Sie gilt als die weltweit größte Bühne für die außenpolitische Diplomatie – doch ausgerechnet in einer der schwersten Krisen zwischen dem Westen und Russland schickt Moskau zum ersten Mal seit vielen Jahren keinen Vertreter zur Münchner Sicherheitskonferenz und setzt statt dessen auf Fakten. Während sich Regierungschefs und Außenpolitikerinnen und -politiker mit eindringlichen Appellen an den Kreml wandte, kündigte die Atommacht ein Manöver mit Einsatz ballistischer Raketen an. Und so stand das Treffen der Mächtigen im Hotel Bayerischer Hof unter dem inoffiziellen Motto: Reden über Moskau, statt reden mit Moskau.
Ist die Lage in der Ukraine mit dem Kalten Krieg vergleichbar?
„Ich rufe alle Parteien auf, mit ihrer Rhetorik extrem vorsichtig zu sein. Öffentliche Stellungnahmen sollten das Ziel haben, Spannungen zu reduzieren, nicht diese anzuheizen“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres. Die aktuelle Lage sei gefährlicher als während des Kalten Krieges. Im Kalten Krieg habe es Mechanismen zur Risikobewertung und informelle Wege der Prävention gegeben. „Heute existieren die meisten dieser Systeme nicht mehr und die darin geübten Menschen sind nicht mehr da“, sagte er.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte davor, dass aus Provokation eine Eskalation erwachsen könne. „Heute droht ein neuer Krieg mitten in Europa“, sagte die Grünen-Politikerin. Moskau müsse seine Truppen aus dem Westen seines Landes an der Grenze zur Ukraine abziehen und zurück zur Diplomatie kehren. „Wer gemeinsam in Sicherheit leben will, der droht nicht“, sagte sie. Baerbock geht allerdings trotz aller Bemühungen nicht davon aus, dass die Krise im Osten schnell beigelegt werden könne. Es gehe nicht nur um den aktuellen Konflikt, sondern es gehe darum, wieder eine regelbasierte Ordnung wieder herzustellen. Die größte Stärke des Westens sei es daher, Geschlossenheit und Solidarität zu demonstrieren. Und in diesem internationalen Konzert habe jeder eine andere Aufgabe – deutsche Aufgabe sei die Diplomatie, Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt die Bundesregierung weiterhin ab.
Das stößt in der Ukraine weiter auf Kritik. „Vielen Dank für die 5000 Helme, aber damit können wir unser Land nicht verteidigen“, sagte Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew. Rückendeckung erhielt die Bundesregierung von US-Außenminister Antony Blinken. Deutschland zeige große Solidarität und habe klar gemacht, dass Präsident Putin im Fall eines Angriffes mit weitreichenden Konsequenzen rechnen müsse. Er versicherte, dass die Ukraine sich der Unterstützung sicher sein könne. Hier gehe es nicht nur um die Sicherheit der Menschen, sondern um Prinzipien und das Verteidigen der Regeln. „Wir werden alles tun, was wir können“, sagte Blinken.
Verstöße gegen die Waffenruhe im Konfliktgebiet in der Ostukraine
Unterdessen blieb im Konfliktgebiet in der Ostukraine blieb die Lage angespannt. Die Aufständischen in den Gebieten Donezk und Luhansk teilten mit, seit Mitternacht seien mehrere Dutzend Granaten auf ihr Gebiet abgefeuert worden. Gegenüber dem Vortrag sei der Beschuss deutlich intensiviert worden - trotz eines geltenden Waffenstillstands. Die ukrainische Armee sprach ebenfalls von knapp drei Dutzend Verstößen. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Auch ob es bei den neuen Angriffen Opfer gab, war zunächst nicht bekannt. Die Seiten geben einander die Schuld am Aufflammen der Gewalt.
In der aktuellen Situation ist diese Entwicklung besonders gefährlich. Darauf wies auch Blinken in München hin. Alles, was derzeit zu beobachten sei, sei „Teil eines Szenarios, das bereits im Gange ist: nämlich falsche Provokationen zu schaffen, dann auf diese Provokationen reagieren zu müssen und schließlich eine neue Aggression gegen die Ukraine zu begehen“. Die US-Regierung fürchtet, Moskau könne künstlich einen Vorfall inszenieren, um damit schließlich den Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen.
Die Münchner Sicherheitskonferenz tagt unter strengen Corona-Auflagen. Statt der sonst mehr als 2000 Teilnehmer sind diesmal nur 600 zugelassen. An dem Expertentreffen zur Sicherheitspolitik nehmen insgesamt 30 Staats- und Regierungschefs teil, außerdem mehr als 80 Minister. Überschattet wurde das Treffen von Vorwürfen gegenüber Konferenzleiter Wolfgang Ischinger, er habe privat an der Sicherheitskonferenz verdient.