Die Idee ist nicht neu – und nicht allzu populär. Mit seiner Forderung, alle Länder der Euro-Zone gemeinsam für ihre Schulden haften zu lassen, hat SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht nur die Regierungsparteien gegen sich aufgebracht. Auch in der Praxis hat die sogenannte Haftungsunion ihre Tücken, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Sie hat die Modelle, die gegenwärtig diskutiert werden, auf ihre Alltagstauglichkeit untersucht.
Eurobonds Das Lieblingskind des französischen Präsidenten François Hollande. Hier werden alle Schulden der wirtschaftlich starken und der wirtschaftlich schwachen Euro-Länder in einen Topf geworfen und mithilfe gemeinsamer Anleihen finanziert. Wenn alle für alles haften, so die Logik dahinter, können sich angeschlagene Länder wie Spanien oder Italien zu deutlich günstigeren Konditionen Geld leihen. Wie stark im Gegenzug die Zinsen der gesunden Volkswirtschaften steigen, ist umstritten – und im Moment auch nicht wirklich relevant. „Für die Überwindung der akuten Krise“, heißt es in der Studie, „fällt dieses Modell aus.“ Selbst bei gutem Willen benötige die Korrektur der europäischen Verträge und deren Ratifizierung in den Mitgliedsländern mindestens fünf Jahre. Bisher verbietet die sogenannte No-Bail-out-Klausel, dass ein Land für die Schulden anderer haftet.
Blue & Red Bei diesem Modell der Brüsseler Denkfabrik Bruegel würde nur ein Teil der Schulden vergemeinschaftet – nämlich genau die 60 Prozent der Wirtschaftskraft, die der Vertrag von Maastricht den Euro-Ländern erlaubt. Alle Schulden, die über dieser Grenze liegen, blieben nationale Schulden. Die sogenannten Bluebonds wären dann gemeinsame Schuldtitel der Euro-Zone mit günstigen Zinsen, die Redbonds nationale Anleihen mit tendenziell höheren Zinsen. Das Problem dabei: Einem Land wie Italien mit einem Schuldenberg von mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wäre damit nicht wirklich geholfen: Die Zinsnachteile aus den Redbonds können im ungünstigsten Fall sogar teurer sein als die Zinsvorteile aus den Bluebonds. Außerdem fällt auch diese Variante unter die No-Bail-out-Klausel.
Schuldentilgungsfonds Ein Vorschlag der fünf Wirtschaftsweisen, der nur für die Länder gilt, die noch keine Hilfen in Anspruch genommen haben – also nicht für die aktuellen Notfälle Spanien und Griechenland. Anders als bei den Blue- und Redbonds sollen in den Tilgungsfonds, der sich über gemeinsame Anleihen mit kurzer Laufzeit finanzieren würde, alle Schulden ausgelagert werden, die über der Maastrichter 60-Prozent-Grenze liegen. Innerhalb von 20 bis 25 Jahren soll jedes Land seine Schulden an den Fonds zurückzahlen – unter anderem durch die Einführung einer Art Sondersteuer. Gemeinsam haften würden die anderen Staaten nur, wenn ein Euro-Mitglied seinen Zahlungspflichten nicht nachkommen kann. Dass ihr Fonds ebenfalls gegen die europäischen Verträge verstoßen könnte, glauben die fünf Sachverständigen nicht. Sie berufen sich auf eine Klausel des Lissabonner Regelwerks, nach dem freiwillige Hilfsmaßnahmen in „unabdingbaren Notfällen“ zulässig sind, sofern sie an Bedingungen wie die Einführung von Schuldenbremsen und Sondersteuern geknüpft sind.
Eurobills Bei dieser Light-Version der Eurobonds würde die Euro-Zone lediglich gemeinsame Anleihen mit einer Laufzeit von einem Jahr ausgeben. Gleichzeitig soll kein Land mehr als zehn Prozent seiner Wirtschaftskraft auf diese Weise finanzieren dürfen. Anders als bei den klassischen Bonds mit Laufzeiten von bis zu 50 Jahren wäre das Ausfallrisiko für Investoren bei den Eurobills überschaubar, argumentieren ihre Erfinder, die beiden französischen Wissenschaftler Christian Hellwig und Thomas Philippon. Eurobills müssten bereits nach einem Jahr zurückgezahlt werden. Länder, die nicht entschlossen genug sparen, könnten danach von der Vergabe neuer Anleihen ausgeschlossen werden. Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sind gleichwohl skeptisch: „Wenn die Krise schon ein Ausmaß erreicht hat, dass man entweder nur noch gemeinsam untergehen oder sich gemeinsam retten kann, dürften Eurobills das Blatt kaum noch wenden können.“
Fiskalischer Ausgleich Bei diesem Modell des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) werden keine Schulden vergemeinschaftet, sondern Gewinne umverteilt. Länder wie Deutschland und die Niederlande, die von extrem niedrigen Zinsen profitieren, sollen einen Teil dieser Ersparnisse in einen Fonds einzahlen. Er soll immer dann einspringen, wenn ein Land für eine Anleihe mehr als fünf Prozent bezahlen muss. Nach Berechnungen des ZEW würde Deutschland mit einem Anteil von 90 Prozent diesen Ausgleich praktisch alleine finanzieren. Umgekehrt bekämen Spanien und Italien in diesem Jahr rund sechs Milliarden Euro. Ob solche Summen ausreichen, um beiden Ländern den Weg unter den Rettungsschirm zu ersparen, ist allerdings fraglich. Mit jeder Verschärfung der Krise, warnen die Bertelsmann-Gutachter, würde die Wirkung des Mechanismus abnehmen – bei steigenden Kosten für Deutschland.