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So gefährlich ist die Hisbollah

Krieg in Nahost

Israels Feind im Norden: So gefährlich ist die Hisbollah

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    Hisbollah-Kämpfer bei einer Parade in einem südlichen Vorort von Beirut.
    Hisbollah-Kämpfer bei einer Parade in einem südlichen Vorort von Beirut. Foto: Marwan Naamani, dpa

    Es wirkt wie eine Szene aus einem Actionfilm – und ist doch gefährliche Realität. Auf Motorrädern rasen Kämpfer der Hisbollah durch ein weitverzweigtes Tunnelsystem. Im Halbdunkel folgt ihnen eine Kolonne aus Lastwagen, die Waffen transportieren. „Diese Raketen sind bereits auf Ziele in Israel programmiert“, sagt jemand aus dem Off, während ein Milizionär wie zum Beweis Koordinaten in einen tragbaren Computer eingibt. Dann öffnet sich eine Klappe und ein Raketenwerfer fährt aus dem Boden ins Freie. „Wenn Israel einen Krieg mit dem Libanon beginnt“, droht der Sprecher zum Abschied martialisch, „wird es seinem Schicksal begegnen“.

    Natürlich ist das Propagandavideo, das die Hisbollah im August veröffentlicht hat, Teil ihrer psychologischen Kriegsführung. Anders als die Hamas im Gazastreifen, die am 7. Oktober ebenso unerwartet wie brutal über den Süden Israels hergefallen ist, wird Israel deren Schwesterorganisation im Libanon nicht unterschätzen. Seit Jahren, sagt der Terrorexperte Peter Neumann, der am renommierten Kings College in London lehrt, habe die Hisbollah mithilfe des Iran systematisch aufgerüstet, sogar eine eigene Eliteeinheit aufgebaut und ein Vielfaches der Raketen in ihren Arsenalen, über die die Hamas verfügt – angeblich mehr als 150.000. Damit, sagt Neumann im Gespräch mit unserer Redaktion, sei die Terrormiliz stärker und schlagkräftiger als die libanesische Armee.

    Israel greift vor allem die Waffenlager der Hisbollah an

    Mit dieser Bedrohung erklärt Israel auch die Luftschläge, die es in den vergangenen Tagen gegen Stellungen der Hisbollah geflogen hat und bei denen mehrere Hundert Menschen um Leben gekommen sein sollen. Das israelische Militär griff nach eigenen Angaben alleine am Montag rund 1600 Ziele im Libanon an – und führte die Attacken in der Nacht auf Dienstag fort. Die Angriffe zielten nach israelischer Darstellung vor allem auf Waffenlager der Miliz, die Israel seit Oktober vergangenen Jahres mit rund 9000 Raketen und Drohnen angegriffen habe. Um das Land gegen diese Angriffe zu verteidigen, müssten die Waffen der Hisbollah unschädlich gemacht werden, betont Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

    Auf ihr Konto gehen Dutzende von Angriffen, Entführungen und Attentaten mit Hunderten von Toten. In den vergangenen 40 Jahren. So sprengten 1982 zwei Selbstmordattentäter einen Posten der israelischen Armee in die Luft. Dabei starben 75 Soldaten. 1983 kamen bei einem Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Beirut 63 Menschen ums Leben. 1984 wurden bei zwei parallel ausgeführten Sprengstoffanschlägen auf Einrichtungen der multinationalen Streitkräfte im Libanon 58 französische Fallschirmjäger und 241 US-Marines getötet. Seit dem Massaker vom 7. Oktober „unterstützt“ die Hisbollah die Hamas, indem sie Israel noch stärker als zuvor schon unter Beschuss nimmt. Etwa 60.000 Israelis mussten deshalb aus Gemeinden an der Grenze zum Libanon evakuiert werden. Ob die Miliz tatsächlich über 100.000 Kämpfer verfügt, wie sie selbst behauptet, bezweifeln Experten jedoch. Die amerikanische Denkfabrik Council on Foreign Relations spricht von etwa 20.000 Soldaten und noch einmal so vielen Reservisten.

    Wie die Hamas hat sich auch die Hisbollah die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt. Wie die Hamas wird auch sie vom Iran mit Geld und Waffen unterstützt. Anders als die Hamas allerdings ist es der Hisbollah im Libanon gelungen, ein Teil der Gesellschaft dort zu werden. „Sie betreibt Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten“, sagt Terrorforscher Neumann. „Und ist damit in gewisser Weise ein Staat im Staate.“ Sogar einen eigenen Fernsehsender betreibt die Terrororganisation. In Deutschland ist sie seit 2020 verboten.

    Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah
    Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Foto: Uncredited/AP/dpa

    Um zu erklären, wie tief die Wurzeln der Hisbollah im Libanon reichen, wählt Neumann ein Bild aus der Biologie: „Hier ist der Parasit stärker als der Wirt.“ Mit den Jahren habe sich die Hisbollah den libanesischen Staat zu eigen gemacht. Die Vertreter ihres politischen Arms sitzen im Parlament und in der Regierung, wo keine Entscheidung von der Wahl des Präsidenten bis zur Ernennung von Ministern ohne den Segen der Hisbollah getroffen wird. Noch heute halten viele Libanesen sie für eine Art Versicherung gegen Israel, das Teile des Libanons bis zum Jahr 2000 besetzt hatte. Als die libanesischen Konfliktparteien 1990 den Bürgerkrieg beendeten und abrüsteten, behielt sie als einzige Gruppierung ihre Miliz, die heute nicht nur Israel angreift, sondern auch den syrischen Diktator Baschar al Assad unterstützt.

    „Hisbollah“ bedeutet übersetzt „Partei Gottes“

    Entstanden ist die Hisbollah in den frühen Achtzigerjahren während des libanesischen Bürgerkrieges, mitaufgebaut von den Revolutionsgarden des Iran. Nach dem Sturz des Schah und der Revolution unter Ajatollah Khomeini sahen die Mullahs in Teheran die Chance, auf diese Weise ihre eigene Revolution zu exportieren und ihren Einfluss in der arabischen Welt auszubauen. Mehr noch als bei der Unterstützung der Hamas spiele im Verhältnis des Iran zur Hisbollah die religiöse Komponente eine Rolle, sagt Experte Neumann. „Das ist eine quasi familiäre Beziehung.“ Neben dem bewaffneten Kampf gegen Israel gehört zum Selbstverständnis der „Partei Gottes“ , was „Hisbollah“ übersetzt bedeutet, auch der Wunsch nach mehr Einfluss der Schiiten weltweit. In Deutschland schätzt das Bundesamt für Verfassungsschutz den harten Kern der Unterstützer auf etwas mehr als 1200 Sympathisanten, die sich regelmäßig an antiisraelischen Kundgebungen und Demonstrationen beteiligen.

    An der Spitze der Hisbollah steht der 64-jährige Geistliche Hassan Nasrallah. Nach seiner Wahl änderte er die Statuten der Organisation und ernannte sich selbst zum Führer der Bewegung auf unbestimmte Zeit. Hadi. eines seiner vier Kinder, starb 1997 im Kampf gegen Israel. Sein Vater allerdings kommentierte das nur lakonisch mit den Worten: „Es war gottgegeben, dass Hadi zum Märtyrer wurde.“ 

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