Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Scholz in Indien: Deutschlands Wandel vom Partner zum Bittsteller

Kommentar

Deutschland muss sich anstrengen, um nicht selbst Bittsteller zu werden

Stefan Lange
    • |
    • |
    Der indische Premierminister Narendra Modi und Bundeskanzler Olaf Scholz bei den Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen in Neu Delhi.
    Der indische Premierminister Narendra Modi und Bundeskanzler Olaf Scholz bei den Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen in Neu Delhi. Foto: Uncredited, AP

    Wer eine Idee vom heutigen Indien bekommen will, kann auf Narendra Modi blicken. Der Premierminister von 1,4 Milliarden Menschen wurde in eine Familie hineingeboren, die einer niederen sozialen Kaste angehört. Anschließend arbeitete er sich kontinuierlich hoch, seit zehn Jahren ist er Premier. Modis Eifer und Aufstieg sind Sinnbild des modernen Indiens. In vielen Regionen herrscht zwar noch bittere Armut, insgesamt betrachtet arbeitet sich das Land jedoch seit Jahren wirtschaftlich wie militärisch an die Weltspitze vor. Seit 2000 verbindet Deutschland und Indien eine strategische Partnerschaft. Die Begeisterung, mit der zu Beginn deutsche Außenminister und Regierungschefs in Neu-Delhi willkommen geheißen wurden, ist einem gesunden Selbstbewusstsein gewichen. Deutschland muss sich anstrengen, um nicht bald in der Rolle zu landen, die einst Indien gehörte: Die des Bittstellers.

    Wem das übertrieben vorkommt, mag sich die Zahlen anschauen. Der Internationale Währungsfonds billigt Deutschland in der Prognose für dieses Jahr miserable Null Prozent Wachstum zu. Das stärkste Wachstum erwartet der IWF in Indien mit satten sieben Prozent. Für China werden, zum Vergleich, 4,8 Prozent erwartet. Der Handelsaustausch mit Indien und der Region wird für Deutschland wahrscheinlich bis zum Jahr 2050 die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Insofern sind der Handel und der Austausch mit dieser Region gerade auf wirtschaftlicher Ebene besonders wichtig.

    Modis Aufstieg spiegelt Indiens Ambitionen wider

    Darüber hinaus geht es nicht erst seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges allein um nationale Wirtschaftsinteressen. Denn Indien kommt eine bedeutende Stellung bei dem Versuch zu, Russland ökonomisch in die Knie zu zwingen. Wenn das Land mit seinem enormen Energiehunger weiter die freiwerdenden Kapazitäten an Öl, Kohle und Gas aus Russland aufkauft, die Europa nicht mehr will, dann fließen Präsident Wladimir Putin immer neue Milliarden zur Finanzierung seiner Kriegswirtschaft zu. 

    Scholz versucht also, Indien auf die Seite des Westens zu ziehen, und er hat seine Sache bisher so schlecht nicht gemacht. Der Kanzler weiß, dass sich Modi von ihm nicht belehren lässt. Er muss ihn überzeugen. Mit guten Argumenten – und mit Waffen leider auch.

    Um sich von China abzugrenzen und die eigene Macht zu festigen, gilt Modis Interesse eher Raketen als Wasserstoff. Ihm geht es weit mehr um Rüstungskooperationen als um erneuerbare Energien. Das Land macht noch viele Waffendeals mit Russland, das kann nicht im Interesse Deutschlands sein. Berlin will sich zudem stärker in Szene setzen, weil es bei der Anbahnung von Rüstungsgeschäften mit Indien oft noch von Frankreich ausgebootet wird, was wiederum schlecht für die heimischen Hersteller und ihre Zulieferer ist.

    Deutschland und Indien wollen bei Rüstungsgeschäften kooperieren

    Scholz treibt die Kooperation in Rüstungsfragen voran, auf der Agenda des Besuchs fand sich passenderweise eine Absichtserklärung „zur engeren Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung“. In Goa will der Kanzler demonstrativ zwei Marineschiffe besuchen, die dort im Rahmen des Manövers „Indo-Pacific Deployment 2024“ im Hafen von Goa liegen. Das deutsche Engagement ist enorm teuer und deshalb vor dem Hintergrund knapper Kassen noch überschaubar. Eine Ausweitung wird in Regierungskreisen aber nicht dementiert.

    Bis zur Bundestagswahl wird im Rüstungsbereich aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Grünen wohl nicht mehr so ganz viel passieren können. Der nächsten Regierung muss es gelingen, die deutsch-indischen Beziehungen stärker zu betonen und auszubauen. Egal, ob der Kanzler dann Olaf Scholz oder Friedrich Merz heißt. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Wenn Deutschland sich nicht ranhält, könnte tatsächlich bald ein Rollenwechsel anstehen.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Wolfgang Boeldt

    Dazu 2 Anmerkungen: 1. Die Wirtschaftskraft Indiens marschiert mit großen Schritten nach vorne. Es wird geschätzt, daß Indien in 5-6 Jahren Deutschland von Platz #3 verdrängt haben wird (aktuell auf #5 noch hinter Japan) 2. Indien gehört und sieht sich auch wohl mehr der Staatenvereinigung BRICS zugehörig. Im Zweifel: pro BRICS. Das könnte, nicht nur für Deutschland, fast eine Herkulesaufgabe werden, gute und vernünftige Beziehungen aufzubauen. Mal abwarten ob die notwendigen Schritte hierfür beidseitig getan werden

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden