Mütterrente, Aktivrente, Frühstart-Rente: Bei vielen Ideen, die CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, geht es um die Alterssicherung der Bürger - und damit um den Geldbeutel vieler Menschen. Eines der zumindest bei Ökonomen umstrittensten Themen ist der Ausbau der Mütterrente. „Die Mütterrente kommt“, so hatte es CSU-Chef Markus Söder bereits gut gelaunt nach der Sondierungsrunde von SPD und Union verkündet. Es war ein Kernanliegen seiner Partei, Frauen in dieser Frage besserzustellen. Im Vertrag heißt es konkret: „Wir werden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle vollenden – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder –, um gleiche Wertschätzung und Anerkennung für alle Mütter zu gewährleisten.“
Die Finanzierung soll trotz der klammen Kassen des Bundes aus Steuermitteln erfolgen. Die Mütterrente bilde eine „gesamtgesellschaftliche Leistung“ ab. Hinzu kommt, dass der Beitragssatz der Rentenversicherung um 0,25 Prozentpunkte steigen müsste, würde die Ausweitung aus diesem Topf finanziert. Die Ausweitung der Mütterrente kostet nach Berechnungen der Rentenversicherung rund 4,45 Milliarden Euro im Jahr. Profitieren würden ihr zufolge rund 9,8 Millionen Frauen.
So werden Kindererziehungszeiten angerechnet
Hintergrund: Kindererziehungszeiten werden in Deutschland seit 1986 bei der Rente berücksichtigt, allerdings nur in sehr geringem Umfang. 2014 wurde deshalb die Mütterrente eingeführt, profitiert hat aber nur ein Teil der Frauen. Für nach 1992 geborene Kinder wurden insgesamt drei Rentenpunkte gewährt. Für Kinder, die davor geboren wurden, gab es zunächst einen Punkt. Seit 2019 sind es 2,5. Künftig soll es keine Rolle mehr spielen, ob die Kinder vor 1992 oder danach geboren wurden. Wer früher Kinder bekommen hat, kann so mit mehr Geld rechnen. Ein Rentenpunkt entspricht derzeit 39,32 Euro Rente im Monat (ab 1. Juli: 40,79 Euro).
Ein zentrales Argument für die Mütterrente ist, dass Frauen besonders häufig von Altersarmut betroffen sind. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben zwischen 1952 und 1959 geborene Männer im Alter von 60 Jahren in Westdeutschland einen Rentenanspruch von durchschnittlich 1420 Euro. Bei Frauen dieser Jahrgänge lägen die Ansprüche selbst unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten mit 890 Euro im Monat 37 Prozent niedriger. Allerdings: Ohne die Kindererziehungszeiten wäre die Lücke mit 41 Prozent nur wenig größer, hieß es. Ein anderer Effekt scheint wirkmächtiger: Weil Mütter in Ostdeutschland meist schnell wieder in Vollzeitbeschäftigungen einstiegen, sind die Rentenlücken in diesen Bundesländern deutlich kleiner.
Grimm: Reformstau wird zementiert
Deutliche Kritik an den Plänen der künftigen Regierung kommt von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. „Insgesamt verpasst der Koalitionsvertrag die Chance, die gesetzliche Rentenversicherung langfristig zukunftsfest zu machen“, sagt sie unserer Redaktion. „Stattdessen dominiert hier kurzfristige Verteilungspolitik – mit langfristigen Risiken für Beitragszahler und Bundeshaushalt.“ Die Rentenbeschlüsse würden in wesentlichen Punkten auf Kontinuität und Ausbau bestehender Leistungen setzen, ohne die langfristige Tragfähigkeit des Systems strukturell zu verbessern. „Die Beibehaltung der Rente ab 63 sowie die Ausweitung der Mütterrente stehen im Widerspruch zu den demografischen Realitäten. Damit wird ein Reformstau weiter zementiert“, warnt Grimm. „Das ist genau der Kurs, vor dem viele Ökonomen seit Jahren warnen: populär im Heute, teuer für das Morgen.“
Immerhin folgerichtig sei es, die Mütterrente über Steuern zu bezahlen und nicht über Rentenbeiträge. Denn: Die Zahlungen sind nicht durch vorher geleistete Rentenbeiträge gegenfinanziert. Vor allem die SPD bestand auf diesem Weg. „Trotzdem bleibt die Maßnahme problematisch: Sie erhöht den staatlichen Zuschuss zur Rentenversicherung und verschärft damit die Abhängigkeit der Rente vom Bundeshaushalt – auf Kosten anderer Zukunftsaufgaben wie Bildung oder Investitionen“, sagt die Ökonomin. „Der Bundeszuschuss nimmt damit einen immer größeren Teil im Bundeshaushalt ein.“
Wie gut ist die Frühstart-Rente?
Union und SPD wollen zudem das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festschreiben – auch hierfür werden Steuermittel gebraucht. Dieses Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt das Verhältnis der Rente anhand eines bestimmten Rechenwerts zum verfügbaren Durchschnittsentgelt. Ohne gesetzliche Eingriffe würde das Rentenniveau in den kommenden Jahren sinken, weil wegen der Alterung der Gesellschaft auf immer weniger Einzahlende immer mehr Rentenempfängerinnen und -empfänger kommen. Laut offiziellen Berechnungen würde es auf diese Weise 2030 auf 46,9 und 2045 auf 44,9 Prozent sinken. Das wäre zwar nicht gleichbedeutend mit Rentenkürzungen, doch würden die Renten dann nicht mehr so stark steigen wie die Einkommen in Deutschland.
„Fortschritte in Richtung Generationengerechtigkeit sind nicht erkennbar“, kritisiert die Wirtschaftsweise Grimm. Im Gegenteil: Durch den Ausbau von Leistungen ohne Gegenfinanzierung und ohne Anpassung an die demografische Entwicklung werden künftige Beitragszahler zusätzlich belastet – sei es durch höhere Beiträge, geringere Leistungen oder höhere Steuerzuschüsse.“ Das könne dazu führen, dass kommende Generationen den Generationenvertrag aufkündigen, zum Beispiel, indem Leistungsträger auswandern.
Für die junge Generation soll ab 2026 eine „Frühstart-Rente“ eingeführt werden. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, sollen pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen. Wenn man erwachsen ist, soll man privat weiter einen bestimmten Betrag einzahlen können. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut rechnet aus: „Das sind nur rund 1400 Euro pro Person, und selbst wenn man die über 45 Jahre zu 5 Prozent anlegt, kommen da nur rund 12.600 Euro heraus.“ (mit dpa)
Die Mütterrente zu gewähren und anzugleichen ist richtig. Nachwuchs ist bei einem Umlageverfahren das Fundament, auf dem die kommenden Rentner finanziert werden. Was ohne ausreichend Nachwuchs mit dem System passiert, zeigt die jetzt in Rente gehende Boomergeneration. Wieso sollten die Mütter für diesen "Dienst an der Gesellschaft" keinen Ausgleich bekommen. Aber selbst wenn man das nicht so sehen mag, kann man die Mütter nicht untereinander ungleich behandeln. Die Wirtschaftsweise hat hier eine zu wirtschaftliche und wenig weise Sicht.
"An dieser Art von Klugscheißerei möchte ich mich nicht beteiligen", sagt Lammert heute (12.04.2025) unter ntv und tut es dann doch, indem er u. a. die Ausweitung der Mütterrente nicht plausibel nennt. (Ich weiß zwar nicht, wann Lammerts Eltern verstorben sind. Vermutlich aber waren sie schon tot, als 2017 die CSU bei der Mütterrente die Gleichbehandlung nicht durchsetzen konnte. Meine Mutter lebte da noch, sie hatte in den Jahren kurz nach dem Krieg als Bäuerin ein heute unvorstellbares arbeitsreiches Leben, zusammen mit meinem Vater fünf Kinder großgezogen und dabei für mich zwei Herzoperationen zu bezahlen. Auch wenn meine Mutter letztes Jahr verstorben ist, halte ich nach wie vor die Ungleichbehandlung der Mütter für eine große Ungerechtigkeit, egal was so ein Sozialwissenschaftler auch von sich gibt.)
Die Senkung des Rentenniveaus, egal wie lange gesetzlich festgeschrieben (fast jedes Gesetz kann novelliert werden), wird kommen. 47%, 46% kein Beinbruch. Wie im Artikle m.e. richtig beschrieben wäre dies keine Rentenkürzung sondern lediglich moderaterer Anstieg.
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