Mit einem energischen Appell richtete sich am Freitag der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz und damit an die Regierungschefs der westlichen Welt. Mit biblischen Vergleichen versuchte er die Dimension seines Kampfes zu veranschaulichen und vor allem die Europäer zu weiteren Waffenlieferungen zu bewegen. "Es gibt keine Alternative", sage Selenskyj, der per Video in den "Bayerischen Hof" zugeschaltet war. "Wir müssen diesen Goliath besiegen, der unser Leben zerstört."
Insgesamt kommen noch bis zum Sonntag 40 Staats- und Regierungschefs und fast 100 Minister zum weltweit wichtigsten Treffen von Politikern und Experten zum Thema Sicherheitspolitik. Parallel dazu werden in der bayerischen Landeshauptstadt mehrere Demonstrationen erwartet, die sich gegen den Krieg in der Ukraine richten.
Selenskyj fordert mehr Geschwindigkeit bei Waffenlieferungen
Selenskyj dankte für die große Unterstützung, die ihm im vergangenen Jahr zuteilwurde. Doch er machte auch deutlich, dass ein langer Atem nötig ist, um wieder zu einem Frieden zurückzukehren. Dazu seien weitere militärische Hilfen erforderlich. "Wir brauchen Geschwindigkeit", sagte er. Denn immer, wenn der Westen noch nachdenke, könne der Kreml bereits handeln. Je mehr Zeit sich Kiews Verbündete ließen, umso größer sei das Ausmaß der Zerstörung im Land. Der "David" Ukraine sei entschlossen, auch weiterhin gegen den "Goliath" Russland zu kämpfen. Doch die Steinschleuder müsse hierfür gefüllt werden, die Entschlossenheit dürfe nicht abstrakt bleiben. "Unser Leben hängt davon ab", machte er deutlich.
Selenskyjs größte Sorge dürfte ein Nachlassen der Hilfen sein. Doch mit neuen Zusagen taten sich die westlichen Verbündeten in München schwer. Bundeskanzler Olaf Scholz will nicht von seiner Strategie abrücken, nur gemeinsam mit anderen Partnern weitere Schritte zu gehen. Deutschland werde die Ukraine auch weiterhin unterstützen, sicherte er in seiner Rede zu. Ohnehin gebe die Bundesrepublik mehr als jedes andere Land innerhalb der EU. Es müsse weiterhin eine Balance gefunden werden, einerseits der Ukraine zu helfen, andererseits eine Ausbreitung des russischen Krieges zu verhindern. "Für das, was zu tun ist, gibt es keine Blaupause", sagte Scholz. Mit einem baldigen Ende der Kämpfe rechnet er nicht. "Ich denke, es ist weise, sich auf einen langen Krieg vorzubereiten", sagte der SPD-Politiker. Deshalb rief er auch die anderen europäischen Verbündeten auf, bei der Lieferung von Kampfpanzern selbst aufs Tempo zu drücken. Nach anfänglicher Euphorie war in den vergangenen Tagen öffentlich geworden, dass viele Länder sich mit Versprechen bezüglich der Leopard-Panzer zurückhalten. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dringt auf weitere Kampfpanzer-Zusagen. "Ich habe die Alliierten dazu aufgerufen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um moderne Waffen zu liefern – auch gepanzerte Fahrzeuge und Kampfpanzer", sagte er.
Emmanuel Macron sieht nicht die Zeit für Dialog mit Russland
Der französische Präsident Emmanuel Macron stellte in seiner Rede klar: "Wir dürfen Russland nicht gewinnen lassen." Doch aus dem Krieg müssten die Europäer auch langfristige Lehren ziehen, die wichtigste sei, dass die EU stärker in ihre eigene Sicherheit und Verteidigung investieren müsse. Für einen ernsthaften Dialog mit Russland sieht er derzeit keinen Spielraum. Verhandlungen könnten nur unter den Bedingungen der Ukraine stattfinden. Macron warnte zudem vor überzogenen Hoffnungen in einen Regime-Wechsel in Russland weg von Wladimir Putin. "Wer soll danach kommen?", fragte er. "Ein Regime-Wechsel ist nicht die Lösung."