Der politische Betrieb in Berlin geht so: Die Opposition feuert auf die Regierung, die Regierung feuert zurück. Solange die Schlachtordnung eingehalten wird, ist es ungefährlich. Gefährlich wird es, wenn das Feuer von der anderen Seite und aus den eigenen Reihen auf einen niedergeht. Das geschieht gerade Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).
Die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon fordert ihren Rücktritt, die Haushälter der Ampel-Koalition ermahnen die eigene Ministerin überdeutlich. Lambrechts neues Problem ist das Kampfflugzeug F-35, das in den USA für 10 Milliarden Euro gekauft werden soll. Das Problem, das die SPD-Ministerin hat, ist ein sehr deutsches. Für den Jet muss der Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz umgebaut werden, und es ist unklar, ob das in der Langsamrepublik bis 2026 klappt. Außerdem gibt es Zweifel, ob die Maschinen hierzulande alle nötigen Papiere bekommen. Wegen der Unklarheiten bestellten die Haushälter des Ampel-Bündnisses die Ministerin am Montag zu sich.
Nukleare Muskelspiele und fehlende Munition
Die F-35 ist deshalb kritisch, weil die Maschinen, die in Deutschland gelagerten Atombomben der USA, zu ihrem Ziel fliegen sollen. In Zeiten, in denen Russlands Präsident Wladimir Putin Krieg führt und mit dem nuklearen Säbel rasselt, hält es die Regierung für besser, auch einen Säbel zum Rasseln zu haben.
Die Kampfjet-Kalamität folgt auf den bekannt gewordenen Munitionsmangel bei der Bundeswehr. Die Truppe hat in ihren Bunkern nur Kugeln, Granaten und Geschosse für wenige Kampftage. Nach nicht einmal einer Woche käme nichts mehr aus den Rohren. Trotz der ausgerufenen Zeitwende und einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro hat die Ministerin keine Munition bestellt. Die Industrie hatte Angebote vorgelegt, aber die SPD-Frau griff nicht zu.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte deshalb Militärs und Rüstungsfirmen ins Kanzleramt geladen, was Lambrecht nicht gut fand, weil es öffentlich gemacht wurde. Der Kanzler muss sich selbst kümmern, war die Botschaft des Termins, obwohl Scholz nur Staatssekretäre schickte und die Runde ohne konkrete Ergebnisse auseinander trat. Im wesentlichen Bereich Militär und Sicherheit ist seine Zeitenwende wie eine Platzpatrone. Es knallt und raucht, aber eine Wirkung gibt es nicht.
Das liegt auch daran, dass seine zuständige Ministerin ihren Sessel gar nicht richtig wollte. Eigentlich hatte sich Lambrecht schon in den Ruhestand verabschiedet, um dann aber wegen der steigenden Umfragewerte einen Rückzieher von der Politikerrente zu machen. Die 57-Jährige schielte auf das Innenressort und tut das bis heute. Mit dem Militär hatte sie schließlich bis zur Ernennung nichts zu tun. Der Posten könnte frei werden, wenn Amtsinhaberin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin zum Wahlkampf nach Hessen wechseln sollte.
Lambrecht will aus Deutschland eine Nato-Führungsmacht machen
Ihre Gegner halten das der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt bei der Bundeswehr vor – nur mit halbem Herzen dabei zu sein. Sie selbst kündigte dennoch an, aus Deutschland eine Führungsmacht in der Nato machen zu wollen. Ein Tag der nationalen Sicherheit, für den sie plädiert, soll die Armee stärker in der mit ihr fremdelnden Gesellschaft verankern.
Lambrecht selbst fremdelte spürbar mit dem Militär. Ihre hohen Schuhe, lackierten Nägel und die blonden Locken wollen nicht recht zu Flecktarn, Gulaschkanone und dem Matsch auf dem Truppenübungsplatz passen. Nach Übernahme der Amtsgeschäfte rasierte sie erfahrene Spitzenkräfte im Ministerium und installierte eigene Getreue. So hat sie es schon im Justizministerium gemacht und dort intern für schlechte Stimmung gesorgt. Auch im Bendlerblock – dem Dienstsitz in Berlin - wird fies über die Chefin gelästert.
Das Bild im negativen abgerundet hat ein Fehltritt, der wegen ihrer großen politischen Erfahrung besonders überraschte. Lambrechts Sohn stellte ein Foto von sich im Militärhubschrauber auf Instagram. Seine Mutter hatte es geschossen und damit gleichzeitig offenbart, dass der Dienstflug zu einem kleinen Standort der Bundeswehr nahe Sylt führte, wo Lambrecht direkt im Anschluss einige Tage Osterurlaub machte. Böswillige Kritiker unterstellten einen Zusammenhang zwischen Dienstzeit und Freizeit, den die Ministerin aber bestreitet.