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Sanierungsdilemma: Deutschlands Autobahnen im Verfall

Verkehrspolitik

Ampel bremst bei der Autobahn-Sanierung

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    Urlauber Richtung Süden und Heimreisende in andere Bundesländer: Die  Autobahnen waren am Wochenende voll. Es blieb Zeit, sich den teils schlechten Straßenzustand in Ruhe anzuschauen.
    Urlauber Richtung Süden und Heimreisende in andere Bundesländer: Die Autobahnen waren am Wochenende voll. Es blieb Zeit, sich den teils schlechten Straßenzustand in Ruhe anzuschauen. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Seit ein paar Tagen ist ganz Deutschland in den Sommerferien. Die üblichen Staus auf den Autobahnen bieten unfreiwillig Zeit, sich deren Zustand zu betrachten – und der ist nicht besonders gut. Die „Baustellenkarte“ der 2018 gegründeten Autobahn GmbH des Bundes zeigt sich übersät von rot markierten Baustellen und Sperrungen. Es gibt praktisch keine Autobahn, die nicht betroffen ist. Oft handelt es sich um Ausbesserungsarbeiten, die dort Flicken setzen, wo eigentlich eine Kernsanierung notwendig wäre. Verantwortlich ist Verkehrsminister Volker Wissing, der unter anderem im März 2022 nach einem „Brückengipfel“ einräumte, dass in die Sanierung zu wenig investiert worden sei und Abhilfe versprach. Der Ansage des FDP-Politikers folgten offenbar aber zu wenig Taten, wie Zahlen seines Ministeriums zeigen, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen.

    Demnach wurden im Jahr 2021 nur 962 Autobahnkilometer saniert. In 2022 waren es mit 1002 Kilometern nur 40 Kilometer mehr. Für das letzte sowie das laufende Jahr liegen noch keine Zahlen vor. In besseren Zeiten lag das Sanierungsvolumen deutlich höher. 2018 wurden beispielsweise mehr als 1.400 Kilometer saniert, im Jahr davon fast 1600 Kilometer. Insgesamt ist das Autobahnnetz in Deutschland rund 13.200 Kilometer lang.

    Wagenknechts BSW fragte nach

    Abgefragt wurde die Zahlen durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das von der Ampel-Regierung vielfach ausgerufene „Deutschland-Tempo“ bei der Planung und Umsetzung von Projekten kann die Vorsitzende nicht erkennen. „Deutschland-Tempo? Auch bei der Autobahnsanierung gilt für die Ampel eher Schneckentempo“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion. Die Autobahnen seien zunehmend in keinem guten Zustand, kritisierte sie und folgerte. „Das Tempo, mit dem saniert wird, müsste also deutlich zunehmen.“

    Die fehlenden Angaben über den Sanierungsstand in den Jahren 2023 und 2024 zeigten, dass der Minister „offensichtlich seit zwei Jahren keine Kenntnisse über die Arbeiten“ habe, kritisierte Wagenknecht und ergänzte: „Wir brauchen einen Sanierungsturbo für unsere Straßen. Mit den mageren Mitteln, die die Ampel in unsere Autobahnen investiert, kann das nicht gelingen.“

    Experten sind in Sorge

    Kritik am mangelhaften Erhaltungszustand der Autobahnen kommt nicht von der Opposition. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie etwa warnt, dass kaputte Straßen und marode Brücken auch weiterhin ein Schreckensszenario bleiben werden. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) spricht sich für eine Aufhebung beziehungsweise Lockerung des Lkw-Nachtfahrverbots aus, um den Verkehr in den Tagstunden zu entlasten.

    Im Nachtragshaushalt 2024 werden die Verkehrsinvestitionen zwar um 300 Millionen Euro zur Deckung von Mehrbedarfen bei Bundesautobahnen aufgestockt, wie es im Finanzministerium heißt. Für 2025 soll der Etat für die Autobahn GmbH mindestens gehalten werden. Kritiker monieren jedoch, dass die Ampel die Zuwendungen in Kredite umwandeln will, um die Schuldenbremse einzuhalten. Ob das verfassungsrechtlich zu halten ist, wird derzeit noch geprüft.

    Lenkt Wissing ab?

    Der für den Bereich Verkehr zuständige stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ulrich Lange erklärte: „Eigentlich wäre genügend Geld für die Sanierung der Autobahnen da.“ Wissing aber pumpe die Mittel aus der Lkw-Maut, die bisher in die Straßen investiert worden seien, „lieber in die löchrige Staatskasse und die Schiene“. Den von der Union 2011 mühsam erkämpften und bewährten Finanzierungskreislauf Straße habe er zerstört.

    „Von seiner mangelnden Weitsicht will Wissing jetzt ablenken, indem die Autobahn GmbH windige Kredite bekommen soll“, sagte Lange. Dabei dürfe diese laut Gesetz gar kein Geld am Kapitalmarkt aufnehmen. „Unklar ist zudem, wie das geliehene Geld jemals zurückgezahlt werden soll, wenn jetzt schon keines da ist“, erklärte der CSU-Politiker. Wissing reiße nicht nur die Autobahnen, sondern die Verkehrsinfrastruktur insgesamt ins Verderben. „Heute ist klarer denn je: Wir brauchen tragfähige Konzepte für Straßen, Schienen und Wasserstraßen, die ihre Finanzierung langfristig sichern. Dazu gehören unter anderem geschlossene Finanzierungskreisläufe für jeden Verkehrsträger.“

    Möglicherweise tut sich noch etwas in diese Richtung. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schließt nicht aus, dass Einnahmen aus der Lkw-Maut künftig an die Autobahn GmbH gegeben werden. Ob das möglich ist, soll eine Prüfung bis Ende August ergeben. Schnelle Besserung würde das natürlich nicht bringen. Der schlechte Zustand der Autobahnen – er wird noch über vielen Ferienstaus hinweg zu beklagen sein.

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