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Joachim Krause, wächst nun die Kriegsgefahr in Deutschland?

Krieg in der Ukraine

Herr Krause, wächst nun die Kriegsgefahr in Deutschland?

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    Ukrainische Panzer rollen in Richtung Frontlinie in der Region Donezk. Nun soll die Armee bald mit westlichen Kampfpanzern verstärkt werden.
    Ukrainische Panzer rollen in Richtung Frontlinie in der Region Donezk. Nun soll die Armee bald mit westlichen Kampfpanzern verstärkt werden. Foto: Evgeniy Maloletka, dpa

    Herr Krause, Deutschland will Kampfpanzer an die Ukraine liefern, Russland hat seine Rhetorik noch einmal verschärft. Wächst nun die Gefahr, dass sich dieser Krieg ausweitet?
    JOACHIM KRAUSE: Dann stellt sich erst einmal die Frage, wie die Ausweitung des Krieges aussehen kann? Russland hat seine konventionellen Streitkräfte in der Ukraine so weit verschlissen, dass es zu einer Invasion in Nachbarländern (Baltikum, Finnland, Schweden, Moldau) auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird. Russland könnte natürlich versuchen, einzelne Ziele in Nato-Ländern mit Marschflugkörpern oder ballistischen Raketen anzugreifen. Nur dann tritt der Bündnisfall ein und Russland muss damit rechnen, dass seine Streitkräfte in der Ukraine völlig auf verlorenem Posten stehen. Es könnte natürlich auch nuklear gehen, aber die US-Regierung hat bereits im Oktober klargemacht, dass das zu einer Entwicklung führen wird, die die Existenz Putins und seines Regimes völlig infrage stellt. Die erweiterte nukleare Abschreckung der USA für uns und die anderen Nato-Teilnehmer ist weiterhin in Kraft und scheint auch Putin zu beeindrucken. Womit ich eher rechnen würde, wären Anschläge auf Infrastruktur in Westeuropa durch getarnte Spezialkräfte.

    Putin schafft es nicht, die Ukraine zu besiegen. Wäre ein Angriff auf die Nato da für ihn nicht ohnehin völlig aussichtslos?
    KRAUSE: Natürlich wäre das aussichtslos, deshalb wird er es auch nicht machen.

    Joachim Krause ist Sicherheitsexperte.
    Joachim Krause ist Sicherheitsexperte. Foto: Joachim Krause

    Ist es klug, dass Deutschland und die USA einen Zeitplan für die Panzerlieferungen öffentlich machen? Kann nicht Russland nun eine geplante Offensive vorziehen?
    KRAUSE: Die öffentliche Ankündigung verfolgt erst einmal den politischen Zweck, Russland zu signalisieren, dass der Westen weiterhin die Ukraine unterstützt und dass wir jede Eskalation des Krieges durch Russland konterkarieren werden. Ob Russland deshalb eine geplante Offensive vorzieht, kann ich derzeit nicht beurteilen. In der Regel trägt das Vorziehen einer Offensive eher zu deren Misserfolg bei.

    Die USA sagen, dass auch die Lieferung von Kampfjets nicht ausgeschlossen werden darf. In Berlin lehnen das selbst die engagiertesten Ukraine-Unterstützer ab. Wird es trotzdem irgendwann darauf hinauslaufen?
    KRAUSE: Ganz bestimmt. Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich das politische Berlin in diese Ablehnung hineinredet. Die USA, Großbritannien und auch Frankreich gehen davon aus, dass die Ukraine nur eine Chance auf Erfolg hat, wenn sie sich nicht in einen Abnutzungskrieg hineinziehen lässt. Nur im Wege einer beweglichen Kriegsführung wird sie die russischen Truppen schlagen können. Dazu bedarf es gepanzerter Fahrzeuge, mobiler Artillerie und natürlich auch Kampfflugzeuge. Hier sind vor allem die F-16 und die A-10 im Gespräch. Mehrere europäische Staaten haben schon angeboten, ihre F-16 an die Ukraine abzugeben. Das ist völlig schlüssig. Schwierig wird es mit der Logistik und dem Schutz der entsprechenden Infrastruktur in der Ukraine aussehen, aber ich denke, das wird irgendwie machbar sein.

    Auch Frankreich schließt die Lieferung von Kampfjets nicht aus. Dabei hat Macron doch bislang noch nicht einmal Kampfpanzer geliefert. Täuscht der Eindruck, dass seine Worte und Taten hier nicht zusammenpassen?
    KRAUSE: Frankreichs Stärke liegt weniger in seinen Panzern als in seiner Luftwaffe. Das eine schließt das andere nicht aus. Dass Frankreich vorangeht, kann ich trotzdem nicht sehen. Aber: Deutschland versucht, sich möglichst nicht den Pelz nass zu machen. Dabei sind die militärische Lage und das, was die Ukraine dringlich braucht, offensichtlich keine Kriterien in Berlin. Es zählt nur, was man den Abgeordneten, Funktionären und Wählern der SPD zumuten kann. In der Leopard-Frage hat sich die Bundesregierung ja erst zu einer Entscheidung durchringen können, nachdem Briten und Amerikaner ihrerseits Panzer angeboten hatten.

    Der Kanzler selbst sieht sich als geschickter Stratege. Er hat sich am Ende durchgesetzt.
    KRAUSE: Wenn Deutschland wirklich europäische Führungsmacht hätte spielen wollen, dann hätte sich die Bundesregierung spätestens im September/Oktober mit den anderen europäischen Benutzern von Leopard-Panzern in Verbindung gesetzt, um der Ukraine 200 bis 300 Panzer für Anfang 2023 zur Verfügung zu stellen. Das hätte man gut mit der Biden-Administration absprechen können, denn die hatte schon im Oktober signalisiert, dass sie keine Einwände dagegen hätte. Dann wäre auch die amerikanische Rückendeckung sicher gewesen, die Scholz wichtig war. Das alles hat Scholz nicht gemacht. Im Gegenteil, er hat immer wieder betont, dass ohne Absprache mit den westlichen Verbündeten keine Entscheidung fallen wird – und er hat alles vermieden, dass derartige Absprachen stattfinden. Sein letzter Versuch, die Entscheidung aufzuschieben, war die Bedingung, dass Deutschland nur dann Panzer liefert, wenn die Amerikaner liefern. Er hat das im vollen Bewusstsein getan, dass das Pentagon strikt gegen die Lieferung von Abrams-Panzern war, da diese von der Logistik zu schwierig sein würde. Das heißt, dass er bis zuletzt nicht wollte, dass Leopard-Panzer an die Ukraine geliefert werden. Biden hat ihm dann einen Strich durch die Rechnung gemacht und sich über die Bedenken des Pentagons hinweggesetzt.

    Die Amerikaner haben den Weg für die Leo-Lieferung zwar freigemacht, indem sie die Lieferung von Abrams-Panzern versprechen. Die kommen aber erst in einem Jahr. Ist das also eher eine politische als eine militärische Entscheidung?
    KRAUSE: Das war eine rein politische Entscheidung. Für die Ukraine ist derzeit in erster Linie entscheidend, dass von den etwa 2000 in Europa befindlichen Leopard-2 und Leopard-1-Panzern mindestens 300 in relativ kurzer Zeit verfügbar sein werden, alles andere ist Beiwerk. Vielleicht legen die USA in einem Jahr noch was drauf bei den Abrams-Panzern. Derzeit sind aber die Panzer der Leopard-Serien wichtig.

    Welche Wirkung erwarten Sie sich von den Leopard-Kampfpanzern?
    KRAUSE: Sie verbessern die Fähigkeiten der Ukraine in der mobilen Gefechtsführung, sei es im Angriff, sei es in der Verteidigung.

    Putin scheint sich auf einen noch lange dauernden Krieg einzustellen. Der CSU-Politiker Manfred Weber fordert die Einführung einer Kriegswirtschaft. Was halten Sie davon?
    KRAUSE: Der Begriff der „Kriegswirtschaft“ ist immer etwas belastet. Ich würde es anders formulieren: Die Bundesregierung hat es bislang nicht geschafft, die Munitionsherstellung für die Bundeswehr in Friedenszeiten zu organisieren. Sie hat es noch nicht einmal geschafft, die an die Ukraine weitergegebenen Waffensysteme und die dazugehörige Munition wiederzubeschaffen. Wenn sie das erreicht hat, dann wird sie noch ordentlich was drauflegen müssen. Denn der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass gegen einen Gegner wie Russland der rasche Ersatz eines hohen Munitionsverbrauchs entscheidend für Erfolg oder Misserfolg ist. In den USA ist diese Botschaft angekommen, auch in Großbritannien und Frankreich. Bei uns lässt man sich noch Zeit. Hier liegt eine der schwersten Herausforderungen für den neuen Verteidigungsminister. Das schwerfällige und ineffiziente Beschaffungswesen wird völlig umgestellt werden müssen – und zwar rasch.

    Zur Person

    Joachim Krause, 71, ist Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.

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