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Söder in Ägypten: Bereitet sich hier einer auf seine Rolle als Nebenkanzler vor?

Ägypten-Besuch

Sphinx Söder im Land der Pharaonen

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     „Wenn wir sowas in Bayern planen würden, dann würde der Albert Füracker sagen: ,Die kleine reicht auch‘“: Markus Söder an den Pyramiden von Gizeh.
     „Wenn wir sowas in Bayern planen würden, dann würde der Albert Füracker sagen: ,Die kleine reicht auch‘“: Markus Söder an den Pyramiden von Gizeh. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Im Land der Pharaonen beginnt Markus Söders Leben danach. Das Leben nach dem geplatzten Traum von der Kanzlerschaft. Kairo, fast vier Flugstunden von München entfernt. Und man fragt sich, was um alles in der Welt ein bayerischer Ministerpräsident hier zu suchen hat, in diesem brodelnden Moloch mit seinen mehr als 20 Millionen Einwohnern?

    Eine Antwort liegt womöglich ein paar Kilometer vor den Toren der Stadt, auf der anderen Seite des Nils. Mythos Gizeh, dort wo die großen Pharaonen der alten Ägypter im Wüstensand begraben liegen. Mit dem Sonnenaufgang tauchen am Horizont die drei Pyramiden auf, Weltwunder, mehr als viereinhalb Tausend Jahre alt. Da kann selbst der bayerische Märchenkönig Ludwig II. mit seinen Schlössern einpacken. Und weil Söder ja so eine Art Polit-Influencer ist, scheint dieser Ort wie gemacht für ihn.

    Markus Söder auf Augenhöhe mit jenen antiken Herrschern, die wie Götter verehrt wurden

    Der bayerische Landesvater auf Augenhöhe mit jenen antiken Herrschern, die vom Volk verehrt wurden wie Götter. Söder weiß, wie man Bilder produziert. Die Versuchung ist einfach zu groß. „Wenn wir sowas in Bayern planen würden, dann würde der Albert Füracker sagen: ,Die kleine reicht auch‘“, scherzt er mit Blick auf die Pyramiden über seinen sparsamen Finanzminister.

    Gedankenverloren betrachtet er die Sphinx, jenes geheimnisvolle Wesen der ägyptischen Mythologie, mit dem Körper eines Löwen und dem Kopf eines Menschen, 20 Meter hoch. Ein sagenumwobenes Rätsel zu Füßen der Pyramiden. Auch Söder selbst gibt gerne Rätsel auf. Immer im Spiel bleiben, immer unberechenbar. Schafft er es dieses Mal, seinen Machtanspruch, sein Ego hintanzustellen? Oder bereitet sich hier einer schon mal auf seine Rolle als Nebenkanzler vor?

    Der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts erzählt davon, wie die Pyramiden einst gebaut wurden. Eine durchaus beeindruckende Geschichte, aber Söder scheint nicht ganz bei der Sache zu sein. Ein streunender Hund lenkt ihn ab, der in der Morgensonne vor sich hin döst.

    Markus Söder besichtigt die Pyramiden von Gizeh. Mit dabei: Kamel Valentino.
    Markus Söder besichtigt die Pyramiden von Gizeh. Mit dabei: Kamel Valentino. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Und dann sind da auch noch Casanova, Micky Maus und Valentino. Drei Kamele, die selbstverständlich rein zufällig just in dem Moment auftauchen, als Söder kurze Zeit später ein paar staatsmännische Sätze in die Kameras und Mikrofone der mitgereisten Journalisten sprechen will. „Man muss die Geschichte kennen, um die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten zu können“, sagt er vor Pyramiden-Panorama, als Valentino plötzlich damit beginnt, einem Reporter ausgiebig das Gesicht abzuschlecken. Söder bekommt einen Lachanfall, muss das Statement mehrfach abbrechen. Einer der seltenen Augenblicke, in denen er ganz er selbst ist. Ein Moment, in dem ausnahmsweise ihm, dem Meister der Selbstinszenierung, einmal die Show gestohlen wird.

    Markus Söder wird in Kairo der rote Teppich ausgerollt

    Der 57-Jährige wirkt zufrieden in diesen Stunden. In Ägypten wird ihm im wahrsten Sinne der rote Teppich ausgerollt. Ein Spalier von Soldaten am Flughafen. Eine Polizeieskorte, die den Tross mit Blaulicht durch die verstopften Straßen manövriert, auf denen die Einhaltung von Verkehrsregeln allenfalls eine nette Idee ist. Er trifft den Premier und den Außenminister. Der Krieg in Nahost ist hier ganz nah, Ägypten verbindet eine Grenze mit Israel und mit dem Gazastreifen. Bislang hat sich die Regierung von Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi, der das Land seit mehr als zehn Jahren mit harter Hand führt, weitgehend aus dem Konflikt herausgehalten. Doch wie lange wird das noch funktionieren?

    Als Franz Josef Strauß einst einsehen musste, dass es mit dem Kanzleramt nichts mehr werden wird, beschloss er, einfach seine eigene Außenpolitik zu machen. Der Regent aus Bayern hielt Hof und bereiste die Welt. Dabei legte er großen Wert darauf, im Ausland stets von der „Nummer Eins“ empfangen zu werden, Ronald Reagan in Washington, Michail Gorbatschow in Moskau, Deng Xiaoping in Peking. Dass unter seinen Gastgebern auch ein paar zwielichtige Despoten waren, kümmerte Strauß nicht. Was zählte, war der Eindruck: Wenn Bayern und die CSU im Scheinwerferlicht auf der weltpolitischen Bühne stehen, dann muss doch auch er selbst als großer Staatsmann wahrgenommen werden. Ist es das, was Söder antreibt?

    Die „Nummer Eins“ trifft er in Kairo zwar nicht, Präsident al-Sisi hat ihn eingeladen, er empfängt jedoch zeitgleich den saudischen Kronprinzen, was mit Blick auf den Nahost-Konflikt Priorität hat. Doch der Besuch aus Bayern wird hier durchaus hoch gehängt. Ägypten steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Viele wichtige Posten in Politik und Unternehmen sind mit ehemaligen Militärs besetzt, seit sich Feldmarschall al-Sisi 2013 an die Macht geputscht hat. Für die ökonomische Entwicklung ist das nicht gerade ein Vorteil, die Präsidialautokratie ist dringend auf Partner und Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Dementsprechend werden die bayerischen Gäste mit offenen Armen und Prunk empfangen.

    „Söder persönlich“ – ein Kinoprogramm, das nur einen Inhalt hat: ihn selbst

    Ein Gewerbegebiet in Kaufbeuren, ein paar Tage vorher. Das Gegenteil von Prunk. Es wird jetzt schon früh dunkel. Mit dem Regen kommt die Trostlosigkeit. Draußen vor dem Kino fallen die Tropfen auf ein Plakat, das einen sehr nachdenklichen Mann zeigt. „Söder persönlich“ steht unter dem Schwarz-Weiß-Foto im Christian-Lindner-Style. Seit zwei Jahren tourt der Ministerpräsident mit diesem Programm durch den Freistaat. Ein Programm, das nur ein Thema hat: Söder selbst.

    In der ersten Reihe wollen ein paar CSU-Honoratioren gesehen werden. Der Moderator sortiert noch schnell seine Fragen, auch wenn er weiß, dass der Hauptdarsteller sich im Prinzip selbst moderiert. Söder ist das, was man eine Rampensau nennt, einer, der alle Bühnen bespielen kann. Das Kino, so erzählt er, sei für ihn schon als Kind ein Ort gewesen, um der „Realität zu entfliehen“. Realität, das heißt für ihn heute: München statt Berlin, wieder nur zweite Reihe. Hinter CDU-Chef Friedrich Merz, den er zwar schätzt, aber eben nur für den zweitbesten Kanzlerkandidaten hält, den die Union zu bieten hat. Da kann man schonmal auf Fluchtgedanken kommen.

    Kein Zweifel: Söder fühlt sich um die Chance seines Lebens betrogen. Nicht so sehr von Merz, dem konnte er letztlich nichts anhaben. Aber dass die Union vier Jahre zuvor diesen Armin Laschet („War einfach der falsche Kandidat“) durchgedrückt hatte, nagt noch immer an ihm. Auch an diesem Abend in Kaufbeuren, als er noch einmal von jenen schicksalshaften Stunden erzählt, in denen sein Traum zum ersten Mal geplatzt war. Er könnte längst Kanzler sein.

    In Ägypten sind solche Machtfragen weit weg. Oder etwa nicht? Wer Söder in diesen Tagen begleitet, erlebt einen Mann, der beweisen will, dass er, der hemdsärmelige Franke, auch auf internationalem Terrain trittfest wäre – wenn man ihn denn nur lassen würde. In Kairo kann er gleich damit anfangen, denn anders als er selbst steht das arabisch geprägte Land keineswegs auf der Seite Israels. Söder nennt Ägypten einen „Stabilitätsanker“ in einer Region voller Instabilität. Das Land könne eine wichtige Rolle bei der Deeskalation spielen, so seine Hoffnung.

    Doch der Ministerpräsident ist nicht nur als Diplomat gekommen, er will auch Türöffner für bayerische Unternehmen sein. Mit ihm reist eine Wirtschaftsdelegation, Bayern plant mit Ägypten eine Wasserstoff-Partnerschaft. Der Freistaat will sich nicht darauf verlassen, den zukunftsträchtigen Energieträger nur aus dem Norden geliefert zu bekommen. Außerdem geht es um den Austausch von Fachkräften, und auf dem eng getakteten Programm steht auch noch ein prestigeträchtiges Siemens-Projekt – ein Hochgeschwindigkeitszug auf fast 2000 Kilometern durch die Wüste. „Suezkanal auf Schienen“, nennt der Münchner Konzern diesen größten Auftrag der Firmengeschichte.

    Der Münchner Siemens-Konzern ist Teil einer der größten Baustellen der Welt

    Bislang gibt es nur ein paar halbfertige Bahnhöfe mitten im Wüstensand, 24 Kilometer Gleise und einen Modellzug, den sich Söder jetzt anschaut. Außen ICE, innen bayerische Regionalbahn. Die Ägypter hätten es genau so haben wollen, sagt man hier. Die neue Bahnstrecke ist Teil einer der größten Baustellen der Welt. Knapp 50 Kilometer östlich von Kairo entsteht seit einigen Jahren auf unglaublichen 725 Quadratkilometern eine gigantische neue, bislang namenlose Stadt, die einmal Regierungssitz werden soll – und 2036 Austragungsort der ersten Olympischen Spiele in Afrika. Die Bewerbung läuft noch, aber das erste Stadion hat man sicherheitshalber schon mal hingestellt.

    Der Baustellenbesucher aus Bayern will Olympia vier Jahre später bekanntlich nach München holen. Es könnte eine Art Vermächtnis als Ministerpräsident werden. Ein Denkmal für Söder? Muss ja nicht immer gleich eine Pyramide sein.

    Noch ist das alles Zukunftsmusik. Beim Kinoabend in Kaufbeuren steht eher Söders Vergangenheit auf dem Programm. Der Protagonist ist ein begnadeter Anekdoten-Erzähler und schmückt seine Geschichten gerne mit selbstironischen Bemerkungen. Kommt immer gut an, wenn ein Politiker auch mal über sich selbst lachen kann. Schöne Grüße an den Kollegen Merz.

    Trotz der Fähigkeit, sich persönlich nicht immer ganz so ernst zu nehmen, wäre es naiv, zu glauben, Söder sei es nicht wichtig, was andere über ihn denken. Weil interessant ist das schon: Die Spötteleien über politische Rivalen fallen dann doch immer eine Spur bissiger aus als über ihn selbst, und wie von Geisterhand kommt er aus seinen eigenen Erzählungen meist als cleverer Stratege, als sensibler Familienmensch oder als entschlossener Macher heraus. Wenn er etwa nach den ersten Hinterzimmersitzungen in den Niederungen der Nürnberger Kommunalpolitik beschließt: „Entweder gehe ich da nie wieder hin oder ich übernehme den Laden.“ Ein Mann wie Söder entscheidet sich selbstverständlich für das Oder. Aber nun, da er den Laden längst übernommen hat und weitere Beförderungen zu den Akten gelegt wurden, was soll jetzt noch kommen? Ein letztes Kapitel als Sphinx von Bayern?

    Am Ende gibt es auch noch Nürnberger Bratwürstchen in Kairo

    In Kairo ist es Abend geworden. In der Deutschen Botschaft feiert man mit fast 1000 Gästen den Tag der Deutschen Einheit – und zwar auf bayerische Art, mit Bierfass und Oktoberfest-Ambiente. Es gibt Nürnberger Rostbratwürstchen. Heimspiel für Söder, sogar kulinarisch. Das Leben danach hat halt schon auch seine guten Seiten. Am nächsten Tag geht es zurück in den nasskalten bayerischen Herbst. Kaufbeuren, Kairo, die Karawane zieht weiter.

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    4 Kommentare
    Günter Köhler

    Da ist Herrn Stifter aber eine ganz besondere, phasenweise von süffisantem Spott durchsetzte Art der Hofberichterstattung gelungen. Gerne mehr davon.

    Rainer Kraus

    Söder tummelte sich in den letzten sechs Monaten für PR-Aufnahmen in China, Israel, Italien und im Vatikan und jetzt in Ägypten. Was will er mit den Wüstenbildern mitteilen? Kanzlerkandidatur in den Sand gesetzt oder Gottes Mühlen mahlen langsam?

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    Martin Dünzl

    Durch Wüst in die Wüste geschickt :-) ...und da darf er auch bleiben. Heiße Luft gibts da genug, da passt er gut hin.

    Rainer Kraus

    Was will Herr Söder der Welt mit den Wüstenbildern von Gizeh, dem Touristenareal bei Kairo mitteilen? Die Kanzlerkandidatur ist in den Sand gesetzt, die Karawane zieht weiter, aber mit ihm als Obermufti?

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