Die Nachricht schickte am Mittwoch Schockwellen durch Schottland und Westminster. Niemand hatte mit dem Rücktritt von Nicola Sturgeon als Regierungschefin und Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP) gerechnet, zumindest jetzt noch nicht. Gegen Mittag trat die 52-jährige Regierungschefin vor die Presse im schottischen Edinburgh, um ihre Entscheidung in einer Ansprache zu begründen.
Sie bestritt, dass diese etwas mit den derzeitigen Diskussionen um das Gender-Gesetz oder die schwindenden Hoffnungen auf die Unabhängigkeit Schottlands zu tun habe, ein Ziel, welches die Politikerin seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2014 verfolgte. Sie wisse „im Kopf und im Herzen“, dass dies der richtige Zeitpunkt sei, um zu gehen. Sie wolle jetzt mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. „Ich bin sowohl ein Mensch als auch Politikerin.“ Wer genau hinhörte, merkte: Diese Rede hatte sie sicherlich nicht über Nacht geschrieben. Sturgeon will im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Ihre wichtigste politische Mission habe sie jedoch nicht verwirklicht: die Unabhängigkeit Schottlands. London blockiert eine erneute Abstimmung über die Frage, ob Schottland weiter Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht.
Zuletzt wollte Sturgeon nicht mehr allzu viel gelingen
Sturgeon galt lange Zeit als beliebte Parteivorsitzende, die Menschen waren insbesondere mit ihren Maßnahmen während der Corona-Pandemie zufrieden. In den letzten Wochen geriet sie jedoch massiv in die Kritik, nachdem London Mitte Januar ein umstrittenes Gesetz zur einfacheren Änderung des Geschlechtseintrags von Transmenschen in Schottland blockiert hatte. Mit dem Gesetz sollte die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen und das Mindestalter für einen Antrag von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Während Unterstützer darin eine längst überfällige Reform sahen, gab es auch großen Widerstand. Manche fürchteten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind.
Eine Umfrage fiel wenig erfreulich für die Regierungschefin aus
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Panelbase“, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, ergab, dass vier von zehn Schotten ihren Rücktritt forderten. Genauso viele wollten sie jedoch weiterhin an der Spitze der Partei sehen. Einen weiteren Rückschlag erlitt die schottische Regierungschefin im November letzten Jahres. Damals erteilte der britische Supreme Court einem Vorhaben des Regionalparlaments in Edinburgh eine klare Absage.
Als Favorit unter den möglichen Nachfolgern gilt Angus Robertson, der im Kabinett unter anderem für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist.