Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Selenskyj reist in die USA

USA

Was Selenskyjs Besuch in den USA bewirken soll

    • |
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (links) reist nach Washington. Im vergangenen Jahr hatte er bereits Joe Biden im Weißen Haus getroffen, wie auf diesem Bild zu sehen ist.
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (links) reist nach Washington. Im vergangenen Jahr hatte er bereits Joe Biden im Weißen Haus getroffen, wie auf diesem Bild zu sehen ist. Foto: Evan Vucci, dpa (Archivbild)

    Erst gab es nur eine kryptische Mail der scheidenden Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die die Abgeordneten zu einer "sehr besonderen" Sitzung einlud. Dann meldete eine Nachrichtenseite den Scoop. Am frühen Mittwochmorgen bestätigte die US-Regierung die Nachricht: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll am heutigen Mittwoch in Washington mit US-Präsident Joe Biden und Mitgliedern des Kongresses zusammentreffen.  

    Die hochgeheime erste Auslandsreise Selenskyjs seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar hat das Zeug zum historischen Ereignis. In seiner Videoansprache am Dienstag hatte der Präsident erklärt, diese Woche sei für sein Land besonders wichtig, "um diesen Winter und das nächste Jahr zu überstehen" und "die nötige Unterstützung zu bekommen, damit die ukrainische Flagge endlich auf allen Abschnitten unserer Grenze weht." Just in jenem  Moment steht in den USA, dem wichtigsten westlichen Unterstützer der Ukraine, eine politische Machtverschiebung an: Ab dem 3. Januar werden die Republikaner, die in Teilen weitere Hilfen für das osteuropäische Land ablehnen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen

    Dieses Ziel verfolgt Selenskyj bei seinem Besuch in Washington

    So dürfte der ebenso überraschende wie dramatische Besuch am 300. Kriegstag ein doppeltes Ziel verfolgen: Einerseits wird Präsident Biden bei einer Begegnung im Weißen Haus wohl die Entschlossenheit seiner Regierung bekräftigen, die Ukraine "so lange es nötig ist" zu unterstützen. Als sichtbares Zeichen könnte er weitere 1,8 Milliarden Dollar Militärhilfen bereitstellen, zu denen auch das Luftverteidigungssystem Patriot gehört. Andererseits dürfte der geplante Auftritt Selenskyjs vor beiden Häusern des Kongresses den politischen Druck für deren Zustimmung zu weiteren Hilfen enorm erhöhen. Biden will sich vom Parlament im Rahmen eines gewaltigen Ausgabenpaketes für das Jahr 2023 rund 45 Milliarden Dollar für die Ukraine bewilligen lassen.  

    Spekulationen, der Präsident könne hinter verschlossenen Türen seinen Gast zu Konzessionen und einer größeren Kompromissbereitschaft drängen, werden in Washington zurückgewiesen. Tatsächlich hatte Biden immer betont, dass alleine die Ukraine über mögliche diplomatische Zugeständnisse entscheiden müsse und nicht über den Kopf des Landes hinweg verhandelt werden. Auch angesichts des derzeitigen brutalen Bombardements der zivilen Infrastruktur des Landes durch die russischen Truppen scheint es sehr unwahrscheinlich, dass Biden irgendeinen Druck auf Kiew ausübt. 

    Joe Biden empfing Selenskyj bereits 2021

    Nicht nur wegen des aktuellen Krieges spielt die Ukraine in der innenpolitischen Auseinandersetzung der USA eine herausgehobene Rolle. Bereits kurz nach seiner Wahl 2019 hatte Selenskyj nach Washington kommen wollen. Der damalige Präsident Donald Trump zögerte die Einladung aber ebenso wie die Auszahlung einer vom Kongress beschlossenen Militärhilfe in Höhe von 400 Millionen Dollar hinaus. Bei einem Telefonat im Juli 2019 forderte er dann von Selenskyj belastendes Material gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter und versuchte den Ukrainer zu erpressen. Der Vorgang war Anlass des ersten Impeachment-Verfahrens gegen Trump.  

    Im September 2021 wurde Selenskyj dann endlich im Weißen Haus empfangen – von Trumps Nachfolger Joe Biden. Damals forderte der Gast vom US-Präsidenten Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2, die Biden aber auch aus Rücksicht auf Deutschland versagte.

    USA wollen Ukraine Patriot-Flugabwehrsystem liefern

    In den vergangenen Monaten seit Ausbruch des Krieges haben die beiden Staatschefs mehrfach telefoniert. Biden betrachtet es als großen politischen Erfolg, den Westen in der Unterstützung der Ukraine und dem mit Sanktionen erhärteten Widerstand gegen die Aggression des russischen Machthaber Wladimir Putin geeint zu haben. Die persönliche Begegnung von Biden und Selenskyj am Mittwoch wird von hohen Sicherheitsvorkehrungen begleitet.

    Biden will den Angaben der Regierung zufolge im Zuge des Treffens mit seinem ukrainischen Kollegen auch bekanntgeben, dass die USA der Ukraine das Patriot-Flugabwehrsystem liefern werden.

    Das steht für Selenskyj auf dem Programm in Washington

    Laut dem Weißen Hauses haben Biden und Selenskyj während eines Telefonats Mitte Dezember erstmals über einen möglichen Besuch gesprochen. Später sei dann eine offizielle Einladung erfolgt. Der ukrainische Präsident wird bei seinem Besuch in der US-Hauptstadt ein volles Programm haben. Biden und Selenskyj planen eine gemeinsame Pressekonferenz. Die Rede vor dem US-Kongress soll am Mittwochabend (Ortszeit) erfolgen. Anschließend werde er die Heimreise antreten.

    Selenskyj hat sein Land seit Kriegsbeginn am 24. Februar nicht verlassen. Für Auftritte auf der politischen Weltbühne – etwa beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau – ließ er sich stets digital aus der Ukraine zuschalten. Doch der ukrainische Präsident reiste bereits mehrmals ins Kampfgebiet – anderes als der russische Präsident Wladimir Putin, der bislang kein einziges Mal an der Front gewesen ist.

    USA unterstützt Ukraine mit Militärhilfen

    Seit Beginn des Krieges haben die USA die Ukraine mit milliardenschweren Militärhilfen unterstützt. Biden werde am Mittwoch ein weiteres Militärhilfe-Paket in Höhe von knapp zwei Milliarden US-Dollar ankündigen, teilte ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung mit. Dieses werde auch das Patriot-Flugabwehrsystem enthalten. Die Ankündigung kommt nicht überraschend. Zuletzt gab es Berichte, wonach die US-Regierung eine solche Lieferung in Erwägung zieht. 

    Das Luftverteidigungssystem Patriot dürfte die Karten in der von Russland angegriffenen Ukraine Experten zufolge neu mischen. Es kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen oder Raketen auch in größerer Entfernung abwehren. Der hochrangige US-Regierungsvertreter sagte, die ukrainischen Streitkräfte würden in einem Drittland ausgebildet. Er machte dazu keine weiteren Angaben. Naheliegend und wahrscheinlich ist, dass Ukrainer – wie auch bei anderen Waffensystemen schon praktiziert – in Deutschland ausgebildet werden, beispielsweise auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern. 

    USA: Patriot-Lieferung an Ukraine

    Russland hatte die USA zuletzt vor einer Patriot-Lieferung gewarnt. Wie andere schwere Waffen auch würden diese Komplexe für die russischen Streitkräfte zu "rechtmäßigen vorrangigen Zielen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, vergangene Woche. Die US-Regierung liefert bereits Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars oder das Flugabwehrsystem Nasams in die Ukraine.

    Die USA sei nicht auf einen direkten Krieg mit Russland aus, sagte der US-Regierungsvertreter. Auch Selenskyjs Besuch und die Lieferung der Patriot-Batterie würden daran nichts ändern. "Es geht darum, eine Botschaft an Putin und an die Welt zu senden, dass Amerika für die Ukraine da sein wird, so lange es nötig ist." Der Besuch sei auch eine gute Möglichkeit für den ukrainischen Präsidenten, sich an das amerikanische Volk zu wenden. 

    Republikaner und Demokraten hatten sich am Dienstag im US-Kongress auf einen Haushaltsentwurf geeinigt, der auch milliardenschwere Militärhilfen enthält. Das Paket mit einem Volumen von 1,7 Billionen US-Dollar (1,6 Billionen Euro) sieht unter anderem 44,9 Milliarden US-Dollar (42,3 Milliarden Euro) Hilfen für die Ukraine vor. Über den Entwurf müssen allerdings noch der Senat und das Repräsentantenhaus abstimmen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden