Es war ein offenes Geheimnis, das der mittlerweile verstorbene Jewgeni Prigoschin am 26. September 2022 gelüftet hat. "Putins Koch", wie Prigoschin in Russland gerne genannt wird, hatte eingeräumt, hinter der Gruppe Wagner zu stehen. Während zu Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kaum einer bezweifelte, dass die Gruppe Wagner unter dem Befehl von Putin steht, wendete sich sein "Koch" bei einem versuchten, 24-stündigem Putsch Ende Juni 2023 gegen ihn.
In diesem Artikel beantworten wir, was hinter der Gruppe Wagner steckt und was ihre Ziele sind.
Was ist die Gruppe Wagner?
Die Gruppe Wagner trat zum ersten Mal im Jahr 2014 in Erscheinung. Die Gründung kann direkt mit dem russischen Überfall auf die ukrainische Krim und dem Konflikt im Donbass in Verbindung gebracht werden. Zur Gründung sagte Prigoschin, dass es bei der Besetzung der Gebiete im Donbass durch russische Nationalisten und prorussische Separatisten an Soldaten und Ausrüstung mangelte. Prigoschin habe daraufhin "Spezialisten" für die Wartung von Militärausrüstung angeheuert. Die Geburtsstunde der Gruppe Wagner.
Zunächst soll sie noch eine Bataillonsstärke gehabt haben, was einen Verband von 300 bis 1200 Soldaten umfasst. "Ausschließlich dank ihres Mutes war die Befreiung des Flughafens von Luhansk und vieler anderer Territorien möglich", wurde Prigoschin von seinem eigenen Catering-Unternehmen Konkord zitiert. Daher sei das Schicksal der Regionen Donezk und Luhansk auch maßgeblich von der Gruppe Wagner beeinflusst worden. Am 20. Mai meldete Prigoschin zudem die Eroberung von Bachmut durch die Söldnergruppe. Auch bei der Annexion der Krim sollen Wagner-Söldner eine Rolle gespielt haben.
In der Folge soll die paramilitärische Einheit laut Prigoschin zu einer "Säule des Vaterlandes" geworden sein. Fakt ist, dass die Gruppe Wagner immer mehr Soldaten rekrutierte, was vor allem in ärmeren Regionen Russlands geschieht, und verstärkt in Krisengebiete geschickt wurde. Wagner-Söldner wurden seit 2014 in Europa (vor allem Armenien und Belarus), in Afrika, in Südamerika und im Nahen Osten gesichtet. In Afrika ist die Gruppe Wagner im Sudan, in Mali, in Mosambik, in der Zentralafrikanischen Republik und wohl auch noch in weiteren Staaten aktiv. Zumeist werden die Söldner von den Regierungen angeheuert. Offiziell, um für Ordnung zu sorgen und die Sicherheit zu gewährleisten. 2019 soll eine Einheit der Gruppe Wagner nach Venezuela geflogen sein, um die Macht von Staatspräsident Nicolás Maduro zu erhalten. Einsatzgebiete der Söldnergruppe fanden sich außerdem in Syrien und Libyen. Der Einsatz in Syrien stellte wohl den größten der Gruppe Wagner dar. Damals wurde sie vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad rekrutiert. Die Gruppe Wagner erlitt dabei schwere Verluste.
In Afrika scheint die Gruppe Wagner neben der Ukraine besonders präsent zu sein. Beispielsweise gewann sie zuletzt in Mali an Einfluss.
Das britische Innenministerium hat Anfang September 2023 gefordert, die Söldnergruppe auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen und damit zu verbieteten.
Jewgeni Prigoschin: Wer hat die Gruppe Wagner gegründet?
Am 26. September 2023 gab sich Prigoschin als Gründer der Gruppe Wagner zu erkennen. Zuvor wurde im Zuge der Gründung der Söldnergruppe auch ein anderer Name gehandelt: Dmitri Utkin. Zu diesem später mehr. Zunächst geht es um die Frage: Wer war der mittlerweile verstorbene Prigoschin?
Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin wurde im Jahr 1961 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren. In der Stadt also, in der neun Jahre zuvor Putin geboren wurde. Wegen Raubes und weiterer Delikte wurde Prigoschin in der Sowjetunion zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Jahr 1990 wurde er freigelassen und schwang sich zum Gastronomieunternehmer auf. In der Folge bewirtete er auch Putin des Öfteren, was ihm den Beinamen "Putins Koch" verschaffte. Heute betreibt der 62-Jährige neben seinem Unternehmen Konkord das einzige private Restaurant im Kreml.
Prigoschin wurden immer wieder versteckte Propagandaaktivitäten für den Kreml nachgesagt. Sein wirtschaftlicher Erfolg soll zu großen Teilen auf der Unterstützung von Putin basieren. Schon vor dem Krieg in der Ukraine stand er auf Sanktionslisten der USA und EU. Er wurde auch mit russischen Manipulationsversuchen rund um die US-Wahlen 2016 in Verbindung gebracht. Dass Prigoschin sich nun als Gründer der Gruppe Wagner zu erkennen gab, überrascht. Immerhin hatte er zuvor die Eigentümerschaft der Gruppe Wagner mehrmals bestritten und sogar gegen Kritikerinnen und Kritiker und Journalistinnen und Journalisten geklagt.
Nach dem Aufstand war zunächst unklar, wo sich Prigoschin aufhielt. Am 23. August 2023 kam er bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben.
Name der Gruppe Wagner: Das steckt hinter der Namensgebung
Auf Propagandavideos der Gruppe Wagner ist immer wieder ein Porträt des deutschen Komponisten Richard Wagner zu sehen. Es handelte sich dabei um den Lieblingskomponisten von Adolf Hitler. Auf den Komponisten Wagner geht offenbar auch die Namensgebung der paramilitärischen Einheit zurück. Das hat insbesondere mit Oberstleutnant Dmitri Utkin zu tun.
Anführer der Gruppe Wagner: Wer ist Dmitri Utkin?
Utkin soll ein Bewunderer des Dritten Reichs und der klassischen Musik sein. Er trägt den Kampfnamen "Wagner", nach dem die Söldnergruppe benannt wurde. Er soll auf Prigoschins Befehl 2014 eine Spezialeinheit aus Veteranen als schnelle Eingreiftruppe zusammengestellt haben. Sie wurde nach dem Kampfnamen Utkins benannt, der bis heute bestehen blieb.
Utkin arbeitete zuvor für den russischen Militärgeheimdienst GRU. Er wurde 1970 in Russland geboren, wuchs aber in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik auf. Er gilt als Neonazi und hat sich ein Hakenkreuz auf die Brust tätowieren lassen. 2016 erhielt Utkin im Kreml von Putin persönlich den Tapferkeitsorden. Ein Jahr später wurde er zum Generaldirektor von Prigoschins Gastronomieunternehmen ernannt.
Einsatzgebiete der Gruppe Wagner in der Übersicht
- Ukraine
- Belarus
- Armenien
- Syrien
- Libyen
- Sudan
- Zentralafrikanische Republik
- Mali
- Mosambik
- Ägypten
- Angola
- Guinea
- Kongo
- Madagaskar
- Eritrea
- Venezuela
Gruppe Wagner: Rolle beim Krieg in der Ukraine
Die Gruppe Wagner steht derzeit im Besonderen unter Beobachtung, weil Prigoschin nach einem angeblichen Angriff der russischen Streitkräfte auf die Söldnertruppe den Aufstand probte. Prigoschin besetzte mit seiner Privatarmee zeitweise wichtige militärische Objekte in Rostow am Don im Süden Russlands. Teile der Söldnertruppen machten sich auf den Weg nach Moskau, drehten dann aber bald wieder ab. Zuvor hatte es seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine Meldungen gegeben, welche die Präsenz von Wagner-Soldaten in der Ukraine belegten. Dort haben sie Seite an Seite mit russischen Soldaten gekämpft und über eine ähnliche Ausrüstung verfügt. Prigoschin beschwerte sich immer wieder öffentlich, dass seine Söldner von den russischen Streitkräften nicht gut ausgerüstet werden.
Die Wagner-Söldner stehen zumeist an vorderster Front. Sie bilden damit sogenannte Schocktruppen, die meist mit schweren Verlusten die Vorhut bilden. Zuletzt war die Söldnergruppe vor allem beim Kampf um Bachmut aktiv. Am 20. Mai 2023 erklärte Prigoschin, dass die Wagner-Söldner die schwer umkämpfte Stadt im Osten der Ukraine eingenommen haben.
Wagner-Gruppe: Verluste in der Ukraine
Wie hoch die Verluste der Wagnersöldner in der Ukraine sind, ist nicht bekannt. Anfang April 2023 hatte Prigoschin ein Video hochgeladen, welches ihn auf einem Friedhof zeigt. Auf diesem sollen Wagner-Söldner begraben sein. Es sind zahlreiche Gräber zu sehen. "Ja, er (der Friedhof) wächst. Diejenigen, die kämpfen, sterben manchmal", sagt Prigoschin in dem Video.
Auch über Verluste der Söldnergruppe in anderen Ländern gibt es keine gesicherten Informationen.
Gruppe Wagner: Anzahl der Söldner im Überblick
Die Gruppe Wagner gab bislang keine Daten heraus, die Aufschluss über die Anzahl an Söldnern gab. Ein Investigativjournalist von Fontanka erwähnte im Sommer 2017 eine Zahl von 5000 Söldnern, die Verträge bei der Gruppe Wagner abgeschlossen hätten. Mittlerweile dürfte diese deutlich mehr Söldner beschäftigen. Ende 2022 gab der russische Ökonom Wladislaw Inosemzew an, dass die Gruppe Wagner aus etwa 37.000 Söldnern besteht. Darunter sollten sich zu dem Zeitpunkt 11.500 Kämpfer befunden haben, welche in Gefängnissen rekrutiert wurden. Im Zuge des Aufstands gegen das russische Militär sprach Prigoschin von 25.000 Söldnern.
Vorgehen der Gruppe Wagner: Kriegsverbrechen, Folter und Hinrichtungen
Das Vorgehen der Gruppe Wagner gilt als grausam, brutal und skrupellos. Videoaufnahmen aus Syrien hatten Mitglieder der Söldnergruppe Kriegsverbrechen, Folter und Hinrichtungen überführt. Ähnlich sollen die Wagner-Soldaten auch in der Ukraine vorgehen, was unter anderem durch den Bundesnachrichtendienst abgehörte Funksprüche belegen.
Die meisten Söldner sind ehemalige Soldaten des russischen Militärs. Es werden aber auch Kämpfer aus anderen Ländern rekrutiert. Außerdem greift die Wagner-Gruppe spätestens seit Juni 2022 auf die Rekrutierung von russischen Strafgefangenen zurück. In einem Video, welches im September 2022 auftauchte, hält Prigoschin eine Ansprache vor Häftlingen in der russischen Teilrepublik Mari El. Er verspricht ihnen nach sechs Monaten Amnestie und lobt die Wagner-Gruppe. Er räumte aber auch ein, dass unter den rekrutierten Häftlingen hohe Verluste zu erwarten seien. "Entweder Söldner und Häftlinge oder eure Kinder", soll Prigoschin laut seines Unternehmens in der öffentlichen Debatte um die Rekrutierung gesagt haben.
Logo der Gruppe Wagner
Es gibt mehrere Logos, die mit der Gruppe Wagner in Verbindung gebracht werden. Flaggen, welche Wagner-Söldner in der Ukraine präsentierten, legen nahe, dass das aktuelle Logo in schwarz-rot-goldener Farbe gehalten ist. In der Mitte des runden Logos befinden sich ein goldener Stern und zwei goldene Schwerter.
Gruppe Wagner: Verdienst der Söldner
Neue Mitglieder lockt die Gruppe Wagner vor allem mit einem Sold an. Wie viel die Söldner bei solch einem paramilitärischen Einsatz verdienen, konnte bislang nicht genau aufgedeckt werden. Die Moscow Times berichtete im Jahr 2017, dass der Lohn für Wagner-Soldaten bei rund 1400 US-Dollar bis 4300 US-Dollar liegen soll. Je nach Ausbildung und Dringlichkeit. Für russische Verhältnisse sind das hohe Summen, welche einige Personen in gefährliche und verwerfliche Einsätze zu locken scheint.
In der Ukraine scheinen die Söldner der Gruppe Wagner sogar noch mehr verdienen zu können. Der Tagesspiegel berichtet von einem Deutschen, der sich der Söldnergruppe Wagner angeschlossen hat. Er soll laut eigener Aussage einen Lohn von bis zu 7000 US-Dollar erhalten. (mit dpa)