Ein simpler roter Teppich reichte ihm nicht – nein, für den Besuch von Muammar al-Gaddafi im Dezember 2007 in Paris musste es ein gigantisches Beduinenzelt sein. Für fünf Tage ließ es der damalige libysche Machthaber nahe des Élysée-Palasts aufbauen, um dort „entsprechend der Wüsten-Tradition“ Gäste zu empfangen. Mehrmals wurde er auch von Präsident Nicolas Sarkozy eingeladen, ebenfalls in pompösem Ambiente. Es war die grandiose Rückkehr des bis dahin geächteten libyschen Diktators auf die internationale Bühne, möglich gemacht durch Sarkozy – und durch viel Geld, das zuvor mit unlauteren Methoden in dessen Wahlkampf geflossen war?
Das ist der Verdacht, wegen dem Frankreichs Ex-Präsident und zwölf Mitangeklagte, darunter drei seiner ehemaligen Minister, seit dieser Woche vor Gericht stehen. Wegen der Vorwürfe der Bestechlichkeit, Veruntreuung öffentlicher Gelder und illegalen Wahlkampffinanzierung drohen Sarkozy bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldbuße von 375.000 Euro.
Sarkozy muss für ein Jahr eine Fußfessel tragen
Auf eine Stellungnahme vor der Presse verzichtete der 69-Jährige, der Ende Januar einen runden Geburtstag feiert. Betont lässig und gebräunt von seinem Winterurlaub auf den Seychellen kam er zur Verhandlung. „Anwalt“, antwortete er auf die Frage nach seinem Beruf, auch wenn er diesen längst nicht mehr aktiv ausübt. Wenn Sarkozy sich in den vergangenen Jahren in einem Gericht einfand, dann als Angeklagter.
Bereits zweimal wurde er verurteilt, nämlich im September 2021 wegen illegaler Finanzierung seiner Präsidentschaftskampagne 2012, als seine konservative Partei die Überschreitung der Kostenobergrenze für den Wahlkampf über gefälschte Rechnungen verschleierte; sowie im März 2021 wegen Bestechung und Vorteilsgewährung, da Sarkozy und sein Anwalt einem Juristen Unterstützung für eine berufliche Beförderung versprachen, um im Gegenzug vertrauliche Informationen über ein anderes laufendes Verfahren zu erhalten. Eine einjährige Haftstrafe wurde im Dezember 2024 definitiv bestätigt; der frühere Staatschef darf sie zuhause mit einer elektronischen Fußfessel absitzen – hat damit aber noch nicht begonnen. Das ermöglichte den Seychellen-Trip, über den seine 13-jährige Tochter Giulia in den sozialen Netzwerken bildreich berichtete. In fünf weiteren Justizaffären ist Sarkozy verwickelt. Unter anderem geht es um die umstrittene Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar, über die in Paris entschieden worden war.
Doch am heikelsten erscheint das aktuelle Verfahren. Von einem „historischen Prozess um eine Staatsaffäre“ schreibt das französische Online-Investigativmagazin Mediapart, das die Vorwürfe 2012 aufbrachte. Damals veröffentlichte es eine Notiz der libyschen Geheimdienste, der zufolge insgesamt 50 Millionen Euro geflossen sein sollen. Ob das Dokument authentisch ist, konnte nicht abschließend geklärt werden. In der Anklageschrift heißt es, es gebe „keine zuverlässige Gesamtsumme“, aber eine Reihe übereinstimmender Aussagen einstiger libyscher Würdenträger. Sowohl sein Sohn Saif al-Islam al-Gaddafi sprach von Zahlungen, als auch Muammar al-Gaddafi selbst, der im März 2011 in einem Interview sagte, Sarkozy sei 2007 „dank uns“ zum Präsidenten gewählt worden: „Wir haben ihm die Mittel geliefert, die ihm den Sieg ermöglichten.“ Der frühere Revolutionsführer, damals bereits stark in Bedrängnis durch einen Aufstand in seinem Land, rächte sich wohl dafür, dass Frankreich die Rebellen als legitime Vertreter des libyschen Volks anerkannt hatte. Paris übernahm eine aktive Rolle beim internationalen Militäreinsatz und somit indirekt auch bei al-Gaddafis Tod im Oktober 2011 während seiner Gefangennahme.
Auch Sarkozys Vertraute sitzen auf der Anklagebank
Die Ermittlungsrichterinnen Aude Buresi und Virginie Tilmont werfen Sarkozy einen 2005 geschlossenen „Korruptionspakt“ mit dem Regime in Tripolis vor: Als Gegenleistung für Zahlungen soll es das Versprechen einer intensiven politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit gegeben haben, sowie Bemühungen, die Strafverfolgung von al-Gaddafis Schwager Abdullah as-Sanusi in Frankreich einzustellen. Nach einem Attentat auf ein Linienflugzeug im Niger mit 170 Toten, darunter 54 französischen Staatsbürgern, war dieser 1999 in Paris zu einer lebenslangen Strafe verurteilt worden. Der internationale Haftbefehl gegen ihn hielt Sarkozys Vertraute Claude Guéant und Brice Hortefeux nicht von heimlichen Treffen mit as-Sanusi ab. Auch sie sitzen nun auf der Anklagebank.
Mehrere verdächtige Geldströme, teils über Briefkastenfirmen, die von Libyen zu Sarkozys Wahlkampfteam führten, konnten die Ermittler nachvollziehen. Auch der ehemalige libysche Ölminister Choukri Ghanem, dessen Leiche 2012 in der Donau in Wien gefunden wurde, hatte entsprechende Notizen gemacht. Der Mittelsmann Ziad Takieddine belastete Sarkozy zuerst stark und berichtete von eigenen Bargeld-Transporten in Koffern, bevor er alles widerrief. Weil er dies womöglich nach einer Vermittlung durch Sarkozys Frau, dem Ex-Model Carla Bruni, tat, läuft ein weiteres Verfahren. Insgesamt soll Takieddine, der sich in Libyen versteckt hält und nicht zum Prozess erscheint, 16 verschiedene Versionen der Ereignisse geliefert haben.
Zeugen in Paris sprachen zudem von sehr viel Bargeld, das während Sarkozys Kampagne 2007 in Umlauf gewesen sein soll, möglicherweise um die staatlich gesetzte Obergrenze für Wahlkampfausgaben zu umgehen. Sein Berater Guéant mietete in dieser Zeit einen begehbaren Safe in einer Bankfiliale an – angeblich zur Lagerung von Sarkozys Redemanuskripten. Der Hauptangeklagte selbst hat stets sämtliche Vorwürfe von sich gewiesen und bezeichnet sich selbst als Opfer einer Justiz-Jagd. Zwar trifft Sarkozy sich bisweilen mit Präsident Emmanuel Macron, er hat politisch aber kaum mehr Gewicht – die vielen Korruptionsaffären schaden seinem Image dauerhaft. Der Prozess läuft bis 10. April.
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