Nach Jahren des starken Wachstums haben sich die weltweiten Rüstungsexporte auf einem nahezu unverändert hohen Niveau eingependelt.
Das Volumen der Waffenlieferungen großer Rüstungsgüter wie Panzer und U-Boote sank in den Jahren 2016 bis 2020 im Vergleich zum vorherigen Fünfjahreszeitraum leicht um 0,5 Prozent, war damit aber um 12 Prozent höher als in den fünf Jahren davor, wie am Montag aus einem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorging.
Während die Exportzahlen von Russland und China rückläufig waren, nahmen die der drei westlichen Staaten unter den fünf größten Waffenexporteuren deutlich zu: Die USA bleiben somit weiter der mit Abstand größte Verkäufer von Rüstungsgütern - aber auch Frankreich und Deutschland lieferten mehr als zuvor.
Insgesamt betrachtet nahm das Liefervolumen erstmals seit dem Zeitraum 2001 bis 2005 im Fünfjahresvergleich nicht weiter zu. Es blieb demnach dennoch in der Nähe seines Höchststandes seit dem Ende des Kalten Krieges. Ob die Gesamtausfuhren von Großwaffen auf Dauer und angesichts der Folgen der Corona-Krise nun langfristig abflachen, lässt sich nach Ansicht der Friedensforscher noch nicht abschätzen.
"Es ist zu früh, um zu sagen, ob die Zeit des raschen Wachstums der Waffenlieferungen der vergangenen zwei Jahrzehnte vorbei ist", sagte der Sipri-Rüstungsexperte Pieter Wezeman. Manche Länder könnten ihre Waffeneinfuhren wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zwar überdenken. Zugleich hätten mehrere Staaten selbst auf der Höhe der Corona-Krise 2020 - und den damit verbundenen hohen öffentlichen Kosten - große Rüstungsverträge unterzeichnet.
Sipri geht es in den Berichten um langfristige internationale Trends. Da das Volumen der Waffenlieferungen von Jahr zu Jahr stark schwanken kann, legt das unabhängige Institut den Fokus auf Fünfjahreszeiträume statt auf einzelne Jahre. Auch wenn die Forscher somit keine Volumenzahlen für das Corona-Jahr 2020 nannten, wiesen sie auf einen starken Rückgang der globalen Waffenlieferungen im abgelaufenen Jahr hin: Ihr Wert habe 2020 um 16 Prozent niedriger gelegen als 2019.
Dies lasse sich voraussichtlich zum Teil mit der Pandemie, ihren Auswirkungen auf Produktion und Lieferpläne sowie der mit ihr einhergehenden Wirtschaftskrise erklären. Es hänge aber auch mit anderen Faktoren etwa bei Angebot und Nachfrage auf dem globalen Markt zusammen. Die Unsicherheit darüber, ob die Pandemie Hauptgrund für den Rückgang war, unterstreiche etwa, dass mehrere Länder höhere Lieferzahlen als in manchen vorigen Jahren gehabt hätten.
Klar bleibt, dass die USA ihre Position als weltweiter Waffenlieferant Nummer eins weiter ausgebaut haben: Mit Lieferungen an 96 Staaten und einem Fünfjahreswachstum um 15 Prozent sind sie mittlerweile für 37 Prozent der Exporte verantwortlich. Im Zeitraum 2011 bis 2015 waren es 32 Prozent. Fast die Hälfte der Rüstungsgüter lieferte Washington demnach in den Nahen Osten, wo besonders Saudi-Arabien ein Großabnehmer von US-Rüstung ist.
Größter Importeur von Rüstungsgütern bleibt Saudi-Arabien. Die Nachfrage im kriegs- und konfliktgebeutelten Nahen Osten stieg generell so stark wie in keiner anderen Weltregion. Die Region mit den meisten Importen ist jedoch Asien und Ozeanien, angeführt von Indien, Australien, China, Südkorea und Pakistan. "Für viele Staaten in Asien und Ozeanien ist eine wachsende Wahrnehmung von China als Bedrohung der Haupttreiber für Rüstungsimporte", erläuterte der Sipri-Forscher Siemon Wezeman.
Den russischen Waffenschmieden macht dagegen neben der starken US-Konkurrenz auch ein massiver Rückgang der Exporte nach Indien zu schaffen. Dass Indien weniger Großwaffen von Moskau abnimmt und sich offenbar weniger abhängig von russischer Rüstung machen möchte, ist Sipri zufolge der Hauptgrund. Russland ist nach einem Rückgang von 22 Prozent noch für ein Fünftel der Waffenlieferungen verantwortlich. Dies bedeutet weltweit Platz zwei, vor Frankreich und Deutschland.
Während Frankreich seine Exporte um 44 Prozent steigerte, bemaß Sipri das Fünfjahreswachstum der deutschen Waffenlieferungen auf 21 Prozent. Damit ist die Bundesrepublik nun für 5,5 Prozent der global verkauften Rüstungsgüter verantwortlich. Größte Abnehmer unter den 55 Importländern deutscher Rüstungsgüter waren Südkorea, Algerien und Ägypten. Lieferungen von Schiffen und U-Booten machten fast die Hälfte der deutschen Waffenexporte aus.
Grüne und Linke forderten die Bundesregierung erneut zum Überdenken ihrer Waffenlieferungen auf. "Die Sipri-Zahlen belegen, dass Deutschland erneut die Waffenausfuhren in die Höhe getrieben hat - und zwar gegen den weltweit gegenläufigen Trend", erklärte die Abrüstungssprecherin der Grünen im Bundestag, Katja Keul. Der Mythos einer restriktiven Rüstungsexportpolitik könne so längst nicht mehr aufrechterhalten werden. "Es braucht dringend gesetzliche Regelungen in einem Rüstungsexportkontrollgesetz, damit sich das endlich ändert", forderte Keul.
Ähnlich kritisch äußerte sich die Linke. "Union und SPD sind beste Garanten für Megagewinne der deutschen Rüstungsindustrie", erklärte die abrüstungspolitische Fraktionssprecherin Sevim Dagdelen. Anstatt Rüstungslieferungen gerade in Kriegs- und Konfliktgebiete zu stoppen, mache die Bundesregierung Deutschland zum "viertgrößten Waffendealer der Welt". Die Linke fordere dagegen ein Verbot von Waffenexporten.
Der Sipri-Experte Pieter Wezeman wies darauf hin, dass Deutschland umfassende Restriktionen für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien erlassen habe. Dafür spiele Ägypten mittlerweile eine wichtige Rolle bei den deutschen Ausfuhren. Wie zuvor seien die deutschen Exporte vor allem von Marine-Ausrüstung wie Fregatten und U-Booten, aber auch von gepanzerten Fahrzeugen abhängig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "In diesen beiden Sektoren bleibt Deutschland einer der wichtigsten Lieferanten der Welt."
Greenpeace kritisierte, dass Deutschland Waffen auch an Diktaturen, in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Entwicklungsländer verkaufe. Wenn die Bundesrepublik international Verantwortung übernehmen wolle, müsse sie Exporte in Staaten stoppen, "in denen Militärs und korrupte Politiker auf Kosten der Bevölkerung ihre Aufrüstungsfantasien vorantreiben", erklärte der Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz. "Im Kampf gegen die Corona-Pandemie fehlen gerade in den ärmeren Ländern die notwendigen finanziellen Mittel und die sollten nicht für U-Boote und Panzer aus Deutschland verschwendet werden."
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