann allerdings: „Bei Tiktok trifft eine Emotionspräferenz der Algorithmen auf eine Emotionsaversion des Kanzlers.“
Jeder vierte Deutsche nutzt Tiktok regelmäßig
Sein Team hat sich offenbar entschieden: Scholz‘ lederne Aktentasche bietet genauso großes Unterhaltungspotential wie der Kanzler selbst. Sie seien sehr zufrieden, dass mit Scholz‘ Tiktok-Kanal „ein weiterer wichtiger Kommunikationskanal in den ersten 100 Tagen so gut angenommen wurde“, sagte ein Sprecher des Bundespresseamts unserer Redaktion auf Anfrage. Das zeige „das große Interesse und das zeigen die Reichweiten“. Und: „Der Kanzler hat sein Versprechen gehalten – es wurde nicht getanzt.“
Hillje findet, dass „fünfstellige Videoaufrufe nicht der Anspruch eines Bundeskanzlers sein“ könnten. Doch immerhin folgen 300.000 Menschen Scholz auf Tiktok, doppelt so viele wie Social- Media-Fan Markus Söder. Der CSU-Chef verteidigte seine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten auf Instagram und Tiktok jüngst im ZDF-Sommerinterview: „Dieses Berlin ist doch häufig eine Blase. Das hat doch viel gar nicht mehr mit der Realität der Menschen zu tun.“
Tiktok hingegen hat zweifelsfrei mit den Menschen zu tun. Nach Angaben des Unternehmens nutzt fast jeder vierte Deutsche Tiktok mindestens einmal im Monat. 20,9 Millionen deutsche Nutzer, die meisten zwischen 16 und 24 Jahre alt, verwenden die App auch als Informationsquelle.
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