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Schockierende Berichte: Israelische Geiseln über Folter, Hunger und Angst in Gaza

Krieg im Nahen Osten

Was israelische Geiseln über die „Hölle von Gaza“ berichten

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    Der israelische Gefangene Sagui Dekel Chen wurde von Hamas-Kämpfern an das Rote Kreuz übergeben.
    Der israelische Gefangene Sagui Dekel Chen wurde von Hamas-Kämpfern an das Rote Kreuz übergeben. Foto: Abdel Kareem Hana, dpa

    Es ist immerhin ein Hoffnungsschimmer, den Idit Ohel nun festhalten kann. Nach 16 Monaten quälender Ungewissheit erhielt sie in der vergangenen Woche die erleichternde Nachricht: Ihr Sohn Alon, am 7. Oktober 2023 von Hamas-Terroristen entführt, ist am Leben. Das zumindest versicherten ihr jene Männer, die in den vergangenen Wochen im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens freigekommen waren. Doch was die Rückkehrer noch erzählten, erschüttert Ohel seither tief. Ihr Sohn werde demnach seit seiner Entführung in Ketten gehalten, sagt sie in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Kanal 12. „Wir wissen, dass Alon im Auge verletzt wurde. Er hat Schrapnellsplitter im Auge, in der Schulter, in der Hand.“ Von früheren Geiseln, die zusammen mit Alon festgehalten worden waren, habe sie erfahren, dass sie kaum Nahrung bekommen hätten, „höchstens ein Pita-Brot am Tag“. Vor der Kamera bricht sie in Tränen aus: „Ich glaube nicht, dass es auch nur eine Mutter gibt, die in der Lage wäre, das auszuhalten: dass ihr Sohn hungert, dass er hungert und angekettet ist, schon seit so vielen Tagen!“

    19 Geiseln haben die Hamas und der Islamische Dschihad, eine kleinere Terrororganisation, seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe Mitte Januar inzwischen freigelassen. Die meisten von ihnen vermeiden bislang Kontakt zu Journalisten, doch einige ihrer Angehörigen wollen, dass die Öffentlichkeit sich ein Bild machen kann von den Bedingungen der Geiselhaft.

    Freigelassene Geiseln berichten: Männer wurden mit heißen Objekten traktiert

    Der 36-jährige Sagi Dekel-Chen etwa, der am vergangenen Samstag zusammen mit zwei weiteren Männern Gaza verlassen durfte, wurde von Hamas-Terroristen unter Folter verhört, offenbar in der falschen Annahme, er sei Soldat. Einem Bericht des israelischen Senders Kanal 12 zufolge hat Dekel-Chen dabei Narben davongetragen. Auch die drei am 8. Februar befreiten Männer – Ohad Ben Ami, Or Levy und Eli Sharabi – berichteten von Folter: Die Terroristen würgten sie, banden ihre Beine und Arme zusammen, hingen sie an den Füßen auf und fügten ihnen mit heißen Objekten Verbrennungen zu.

    Der 65-jährige Keith Siegel, Anfang Februar aus der Geiselhaft befreit, veröffentlichte vergangene Woche eine Videobotschaft. „Ich wurde 484 Tage lang unter unvorstellbaren Bedingungen festgehalten“, sagte er darin. „Jeder Tag fühlte sich so an, als würde es mein letzter sein. Ich wurde ausgehungert und sowohl körperlich als auch emotional gefoltert. Terroristen traten mich, spuckten auf mich und hielten mich gefangen ohne Wasser, ohne Licht und ohne Luft zum Atmen.“

    Viele der Geiseln haben in Gaza stark an Gewicht verloren

    Eine Geisel, die anonym bleiben will, teilte dem Kanal 12 mit: „Ich war in einem dunklen Tunnel angekettet, ohne Luft und Licht. Ich konnte weder gehen noch stehen, und erst kurz vor meiner Freilassung lösten die Terroristen meine Ketten, und ich lernte wieder zu gehen.“

    Viele der Freigekommenen haben sichtbar an Gewicht verloren, einige sind deutlich abgemagert. Doch auch die fünf jungen Soldatinnen, die bei ihrer Freilassung Ende Januar vergleichsweise gesund wirkten, litten eigenen Angaben zufolge unter Hunger. Eine von ihnen, die 20-jährige Daniella Gilboa, wurde von ihrer Mutter in einem Interview mit den Worten zitiert: „Mama, wären wir vor zwei Monaten befreit worden, hätten wir ausgesehen wie Eli.“ Der 52-jährige Eli Sharabi wirkte bei seiner Freilassung regelrecht ausgemergelt. In den Wochen vor ihrer Freilassung hatten die Terroristen Gilboa zufolge die Essensrationen für die jungen Frauen erhöht.

    Fünf junge Soldatinnen aus Israel, die kürzlich aus der Gefangenschaft der Terrororganisation Hamas entlassen wurden, Daniella Gilboa, Liri Albag, Agam Berger, Karina Ariev und Naama Levy.
    Fünf junge Soldatinnen aus Israel, die kürzlich aus der Gefangenschaft der Terrororganisation Hamas entlassen wurden, Daniella Gilboa, Liri Albag, Agam Berger, Karina Ariev und Naama Levy. Foto: Ohad Zwigenberg, dpa

    Im Gegensatz zu vielen der befreiten Männer, die offenbar über weite Strecken in Tunneln festgehalten wurden, verbrachten die fünf jungen Frauen Teile ihrer Geiselhaft in Wohnungen. Angehörigen zufolge mussten die Frauen für die Familien, bei denen sie festgehalten wurden, putzen, kochen und sich gelegentlich um deren Kinder kümmern. „Die Häuser, in denen sie war, gehörten Familien mit Kindern, und diese Kinder beschimpften sie, spuckten auf sie und bedrohten sie“, sagte Shira Albag, die Mutter der Geisel Liri Albag, gegenüber dem Nachrichtenportal Ynet. „Es gab minimale Hygiene – Liri trug seit dem 7. Oktober dieselbe Unterwäsche.“

    Viele der früheren Geiseln setzen sich seit ihrer Rückkehr mit besonderem Nachdruck für die Befreiung der übrigen Entführten ein. Der 34-jährige Or Levy besuchte vergangene Woche nur sechs Tage nach seiner Freilassung jenen zentralen Platz in Tel Aviv, den Aktivisten seit dem 7. Oktober 2023 zum „Platz der Geiseln“ erklärt haben – gegen den Rat seiner Ärzte und Verwandten. „Ich mag hier sein, aber ich habe noch immer viele Brüder und Schwestern in der Hölle von Gaza“, sagte er, „und die Zeit läuft ab.“

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