Kriege in der Ukraine und in Nahost, wachsende Spannungen weltweit und dann auch noch die Gefahr, dass Donald Trump die Nato beerdigt, sollte er im Herbst erneut zum US-Präsidenten gewählt werden: Vor der 60. Münchner Sicherheitskonferenz, die am Freitag beginnt, scheint die Lage so unsicher wie lange nicht mehr. Christoph Heusgen, Chef des hochrangig besetzten politischen Treffens, versucht auch gar nicht erst, sie zu beschönigen: "Wir haben in diesem Jahr so viele Krisen, Konflikte und Herausforderungen, wie wir es noch selten, wenn überhaupt hatten." Gerade deshalb sei das Motto der Veranstaltung, Frieden durch Dialog zu erreichen, auch bei Gesprächen hinter den Kulissen, heute so aktuell wie nie. In der bayerischen Landeshauptstadt gehe es am kommenden Woche auch darum, zwischen all den dunklen Wolken einen Silberstreif am Horizont zu entdecken.
Einfach wird das wohl nicht. Immerhin: Die jüngsten Drohungen von Donald Trump, dem Ex-US-Präsidenten, der sich erneut für das Amt bewirbt, beunruhigen Heusgen nicht allzu sehr. Der Republikaner hatte am Wochenende im Wahlkampf angekündigt, in einer möglichen zweiten Amtszeit als Präsident werde er Nato-Partnern, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, keinen Schutz vor russischer Aggression gewähren. Der Präsident eines großen Landes habe ihn einmal gefragt, ob die USA dieses Land auch dann vor Russland schützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht bezahlt, so polterte Trump. Er habe geantwortet: „Nein, ich würde Euch nicht beschützen.“ Vielmehr werde er Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. Die Äußerung sorgte gerade in Deutschland für Aufregung, das seit Jahren unter dem innerhalb der Nato vereinbarten Ziel bleibt, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben.
Münchner Sicherheitskonferenz: Wie kann sich Europa vor Putin schützen?
Für Heusgen, zu Zeiten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutscher Chefdiplomat, habe Trump damit nur eine alte Aussage wiederholt, in einer "erratischen Äußerung" in der ihm eigenen Art. Auch Trumps Vorgänger Barack Obama und sein Nachfolger Joe Biden hätten die Bundesrepublik zu höheren Verteidigungsausgaben gemahnt. Dass Deutschland und Europa sich mehr um ihre Verteidigung kümmern müssten, sei lange bekannt. Über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur, auch über die Rolle, die französische Atomwaffen dabei spielen, müsse dringend geredet werden, auch mit den Briten. Dies sei allerdings keine Alternative zum westlichen Verteidigungsbündnis Nato, sondern eine Ergänzung dazu.
Zu dem Treffen werden mehr als 50 Staats- und Regierungschefs, etwa 100 Minister und zahlreiche Vertreter internationaler Organisationen erwartet. Unter denen, die bereits zugesagt haben, sind US-Vizepräsidentin Kamala Harris von den Demokraten, der chinesische Außenminister Wang Yi, der israelische Präsident Itzhak Herzog und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auf deutscher Seite nehmen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere Kabinettsmitglieder seiner Regierung aus SPD, Grünen und FDP teil. Eingeladen ist auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch komme, sagt Heusgen. Selenskyjs Reisepläne unterliegen aus Sicherheitsgründen äußerster Geheimhaltung.
Kommt Selenskyj zur Münchner Sicherheitskonferenz?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird Heusgen zufolge breiten Raum bei den Gesprächen einnehmen, auch wenn offizielle Vertreter Russlands nicht geladen sind. Russlands Präsident Wladimir Putin könne auch gar nicht kommen, weil er in Deutschland wegen Vorliegens eines internationalen Haftbefehls sofort verhaftet werden würde, so Heusgen. Eingeladen seien aber Vertreter der russischen Zivilgesellschaft. Voraussetzung dafür, auch russische Regierungspolitiker einzuladen, sei, dass Moskau die Kiewer Regierung anerkenne. Es sei wichtig, die militärische Unterstützung der Ukraine aufrechtzuerhalten, um Russland zu zeigen, dass es diesen Krieg nicht gewinnen kann. Nur so könne es zu Verhandlungen kommen, die den Konflikt am Ende befrieden könnten. Langfristig bedürfe Kiew der Sicherheitsgarantien durch den Westen, am besten sei eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.
Die Organisatoren der Sicherheitskonferenz hoffen, dass es in München auch zu Begegnungen kommt, die zur Entspannung des Nahostkonflikts beitragen könnten. Als ein Symbol für gegenseitigen Respekt und Verständigung spielt gleich zur Eröffnung das Streichquartett des Orchesters des West-östlichen Divans, das zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern besteht.