Menschenrechtler fordern internationale Konsequenzen für Saudi-Arabien wegen mutmaßlicher Massaker an hunderten afrikanischen Migranten. Mit brutalen und sadistischen Methoden sollen saudische Soldaten die Flüchtlinge an der Grenze zu Jemen aufgehalten haben, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet. Die Regierung in Riad dementiert, doch Kritiker von Kronprinz Mohammed bin Salman sehen sich fünf Jahre nach dem Mord an dem Dissidenten Jamal Khashoggi in ihrer Meinung bestätigt, dass es keine normalen Beziehungen zu dem Regime des Thronfolgers geben dürfe.
HRW listet in einem 73-seitigen Bericht auf, wie afrikanische Migranten, die in Saudi-Arabien Arbeit oder Schutz vor Verfolgung suchten, an der saudisch-jemenitischen Grenze aufgehalten werden. Allein zwischen März des vergangenen Jahres und diesem Juni seien hunderte Afrikaner an der Grenze getötet worden, berichtet HRW auf der Grundlage von Gesprächen mit Flüchtlingen und der Auswertung von Videos und Fotos. Jemenitische Huthi-Rebellen, Kriegsgegner der Saudis, bringen die meist äthiopischen Flüchtlinge laut HRW an die Grenze und verdienen am Menschenschmuggel, der nach wie vor anhalte.
Mit Granaten auf unbewaffnete Flüchtlinge?
Dem Bericht zufolge schossen die saudischen Truppen mit Granaten auf die unbewaffneten Flüchtlinge. In einigen Fällen seien Flüchtlinge gezwungen worden, Frauen zu vergewaltigen – als sich ein Mann weigerte, wurde er erschossen. Saudische Grenztruppen sollen Flüchtlinge auch absichtlich mit Schüssen verletzt haben. Flüchtlinge sagten HRW, in der gebirgigen Grenzregion lägen Schwerverletzte und die Leichen von Opfern verstreut.
Die saudische Regierung wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Der HRW-Bericht stütze sich nicht auf verlässliche Quellen, erklärte Riad. Ali Shihabi, ein regierungsnaher saudischer Autor, schrieb im Kurznachrichtendienst X, früher Twitter, er sei sicher, dass Schuldige bestraft würden. Auch dürfe nicht vergessen werden, dass es schwer sei, zwischen Flüchtlingen und bewaffneten Angreifern zu unterscheiden. Der britische Sender Sky News meldete, die saudischen Behörden hätten eine Untersuchung eingeleitet.
Mohammed bin Salman bemüht sich, Image eines Gewaltherrschers loszuwerden
Kronprinz Mohammed bin Salman bemüht sich seit 2018, das Image eines gewissenlosen Gewaltherrschers loszuwerden. Damals wurde Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Mordkommando getötet, das nach Erkenntnissen der UN und US-Geheimdienste unter dem Befehl des Thronfolgers stand. Im Westen wurde der Kronprinz vorübergehend geächtet. Heute ist der 37-jährige Kronprinz, genannt MBS, international wieder hoffähig.